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Standpunkte Nicht zu lange zögern bei der Berichtspflicht

Sabine Braun, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Akzente
Sabine Braun, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Akzente Foto: Akzente

Die neue Berichtspflicht von Unternehmen zu ihren Nachhaltigkeitsrisiken und Leistungen etwas zu verschieben, sei realitätsnäher, sollte aber nicht zu stark verzögert werden, denn die EU-Offenlegungspflichten für Investoren brauchen Substanz, meint Sabine Braun, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Akzente.

von Sabine Braun

veröffentlicht am 17.03.2022

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Im Weltgeschehen untergegangen ist, dass der von der EU-Kommission eng getaktete Zeitplan für die neue Berichtspflicht zur Nachhaltigkeit, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), möglicherweise entzerrt umgesetzt wird: Am 24. Februar, dem Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine, veröffentlichte der Europäischen Rat einen Änderungsvorschlag und plädiert darin für eine Verschiebung der Fristen: um ein Jahr für bereits berichtspflichtige sowie um zwei Jahre für bislang noch nicht berichtspflichtige Unternehmen (Tagesspiegel Background berichtete).

Die Verhandlung mit dem Europäischen Parlament soll demnächst starten, der Ausgang ist naturgemäß offen. Doch war zu vernehmen, dass auch das Parlament sich angesichts all der Probleme, mit denen die Wirtschaft aktuell konfrontiert ist, eine Verschiebung der Fristen gut vorstellen kann. Zumal der von der EU-Kommission für Dezember 2021 angekündigte zweite Entwurf noch immer nicht vorliegt.

Zeitliche Entzerrung wäre erleichternd

Für die rund 15.000 Unternehmen in Deutschland, die sich auf die Berichtspflicht vorbereiten und dafür oft händeringend nach Personal, Berater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen suchen, wäre dies eine große Erleichterung. Das heißt ja nicht, dass sie nicht schon starten können und sollten. Aber der Weg von einer initialen Datensammlung hin zu einem geprüften Bericht, der Bestandteil des Lageberichts ist, wird damit wenigstens vom Sprint zum 400-Meter-Lauf – nicht aber zum Marathon. Denn für das Geschäftsjahr 2024 beziehungsweise 2025 muss dann ein gesetzeskonformer Bericht vorliegen. Das sollte auch die Kritiker beschwichtigen, die hinter der Fristverschiebung das Lobbying der Wirtschaftsverbände vermuten – und das nicht zu Unrecht.

Doch lau wird das Vorhaben damit nicht, meine ich, aber realitätsnäher. Tatsächlich war der vom Parlament im März 2021 mit dem Entwurf der CSRD-Richtlinie vorgelegte und von der EU-Kommission mit ihrem im April 2021 veröffentlichten Entwurf zunächst bestätigte Zeitplan mehr als ambitioniert: Schon für das Jahr 2023 einen Bericht gemäß CSRD erstellen zu müssen, wenn die Standards dafür erst im Oktober 2022 final vorliegen, konnte schon als Zumutung verstanden werden.

Immerhin sind mit der Ausweitung der Berichtspflicht durch die CSRD nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiter:innen betroffen, von denen sich die meisten mit den geforderten Informationen noch gar nie auseinandergesetzt haben, geschweige denn, dass sie diese per Knopfdruck generieren können wie die großen börsennotierten Gesellschaften – bei denen das aber auch nicht so einfach klappt, wie man annehmen möchte.

Unwucht bei der Regulierung zur Nachhaltigkeit

Unschön ist jedoch, dass sich mit einer Verschiebung von Veröffentlichungsfristen die Unwucht im Gefüge des EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums verstärkt. Im Kern dessen geht es darum, mehr private Investitionen in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu lenken. Deshalb soll die Berichterstattung der Unternehmen zu Umwelt, Sozialem und Unternehmensführung einschließlich Kennzahlen zur EU-Taxonomie den Finanzinstituten und Investoren die Auswahl finanzierungswürdiger Aktivitäten und damit eine stichfeste Deklaration gegenüber Kund:innen ermöglichen. Sprich: Ohne Transparenz kein Geld für Investitionen.

Dass die EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) bezüglich der Nachhaltigkeit ihrer Produkte für Finanzinstitute bereits im März 2021 in Kraft trat, aber die dafür erforderliche Substanz, die Berichterstattung von Unternehmen, mit der CSRD erst später geschaffen wird, ist und bleibt unglücklich.

Neben der Fristverschiebung zur CSRD-Umsetzung plant der Rat weitere Erleichterungen, die er mit dem Parlament nun auszuhandeln hat. Dazu gehört der Verzicht auf eine zwingende Veröffentlichung der Nachhaltigkeitsinformationen für nicht börsennotierte Unternehmen im European Single Electronic Format (ESEF). Die Verschärfung von Strafen für „Verstöße“ gegen die CSRD will er ersatzlos streichen.

Tempo bei Sustainable-Finance-Strategie nötig

Das Thema Prüfer nimmt dagegen breiteren Raum ein: Die Mitgliedsstaaten sollten es seiner Ansicht nach erlauben können, dass für die Abschlussprüfung von finanziellen und nichtfinanziellen Informationen derselbe Prüfer eingesetzt wird. Ausgeschlossen aber soll bleiben, dass Gesellschaften, die Nachhaltigkeitsberichte prüfen, zugleich Beratungsleistungen in Sachen Nachhaltigkeit für das Unternehmen erbringen. Schon zu häufig erlebt man wieder die unselige Verquickung von Beratung und Prüfung. Allerdings bedarf es dafür auch eines raschen Ausbaus des Know-hows zu einem prüffesten Reporting bei den Beratungsgesellschaften.

Interessant und angesichts zunehmenden Greenwashings relevant ist die vom Rat vorgeschlagene Bestimmung, dass Nachhaltigkeitsprüfer ähnlich wie Finanzprüfer verpflichtet werden sollen, Betrug zu melden.

Von der European Financial Reporting Advisory Group (Efrag), die die EU-Kommission mit der Ausarbeitung europäischer Berichtsstandards beauftragt hat, liegen inzwischen erste Arbeitspapiere vor. Sie geben einen Einblick, stehen aber noch nicht zur Konsultation. Ihre Inhalte sind ähnlich komplex wie die Standards der Global Reporting Initiative (GRI), weshalb es bei deren Anwendung sicher einer Begleitung bedarf.

Die Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bereiten sich darauf längst vor und stärken ihre Kapazitäten. Doch mit jedem Tag Krieg in der Ukraine wachsen die Herausforderungen für die Wirtschaft, dass so manches Beratungsprojekt bald auf Eis gelegt werden könnte. Man wird deshalb ebenso effiziente wie kluge Lösungen erwägen müssen, um die Sustainable-Finance-Strategie der EU samt der Berichtspflicht rasch umzusetzen. Denn das Ziel ist wichtiger denn je: mehr Klimaschutz, mehr Erneuerbare, mehr „Freiheitsenergie“.

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