Projektbezogenes Impact-Investing ist auch in Deutschland ein rasant wachsender Markt, das belegen aktuelle Zahlen von Crowdinvest.de. Denen zufolge haben Schwarmfinanzierungen hierzulande in den letzten zehn Jahren eine steile Entwicklung genommen – vom absoluten Nischenphänomen mit einem Gesamtvolumen von 1,5 Millionen Euro im Jahr 2011 auf knapp 330 Millionen Euro im Jahr 2020. Damit rangiert Deutschland hinter Großbritannien auf Platz 2 in Europa. Gerade von privaten Kleinanlegern wird Crowdfunding in Zeiten von Dauer-Niedrigzinsen als attraktive, komplementäre Anlageoption angenommen. Besonders erfreulich: Im Jahr 2020 boomten besonders die Anlagen in nachhaltige Energieprojekte, mit einem Plus von rund 45 Prozent.
Kleines Investment, große Wirkung
Ein paar Beispiele: Während der Berliner Anbieter für Solar- und Wasserstoff-basierte Heimspeicher, Home Power Solutions, sein Crowdfunding zum Ausbau einer flächendeckenden Service- und Vertriebsstruktur im DACH-Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) nutzte, sammelte Pionierkraft aus München, ein Start-up, dessen Lösung das Teilen von selbst erzeugtem Solarstrom mit Nachbarn ermöglicht, zuletzt auf diese Weise Geld für seine Serienproduktion ein. Bei Ecoligo aus Berlin fußt sogar das gesamte Geschäftsmodell darauf und finanziert so für kleine und mittlere Unternehmen in Schwellen- und Entwicklungsländern den Aufbau, Betrieb und die Wartung von Solaranlagen vor.
Mit großer Klimawirkung: Allein durch die von Ecoligo bis dato über 100 realisierten Crowdfunding-Projekte wurden in den vergangenen Jahren über 900.000 Tonnen CO2 in Ländern wie Kenia, Vietnam oder Costa Rica eingespart. Diese erfreuliche Entwicklung hat allerdings auch Schattenseiten: Denn Start-ups werden beim Crowdfunding enorme und unnötige bürokratische Bürden auferlegt. Das verschleppt die Finanzierung und den Ablauf der Projekte.
Überprüfung von Crowdfundings fehlen klare inhaltliche Maßstäbe
Keine Frage: Eine wirksame Überprüfung der über Crowdfunding-Plattformen emittierten Anlageprodukte und der mit ihnen einhergehenden Risiken ist ein Muss. Allerdings sollten dem rechtsverbindliche und klare inhaltliche Maßstäbe zugrunde liegen sowie der Zeit- und Ressourcenaufwand überschaubar bleiben. Das ist Stand heute nicht der Fall.
Die Überprüfung der überwiegend im Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) und Kleinanlegerschutzgesetz geregelten Vorgaben zu Schwarmfinanzierung obliegt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Zentrale Grundlage hierfür ist das sogenannte Vermögensanlageninformationsblatt (VIB). Es ist die Aufgabe des kapitalsuchenden Unternehmens, dieses dreiseitige Dokument mit detaillierten Informationen zum Anlageobjekt, Zielsetzungen, Risiken des Projektes sowie allen relevanten Konditionen wie den in Aussicht gestellten Renditen bei der Bafin einzureichen und von dieser freigeben zu lassen. Dafür nimmt sie sich zehn Arbeitstage Zeit – angesichts der dünnen Personaldecke der Bafin verständlich.
Viel problematischer ist, dass die von der Bafin veröffentlichten Mindestangaben für das VIB sowie die ergänzenden Merkblätter keine Beispielformulierungen oder Muster beinhalten. Das lässt den kapitalsuchenden Unternehmen beim Ausfüllen viel Interpretationsspielraum. Das erschwert auch die Arbeit der Bafin-Kollegen, da bei der Überprüfung kein einheitlicher Maßstab angelegt werden kann.
So hängt das Prüfergebnis oftmals vom Beurteilungsmaßstab des jeweiligen Fallbearbeiters ab und die Prüfung verkommt häufig zu einem Urteil über belanglose Äußerlichkeiten wie Schreibstil oder die Reihenfolge der gemachten Angaben. Das Absurde: Bei jeder noch so kleinen Korrektur wiederholt sich der Prozess des VIBs und die Zwei-Wochen-Frist beginnt von Neuem. Täglich grüßt das Murmeltier!
