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Energie & Klima

Standpunkte Was europäische Forschung für das Klima leisten kann

Daniela Jacob, Direktorin des Climate Service Center Germany (GERICS)
Daniela Jacob, Direktorin des Climate Service Center Germany (GERICS) Foto: Christian Schmid/GERICS

Europäische Forschung und Innovation ist aus Sicht von GERICS-Direktorin Daniela Jacob ein Schlüsselelement für die erfolgreiche Klimaschutz-Transformation. Sie plädiert in ihrem Standpunkt dafür, mehr voneinander zu lernen und wissenschaftlich enger zusammenzuarbeiten – und hat dabei auch Deutschlands Rolle im Blick.

von Daniela Jacob

veröffentlicht am 05.11.2021

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Der europäischen Gesellschaft und Wirtschaft steht ein großer Wandel bevor. Wie auf kaum einem anderen Kontinent verpflichten sich hier Staaten gemeinsam zur Eindämmung der Treibhausgasemissionen und insbesondere des CO2-Ausstoßes.

Beim Weltklimagipfel in Glasgow erklimmt zurzeit ein Redner nach dem anderen das Podium und verkündet, dass die Uhr nicht fünf vor Zwölf zeigt, sondern „eine Minute vor Zwölf“, wenn wir die globale Erwärmung aufhalten wollen. In Berlin findet zugleich die „Berlin Science Week“ statt und das Thema Klima und Klimawandel dominiert die Woche.

Wie kann international vernetzte Forschung und Innovation die Gesellschaft bei diesen Herausforderungen unterstützen? Europa und Deutschland leisten bereits viel in der internationalen Zusammenarbeit im Europäischen Forschungsraum (EFR), aber Deutschland könnte hier eine noch aktivere Rolle einnehmen.

Die Forschung hat bereits viel beigetragen

Seit Beginn der Industrialisierung hat sich die Durchschnittstemperatur auf der Welt bereits um mehr als ein Grad Celsius erhöht. Damit einhergehend haben extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Dürren und Starkregen in einigen Regionen der Erde deutlich zugenommen. Jede weitere Erwärmung führt zu mehr extremen Wetterereignissen und muss daher vermieden werden.

Die gute Nachricht ist, dass die zentralen Ziele des Paris-Abkommens grundsätzlich noch erreicht werden können. Doch die Emissionen gehen nicht deswegen zurück, weil beschlossen wird, dass dies notwendig ist. Vielmehr sind grundlegende Veränderungen in vielen gesellschaftlich und wirtschaftlich bedeutenden Bereichen notwendig. Gemeinsame europäische Forschung kann hierbei nationale Anstrengungen unterstützen und voranbringen.

Wir forschen bereits seit Jahrzehnten gemeinsam, um die Auswirkungen eines sich global ändernden Klimas auf regionaler und nationaler Ebene zu erfassen. Dadurch stehen jetzt die notwendigen Klimawandelinformationen zur Verfügung, um vor Ort Anpassungsstrategien zu entwickeln.

Der Norden kann vom trockenen Süden lernen

Das war nur durch gemeinsame Anstrengung möglich. Ein konkretes Beispiel hierfür ist das Coordinated Regional Climate Downscaling Experiment (CORDEX) des Welt-Klima-Forschungs-Programms (WCRP). In diesem großen internationalen Netzwerk wird die Entwicklung und Anwendung regionaler Klimamodelle, als Verfeinerung globaler Modelle, weltweit koordiniert. Hierdurch werden vergleichbare, verknüpfbare und vor allem belastbare Methoden sowie eine gemeinsame Wissensbasis geschaffen.

Verschiedene Regionen der Welt sind teils sehr unterschiedlichen Risiken ausgesetzt. Trockene Regionen wie zum Beispiel der Süden von Spanien müssen sich in anderer Form an den Klimawandel anpassen als skandinavische Polarregionen. Regionen, die durch den fortschreitenden Klimawandel neuen, bisher dort nicht bekannten Wetterextremen ausgesetzt sind, können von den Erfahrungen anderer Regionen, in denen ähnliche Wettersituationen schon länger auftreten, profitieren.

