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Gesundheit & E-Health

Standpunkte Abfrage im Fahrschulunterricht

Wolfram Henn ist Humangenetiker und Mitglied im Deutschen Ethikrat
Wolfram Henn ist Humangenetiker und Mitglied im Deutschen Ethikrat Foto: Deutscher Ethikrat/W. Zensen

Am Montag nimmt das freiwillige Organspenderegister in Deutschland seinen Betrieb auf. Gerade junge Menschen sollten möglichst umfassend, aber ohne Zwang in das Organspenderegister aufgenommen werden, meint der Humangenetiker und Medizinethiker Wolfram Henn und macht Vorschläge, wie das gelingen könnte.

von Wolfram Henn

veröffentlicht am 14.03.2024

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Am 18. März wird endlich das nationale Organspende-Register seine Arbeit aufnehmen, dann haben alle Erwachsenen in Deutschland die Möglichkeit, ihre Bereitschaft zur Organspende nach dem Tode, oder auch deren Ablehnung, in für die Transplantationsmedizin praktisch nutzbarer Form zu dokumentieren. Gut so.

Ob dadurch allerdings der Rückstand Deutschlands in der Organspendebereitschaft der Bevölkerung gegenüber anderen Ländern – und damit auch unsere geradezu beschämende Position als Netto-Empfängerland von Spenderorganen im internationalen Verbund – wirklich aufgeholt wird, darf dennoch weiterhin bezweifelt werden. Auf jeden Fall, und dies im Konsens diesseits der wieder auflebenden Debatte zur Einführung der Widerspruchslösung, muss nun dringend dafür gesorgt werden, dass gerade junge Menschen in Deutschland möglichst umfassend, aber ohne Zwang in das Organspenderegister aufgenommen werden.

Wie lässt sich das erreichen? Nun, es gibt doch eine von den allermeisten jungen Erwachsenen freiwillig angestrebte, für alle genau gleichartige Lebenssituation, in der sie auf die Übernahme von Verantwortung für die Sicherheit und Gesundheit anderer Menschen strukturiert vorbereitet werden – und das ist der theoretische Fahrschulunterricht vor der Führerscheinprüfung.

Aufsatteln auf den Erste-Hilfe-Kurs

Richtigerweise muss schon seit Jahrzehnten jeder Prüfling eine Schulung in Erster Hilfe nachweisen. Nach dem schon seit 2010 geltenden Text der Fahrerlaubnisverordnung gehört zu den Gegenständen der Schulung „auch die Vermittlung von Grundwissen zur Organ- und Gewebespende einschließlich der Möglichkeiten, die Entscheidung über die persönliche Spendenbereitschaft zu dokumentieren“. Wo und wie das aber real umgesetzt wird, bleibt unklar, und vor allem wird beim derzeitigen Stand die Chance zu registerfähigen Äußerungen zur Spendenbereitschaft vertan. Lediglich am Rande des Erste-Hilfe-Kurses wohlmeinend Organspende-Ausweise zu verteilen, ist hier viel zu wenig.

Genau an dieser Stelle gilt es also mit minimaler normativer Eingriffstiefe nachzuschärfen, nämlich zum einen für alle Fahrschülerinnen und Fahrschüler gleichwertige Informationen zur Organspende bereitzustellen und deren Vermittlung im Rahmen des theoretischen Unterrichtes verpflichtend zu machen, sowie zum anderen aus dieser Aufklärung für das Organspenderegister verwendbare Äußerungen der jungen Erwachsenen abzuleiten.

Drei Antwortmöglichkeiten

Vorschlag für die praktische Umsetzung: Im Rahmen des theoretischen Unterrichtes müssen alle Führerschein-BewerberInnen eine einstündige Schulung zum Thema Organspende mit Anwesenheitspflicht durchlaufen, am einfachsten mittels eines von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) erstellten Videos. Am Ende muss jede/r ein Formular ausfüllen, unterschreiben und mit den Antragsunterlagen bei der Führerscheinbehörde einreichen, mit drei Antwortmöglichkeiten:

a) Ich stimme einer Organentnahme nach meinem Tod zu

b) Ich lehne eine Organentnahme nach meinem Tod ab

c) Ich habe die Information zur Kenntnis genommen, möchte mich aber derzeit nicht festlegen

Möglichkeit c) trägt der Tatsache Rechnung, dass man es hier mit meist sehr jungen Menschen zu tun hat, denen eine klare Festlegung auf ein – ohnehin jederzeit revidierbares – Ja oder Nein abzufordern zwar aus meiner persönlichen Sicht ethisch vertretbar, sicherlich aber politisch nicht durchsetzbar wäre.

Auf diesem Wege ließe sich das neu entstehende Organspenderegister recht schnell und strukturiert mit den Entscheidungen gerade junger Menschen zur Organspende anfüllen, und ganz nebenbei ist bei dieser tendenziell risikogeneigten Klientel ein kleines „memento mori“ zu dem, was einem im Straßenverkehr widerfahren kann, nun auch nicht von erzieherischem Schaden.

Ich bin durchaus zuversichtlich, dass man hier mit geringem Aufwand viel erreichen kann, jedenfalls wird dadurch ein flächendeckender hoher Bekanntheitsgrad des Organspenderegisters sichergestellt. Nichtsdestoweniger können diese und andere Initiativen zur Erhöhung der Organspendebereitschaft nur eine von mehreren Stellschrauben sein; nachdem die bisherigen Gesetzesinitiativen unterhalb der Schwelle zur Widerspruchslösung keine überzeugenden Ergebnisse gebracht haben, muss diese nun wohl doch wieder auf den Tisch. Wirklich erfolgreich können wir aber im Sinne der Menschen, die verzweifelt auf Spenderorgane warten müssen, nur dann sein, wenn wir Aufklärung und Registrierung zu Lebzeiten mit der Organspende zuträglichen rechtlichen Regelungen und, im Fall des Falles, deren gut organisierter sowie solide finanzierter praktischer Umsetzung zusammenführen.

Wolfram Henn ist Humangenetiker und Medizinethiker. Er leitet die Genetische Beratungsstelle der Universität des Saarlandes, ist Mitglied der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer und im Deutschen Ethikrat.

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