Neue Regulierungen schaffen zusätzliche Hürden
Damit nicht genug streuen Neuregelungen durch das Gesetz zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes zusätzlich Sand ins Getriebe crowdfinanzierter Klimaprojekte. Durch eine im Sommer in Kraft getretene Regulierung müssen Emittenten eines Crowdfundings einen externen Mittelverwendungskontrolleur bestellen. Dessen Aufgabe ist es, die zweckgebundene Verwendung der eingeworbenen Mittel sicherzustellen, und zwar so, dass sie präzise den Ausführungen des VIB entsprechen. Hierfür zugelassen sind nur ausgewählte Experten wie Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater. Jedoch zeigt sich bislang in der Praxis, dass diese externen Experten für Start-ups mit ihren kleinvolumigen Crowdfundings schwer zugänglich sind. Bis zur Freigabe sind die Projektgelder aus dem Crowdfunding auf treuhänderisch verwalteten Konten eingefroren.
Nach den Lehren aus der Prokon-Pleite 2014 verpflichtet das ebenfalls neu installierte Blindpool-Verbot Unternehmen dazu, vor der Emission eines Crowdfundings das konkrete Anlageobjekt eindeutig zu benennen. Auch das ist eine vom Grundsatz her richtige und wichtige Maßnahme, doch: Gut gemeint ist leider nicht automatisch gut gemacht. Größtes Manko ist das Versäumnis des Gesetzgebers, der Branche inklusive der Aufsichtsbehörden eine ausreichende Übergangsfrist zu gewähren, um sich auf die Neuregelungen einzustellen.
Schwammig ausgestaltetes Blindpool-Verbot
So ist das Blindpool-Verbot inhaltlich derartig schwammig ausgestaltet, dass es den Dokumentationsaufwand der Start-ups enorm erhöht, nicht aber die Transparenz für die Bafin und die Anleger:innen. Das führt beispielsweise dazu, dass die Bafin bei Crowdfundings, die der Unternehmensfinanzierung dienen, per se – und fälschlicherweise – einen Blindpool annimmt. Es mangelt hier offenbar an einem Verständnis der den Start-ups zugrundliegenden Geschäftsmodelle und der diesbezüglichen Rolle von Crowdfundings.
In der Folge liegen Projekte teils monatelang brach oder die Start-ups sind gezwungen, die Gelder aus den eigenen, dünnen Rücklagen vorzustrecken. Das wiederum erhöht ihr Liquiditätsrisiko. Für Geschäftsführer ist dies umso gravierender, als sie durch das im November in Kraft getretene Schwarmfinanzierungsbegleitgesetz für fahrlässige Falschangaben oder das Weglassen von Informationen in den Vertragsdokumenten eines Crowdfundings mit ihrem Privatvermögen haften. Damit beinhaltet die deutsche Umsetzung des europäischen Schwarmfinanzierungsgesetztes (ECSP) Haftungsregeln, die deutlich strenger als die anderer europäischer Mitgliedsstaaten sind. Welcher Gründer möchte unter solchen Begleitumständen ein derartiges Risiko eingehen?
Eine Überholspur für crowdfinanzierten Klimaschutz
Fest steht: Deutsche Start-ups könnten pro Jahr hunderte schwarmfinanzierte Projekte zusätzlich im Kampf gegen den Klimawandel umsetzen. Man muss sie nur lassen. Hierfür bedarf es einer besseren Harmonisierung der Regulierungen auf europäischer Ebene und einer Nachschärfung einschlägiger deutscher Gesetze samt klarer inhaltlicher Leitlinien speziell für Crowdfundings. Die chronisch überlastete Bafin sollte personell aufgestockt und eine Aufklärungsoffensive zur sinnvollen Strukturierung von Crowdfundings gestartet werden. Hierbei sollte es darum gehen, eine bessere Balance zwischen Anleger- und Klimaschutz herzustellen. Behördliche Sorgfalt darf nicht zum Hemmschuh für Klimatechnologie-Innovation und schnellwirksame Klimaschutzprojekte werden. Denn wenn uns im Kampf gegen den Klimawandel etwas ganz besonders fehlt, dann ist es Zeit!