Wenn man von Digitalisierung des Gesundheitswesens spricht, denkt man – im Vergleich zu Schweden oder Estland – sicher nicht an Deutschland als Vorreiter. So sollte das E-Rezept bereits zum 1. Januar 2022 eingeführt werden; mittlerweile fasst man den 1. Januar 2024 für die verpflichtende und bundesweite Einführung ins Auge. Doch trotz vielversprechender Ansätze stößt man in Deutschland immer wieder auf Hürden, die es zu überwinden gilt.
Mit der kontrollierten Inbetriebnahme der eGK-Stecklösung für die Einlösung von elektronischen Rezepten am 1. Juli 2023 äußerte sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nun kürzlich zum Thema Digitalisierung und betonte, dass es in der heutigen Zeit schlichtweg nicht mehr hinnehmbar sei, Rezepte weiterhin auf Papier auszudrucken. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer schnelleren Adaption digitaler Technologien im Gesundheitssektor. Lauterbachs Aussage macht deutlich, dass die Zeit für einen volldigitalen Ansatz gekommen ist. Die flächendeckende Einführung des E-Rezepts sowie die fortschreitende Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen sind wichtige Schritte auf dem Weg zu einer modernen, patientenzentrierten Versorgung.
Ausschluss von Online-Apotheken
Die eGK-Stecklösung stellt dabei zwar eine Vereinfachung dar, doch sie schränkt das Recht der Versicherten auf freie Apothekenwahl ein. Dieser Ansatz schließt die Option aus, E-Rezepte in Online-Apotheken einzulösen – und lässt damit über 15 Millionen Versicherte, die regelmäßig ihre Medikamente bei Versandhandelsapotheken bestellen, außen vor. Man kann Digitalisierung anstreben, sollte hierbei aber nicht die grundsätzlichen Prinzipien der GKV-Arzneimittelversorgung, zu denen auch die freie Apothekenwahl gehört, untergraben.
Die vorhandenen Alternativen zur eGK-Stecklösung – der Papierausdruck des E-Rezept-Tokens und die E-Rezept-App der Gematik – sind ebenfalls mit eigenen Hindernissen verbunden. Die E-Rezept-App ist für die meisten Versicherten nicht zugänglich und wenig niedrigschwellig, da nur eine geringe Anzahl über die erforderliche PIN zur NFC-fähigen eGK verfügt. Der Papierausdruck wiederum ist aufgrund der damit verbundenen Kosten und des zusätzlichen zeitlichen Aufwands insbesondere bei der Ärzteschaft nicht wirklich beliebt und akzeptiert. Mit Blick auf die alternativen Einlöse-Optionen bliebe Online-Apotheken zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch keine andere Möglichkeit, als ihre Kund:innen auf ihr gesetzliches Anrecht und die Notwendigkeit des ausgedruckten E-Rezept-Tokens für die Online-Einlösung hinzuweisen.
Die Zukunft der Gesundheitsversorgung liegt aus Sicht von Redcare Pharmacy in einem vollständig digitalen niedrigschwelligen Einlöseweg für E-Rezepte. Ein solcher Ansatz muss mittels elektronischer Gesundheitskarte ohne zusätzliche PIN-Eingabe funktionieren, benutzerfreundlich sein und alle Formen von Apotheken einschließen. Diese Lösung existiert bereits. Sie ist nicht nur auf demselben Sicherheitsniveau wie die eGK-Stecklösung, sondern auch technisch problemlos umsetzbar. Sie müsste nur noch eingeführt werden. Auf diese Weise könnten die Grundfreiheiten des EU-Binnenmarktes im Hinblick auf die E-Rezept-Einführung gewahrt und der gleichberechtigte Zugang zu europäischen Online-Apotheken sichergestellt werden.
Die Zeit zu handeln ist jetzt
Trotz der positiven Schritte in Richtung eines zunehmend digitalisierten Gesundheitswesens besteht dringender Handlungsbedarf, um die aktuellen Einschränkungen der eGK-Stecklösung zu überdenken. Online-Apotheken spielen als vollwertiger Leistungserbringer eine essenzielle Rolle in der modernen Gesundheitsversorgung und dürfen nicht durch unüberwindbare Hürden in der Patientenversorgung eingeschränkt werden. Es ist entscheidend, die Barrieren kurzfristig abzubauen, die den Zugang zu E-Rezepten bei Online-Apotheken erschweren und die Chancengleichheit beeinträchtigen. Alle Patient:innen müssen gleichermaßen von der Digitalisierung der Gesundheitsversorgung profitieren – unabhängig von ihrem Standort oder ihrer Mobilität. Die Notwendigkeit eines inklusiven und digitalen Gesundheitswesens ist heute wichtiger denn je.
Olaf Heinrich ist CEO der Onlineapotheke Redcare Pharmacy, die zuvor als Shop Apotheke am Markt war. Heinrich war zuvor Chef von DocMorris.