Konzepte und Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels können ausgetauscht und gemeinsam weiterentwickelt werden. So kann Deutschland konkret auf die Erfahrungen des europäischen Südens im Umgang mit anhaltenden Trockenperioden und Waldbränden zurückgreifen. Initiativen wie zum Beispiel CORDEX oder “Connecting Climate Knowledge for Europe” (ein Teil der Joint Programming Initiative Climate der EU) liefern Plattformen, um eine nationale Fragmentierung in der Forschung zu überwinden und die grenzüberschreitende Forschung zu fördern.

Die Forschung bildet zudem die Wissensbasis für die Entwicklung großer europäischer Vorhaben wie der europäischen Klimaanpassungsstrategie und des Green Deals. Diese unterstützen wiederum nationale Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel, den die Länder nicht allein bewältigen können. Mit dem Green Deal werden die EU-Staaten unterstützt, bis 2050 ihre Netto-Treibhausgas-Emissionen auf null zu reduzieren. Hierfür werden nicht nur Forschungsaktivitäten finanziell gefördert, sondern auch ganz konkrete Umsetzungsmaßnahmen der Wirtschaft und Maßnahmen, die vor allem einen sozial gerechten Übergang zu einer Netto-Null-Gesellschaft ermöglichen sollen.

So wird beispielsweise die europäische Forschungsmission „Klimawandelanpassung und gesellschaftliche Transformation“ bis 2030 mindestens 150 europäische Regionen und Gemeinden auf dem Weg zur Klimaresilienz unterstützen. Sie wird Europa widerstandsfähiger machen, um angemessen und sozialverträglich mit Klimaveränderungen umzugehen. Die europäische Forschung hat den Grundstein für die Ausformulierung dieser Mission gelegt und substanzielle Beiträge zur Themensetzung und Gestaltung geliefert. 

Deutschland kann von Europa stärker profitieren

Im europäischen Forschungsraum wird viel in die EU-weite, interdisziplinäre Forschung zu Klimaschutz und Anpassung an die Folgen des Klimawandels investiert. Das Förderprogramm Horizont Europa ist mit 95,5 Milliarden Euro das umfangreichste Forschungsförderungsprogramm der Welt, in dem die Klimaforschung ein wesentlicher Bestandteil ist.

Eine wichtige Rolle spielen neben den europäischen Aktivitäten aber auch nationale Ansätze wie die FONA-Strategie des Bundesforschungsministeriums zur Forschung für Nachhaltigkeit, die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel sowie die Helmholtz-Klima-Initiative.

Klimaschutzmaßnahmen und Anpassungen an die Folgen des Klimawandels sollten von den Menschen nicht primär als bedrohlich oder einschränkend gesehen werden. Sie sind vielmehr eine Chance auf eine sichere Zukunft. Eine europäische Zusammenarbeit ermöglicht uns, eine breite Akzeptanz für die bevorstehenden gesellschaftlichen Transformationen zu schaffen, indem Forschung, Politik und Gesellschaft in gemeinsamen Initiativen noch mehr zusammengebracht werden.

Hier könnte und sollte Deutschland eine prominentere Rolle einnehmen und auf nationaler Ebene gut etablierte Instrumente stärker im europäischen Raum bekannt machen. Deutschland kann auf europäischer Ebene auch die Themensetzung aktiver mitgestalten und national von den Programmen der EU noch stärker profitieren.

Insgesamt wird der Erfolg der Transformation aber entscheidend von der Zusammenarbeit und dem Dialog aller gesellschaftlichen Akteure sowie einem grundlegenden gemeinsamen Werteverständnis – insbesondere auch zwischen der Forschung und der praktischen Entscheidungs- und Umsetzungsebene vor Ort – abhängen.

Prof. Dr. Daniela Jacob ist Meteorologin und Direktorin des Climate Service Center Germany (GERICS) beim Helmholtz-Zentrum Hereon. Am Sonnabend, dem 6. November um 14 Uhr, spricht sie in einer öffentlichen Diskussion zum Thema Europäischer Forschungsraum und Klima auf der „Berlin Science Week“.

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