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Energie & Klima

Standpunkte Wärmewende – ein hoher CO2-Preis reicht nicht!

Veit Bürger, stellvertretender Bereichsleiter des Energie- und Klimaschutzbereichs am Öko-Institut
Veit Bürger, stellvertretender Bereichsleiter des Energie- und Klimaschutzbereichs am Öko-Institut Foto: Öko-Institut

Die derzeit viel diskutierte CO2-Bepreisung ist auch für mehr Klimaschutz im Gebäudebereich wichtig. Angesichts der zahlreichen nicht-finanziellen Hemmnisse, die der Gebäudesanierung heute im Wege stehen, braucht es aber weitere Maßnahmen, wie Veit Bürger vom Öko-Institut in seinem Standpunkt schreibt.

von Veit Bürger

veröffentlicht am 23.07.2019

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Der Gebäudebereich ist in Deutschland für etwa ein Viertel der CO2-Emissionen verantwortlich. Unstrittig ist das Ziel, den Sektor in den kommenden 30 Jahren weitgehend CO2-frei zu stellen. Hinsichtlich des „Wie“ geht es in der aktuellen Diskussion hauptsächlich um die CO2-Bepreisung. Gestritten wird zwischen den Verfechtern einer CO2-Abgabe beziehungsweise Steuer oder der Ausweitung des Emissionshandels. Gleichzeitig kritisieren die Ökonomen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung den bisherigen Instrumentenmix als ineffizienten Flickenteppich.

Die CO2-Bepreisung ist extrem wichtig. Insbesondere dann, wenn sie mittelfristig ein Preisniveau erreicht, das Investitionen in die Gebäudesanierung auslöst. Ein Preisniveau von mindestens 80 Euro pro Tonne scheint dabei geboten. Angesichts der zahlreichen nicht-finanziellen Hemmnisse, die der Gebäudesanierung heute im Wege stehen, wird ein hoher CO2-Preis alleine aber nicht ausreichen. Viele Hauseigentümer scheuen Sanierungsmaßnahmen, weil sie vor der Flut an (teils widersprüchlichen) Informationen und dem Organisationsaufwand kapitulieren, der im Zuge einer solchen Maßnahme zu erwarten ist. Eigentümer sträuben sich aus Angst vor Schmutz, Lärm und späterer Schimmelbildung vor baulichen Maßnahmen an der Gebäudehülle.

Das Vermieter/Mieter-Dilemma ist ein weiteres Problem. Auch Wohnungseigentümergemeinschaften schaffen es oftmals nicht, sich gemeinsam auf die Sanierung ihres Gebäudes zu einigen. Dies ist nur ein Ausschnitt an Hemmnissen, die die in den letzten Jahren stagnierende Sanierungsaktivität verantworten.

Wie könnte ein möglicher Policy Mix aussehen?

Neben dem CO2-Preis braucht es also zahlreiche weitere Instrumente, den vielen Hemmnissen adäquat zu begegnen. Die seit langem diskutierte steuerliche Förderung der Gebäudesanierung gehört auf jeden Fall dazu. Mit ihr öffnet sich ein zusätzlicher Förderkanal, der auf diejenigen Hauseigentümer abzielt, die Steuersparmodelle bevorzugen. Die Steuerförderung muss allerdings so ausgestaltet werden – das gilt übrigens uneingeschränkt auch für die bestehenden Sanierungsprogramme der KfW –, dass die ausgelösten Sanierungsmaßnahmen zu den Klimaschutzzielen passen. Was bedeutet das konkret? Ein klimaneutraler Gebäudebestand erfordert, dass die Gebäude, in denen wir 2050 wohnen und arbeiten, im Durchschnitt das Niveau des KfW-Effizienzhauses 55 oder 70 erreichen. Angesichts der langen Renovierungszyklen von 40-50 Jahren sind die heute durch die KfW geförderten Sanierungsniveaus 115 und 100 nicht zielkompatibel. Entsprechend sollten sie nicht mehr gefördert werden. Dafür sollten die Konditionen für zielkompatible Sanierungsmaßnahmen verbessert werden. Hinzu kommt: Die KfW fördert heute noch den Einsatz von Heizöl- und Gaskesseln. Diese Förderung gehört sofort eingestellt!

Ordnungsrechtliche Komponente notwendig

Wir sind überzeugt, dass es neben mehr Förderung auch eine starke ordnungsrechtliche Komponente braucht. Denn viele Hauseigentümer entscheiden nicht nach rein ökonomischem Kalkül. Mit der ordnungsrechtlichen „Begleitung“ wird der langfristig notwendige Zielpfad beschrieben. Und gleichzeitig schafft sie für alle Hauseigentümer und Akteure auf dem Sanierungsmarkt Planungssicherheit.

