Sustainable Investing (SI) berücksichtigt eine große Bandbreite von Umwelt-, Gesellschaft- und Governance-Themen (ESG, E für Environment, S für Social). In den letzten Jahren gewinnen vor allem der Klimawandel, Wasserknappheit und die Umweltverschmutzung weit größeres Anlegerinteresse als gesellschaftliche Themen wie Menschenrechte, Arbeitsbedingungen, Bildung und Gesundheitsleistungen. Denn sowohl für Anleger als auch die Politik gilt offenbar: Es ist wichtiger, umweltbezogene Herausforderungen zu lösen als gesellschaftliche Probleme.
Das zeigt auch eine Datenbankanalyse: 12 Prozent der Publikumsfonds fokussieren sich auf Umweltthemen, während nur drei Prozent gesellschaftliche Themen ganz in den Mittelpunkt stellen, so Fund Ecomarket. Dieses Muster ist nicht neu. MSCI legte seinen ersten Aktienindex mit Ausrichtung auf Umweltthemen im Jahr 2009 auf. Erst 2016 folgte ein Index mit Fokus auf gesellschaftliche Themen (der Women’s Leadership Index), wie eine Übersicht zeigt.
Mehr Interesse an Green Bonds
Bereits 2008 wurde der erste offizielle Green Bond aufgelegt, dessen Erlöse ausschließlich für Umweltprojekte vorgesehen waren. Die International Capital Markets Association (Icma) definierte sechs Jahre danach Grundsätze für grüne Anleihen. Zwei Jahre später folgten Leitlinien für Social Bonds. Das Interesse an sozialen Anleihen stieg allerdings erst mit der Coronavirus-Pandemie. Aber bis heute ist das gesamte Volumen der Green Bonds weit größer als das der Social Bonds.
Es gibt zahlreiche Erklärungsansätze dafür: Umweltprobleme wie Emissionen oder Wasserverbrauch sind leichter zu definieren und zu messen als soziale Themen wie Gesundheit oder Wohlergehen. Daher können Umweltdaten auf systematische Weise im Investmentprozess besser berücksichtigt werden. Zudem können Umweltbelastungen leichter durch technische Lösungen überwunden werden, während Maßnahmen gegen soziale Probleme eher Verhaltensänderungen erfordern und die Erfolgsdefinition in den einzelnen Kulturen stark variiert.
Schub für Genderthemen
Dennoch sind all dies keine triftigen Argumente, gesellschaftliche Anliegen auszublenden, Notwendigkeiten, wie sie in den UN-Nachhaltigkeitszielen SDGs verankert sind. Vor diesem Hintergrund hat bei sozialen Anlagefonds die Geschlechtergleichheit (Gender Equality) in den letzten zehn Jahren stark an Bedeutung gewonnen. So gab es 2012 lediglich fünf Publikumsfonds, im Jahr 2019 bereits mehr als 50 Strategien. Ende 2020 betrug das gesamte verwaltete Vermögen in diesem Segment 11 Milliarden US-Dollar.
In jüngerer Zeit erörtern Fachleute allerdings die Frage, ob eine Anlage oder eine Impact-Strategie mit Fokus auf Gender Equality ihre Ziele erreichen kann, wenn sie nicht auch klimabezogene Ungleichheiten berücksichtigt. Die UN hat auf den Effekt zwischen Gender Equality und Klimawandel bereits vor mehr als zehn Jahren hingewiesen.
Denn Frauen sind von den Folgen des Klimawandels häufiger betroffen. Sie stellen einen Großteil der Armen auf der Welt dar und sind eher abhängig von lokalen natürlichen Ressourcen, die vom Klimawandel beeinflusst werden. Sie treffen nach wie vor weniger finanzrelevante Entscheidungen, verfügen über geringere finanzielle Ressourcen und kümmern sich überwiegend um häusliche Bedürfnisse. Diese Aspekte werden insbesondere in Entwicklungsländern durch den Klimawandel erschwert. Und doch haben Frauen laut den Vereinten Nationen einen großen Einfluss auf die Veränderung von Lebensstilen, die zur Anpassung an ein sich wandelndes Umfeld notwendig ist.
Umwelt und Gesellschaft nicht isoliert voneinander betrachten
Dieser Zusammenhang zwischen Umwelt und Gesellschaft findet sich in der gesamten Bandbreite unserer Nachhaltigkeitsprobleme. Die gravierendsten Folgen des Klimawandels treffen vor allem die Ärmsten der Gesellschaft. Darum sei betont: Gesundheit für alle kann nicht ohne eine Eindämmung des Klimawandels und den Zugang zu sauberem Wasser erreicht werden! Hunger lässt sich nicht beseitigen, ohne die Auswirkungen des Klimawandels und der Biodiversität auf die Produktivität der Landwirtschaft einzubeziehen!
Versucht man, die ökologischen und gesellschaftlichen Aspekte vollkommen voneinander zu trennen und ihre relative Bedeutung gegeneinander abzuwägen, könnte dies letztlich vom Ziel ablenken und vor allem vom Weg wegführen, einen positiven Wandel zu bewirken. Dies wiederum wäre auch aus Anlegerperspektive wenig sinnvoll, weil man versäumen würde, Anlagechancen zu heben.
Während für Anlegerinnen und Anleger naturgemäß auch Renditefragen mit Kapitalanlagen verknüpft sind, trifft dies für Regulatoren nicht primär zu. Wohl auch darum hat sich die Regulierung zu SI bei umweltorientierten Anlagen viel schneller entwickelt als bei sozial ausgerichteten Investments. Obwohl SI-Experten den Fokus seit Jahrzehnten auf viele ESG-Aspekte legen, standen bei der Entwicklung der EU-Taxonomie nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten seit 2018 vom Start weg Umweltthemen im Fokus. Gesellschaftsbezogene Aspekte beschränkten und beschränken sich bis heute lediglich auf die Einhaltung von Mindeststandards für Menschenrechte. Die Klimataxonomie ist in Kraft, doch die Arbeiten an einer sozialen Taxonomie begannen erst 2021 – und es ist noch längst nicht ausgemacht, ob es in der EU zu einem Rechtsakt kommen wird.
Regulierung schafft gleiche Voraussetzungen
Wie soll man all die Aspekte angemessen berücksichtigen, die unsere Aufmerksamkeit verlangen? Auch wenn es ein Ungleichgewicht zwischen „E“ und „S“ gibt, hilft die Regulierung gleiche Voraussetzungen auf der Anbieterseite zu schaffen, indem sie für Transparenz sorgt. Auf dieser Basis können Asset Manager neue Wege finden, um sich abzuheben durch strategische und proaktive Entscheidungen.
Diese sollten ökologische und soziale Facetten umfassen, um überzeugend nachhaltiges Wachstum zu finanzieren. Das bedeutet zweierlei: nachhaltig ausgerichtet und finanziell sinnvoll in Unternehmen zu investieren sowie ein engagierter, aktiver Eigentümer zu sein und nachhaltigeres Wirtschaften einzufordern. Über diesen Weg kann auch ein angemessener Fokus auf soziale Probleme gelegt werden hinsichtlich Unternehmenszielen, Regularien und Regierungen. Vermögensverwalter können und sollten durch Stimmabgabe, Engagement und Teilnahme an Initiativen der Finanzbranche Einfluss nehmen.