Was wären sinnvolle Elemente? Zunächst ein Verbot von Heizanlagen auf Basis fossiler Brennstoffe. Beginnend mit einem Verbot fossiler Kessel im Neubau innerhalb der nächsten fünf Jahre sollte das Verbot bis spätestens 2030 auf alle bestehenden Gebäude ausgeweitet werden. Damit wäre Deutschland nicht alleine: Dänemark verbietet seit 2016 in Altbauten den Einbau neuer Ölkessel, wenn Fernwärme oder Gas zur Verfügung stehen. In Niederösterreich sind seit Anfang des Jahres Ölheizungen im Neubau verboten. Die Niederlande planen ein Verbot von Gaskesseln.

Das seit langem diskutierte Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) sollte neben ambitionierten Anforderungen für Neubauten insbesondere die vielen Ausnahmen bei bestehenden Gebäuden streichen. Ein Beispiel: Die heute noch gültige EnEV verbietet, Heizkessel, die älter als 30 Jahre sind, weiter zu betreiben. Die Regelung gilt allerdings nicht für einen Großteil der Ein- und Zweifamilienhäuser. Da diese Gebäude aber die Mehrheit des deutschen Gebäudebestands ausmachen, läuft die Regelung ins Leere. Mit Blick auf die Klimaschutzziele sollten solche Ausnahmen gestrichen werden.

Es würde zudem helfen, direkt im GEG die notwendigen Schritte bis 2050 zu verankern; etwa in Form eines Stufenplans, der für jedes Jahr – aufbauend auf den Effizienzklassen für Gebäude – eine Zielklasse festlegt, die über die Jahre hinweg absinkt (z.B. 2025-2030 Effizienzklasse D, 2030-2035 Effizienzklasse C). Das hätte erst einmal keine unmittelbaren Wirkungen, wäre aber eine hilfreiche Grundlage für weitere oder modifizierte Instrumente, wie etwa einer Ausrichtung der Grundsteuer an der Gebäudeeffizienz oder der Schaffung einer Bonus/Malus-Regelung.

Infrastruktur strategisch planen

Gerade bei der Frage, wie die Gebäude zukünftig CO2-frei mit Wärme versorgt werden, benötigen wir mehr strategische Planung. Denn hier hängen die Versorgungskonzepte sehr stark von den örtlichen Gegebenheiten, wie etwa der Verfügbarkeit erneuerbarer Energien ab. Hilfreich wäre eine Verpflichtung der Kommunen, kommunale Wärmepläne aufzustellen. In Dänemark gibt es diese Verpflichtung schon seit Jahren. Baden-Württemberg bereitet gerade deren Einführung für größere Kommunen vor. Dazu gehört auch eine strategische Infrastrukturplanung. Diese betrifft vor allem die zukünftige Entwicklung und den Neubau von Wärmenetzen; aber auch die Frage, wie der sukzessive Ausstieg aus den Erdgas-Verteilnetzen organisiert werden kann. Denn nach unseren Analysen macht es keinen Sinn, die bestehende Gasinfrastruktur zu erhalten, um sie zukünftig mit synthetischem Gas zu betreiben. Dagegen sprechen die hohen Umwandlungsverluste und Kosten der Erzeugung und die unklare Verfügbarkeit der benötigten Kapazitäten an erneuerbarer Stromerzeugung.

Aufmerksamkeit dem Fachkräftemangel widmen

Auf den bestehenden Fachkräftemangel ist schon oftmals hingewiesen worden, geändert hat sich bisher nicht viel. Eine Verdopplung der Sanierungsrate bedeutet in erster Näherung eine Verdopplung an Arbeitskräftebedarf. Serielles Sanieren und industrielle Vorfertigung helfen sicher, die Fachkräfteintensität zu reduzieren. Weiterhin notwendig sind Instrumente, die darauf abzielen, für ausreichenden und gut ausgebildeten Nachwuchs im Handwerk zu sorgen. Handwerksberufe müssen wieder attraktiver werden, damit ausgebildete Gesellinnen und Gesellen nicht in andere Branchen oder in die Industrie abwandern. Benötigt werden gezielte und konsequente Nachwuchs- und Umschulungsprogramme. Firmen im Handwerk benötigen verlässliche politische Vorgaben, damit sie Personalentscheidungen langfristig besser planen können.

Kurzum: ein uneingeschränktes Ja zur CO2-Bepreisung, aber auch ein klares Ja für einen breiten Instrumentenmix.

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