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Gesundheit & E-Health

Standpunkte Der Patient im Zentrum von Gesundheitsleistungen

Stefan Heilmann ist Doctorbox-Mitgründer und CEO der IEG Investment Banking Group
Stefan Heilmann ist Doctorbox-Mitgründer und CEO der IEG Investment Banking Group

Was würden Sie davon halten, wenn Sie für Vor-, Haupt- und Nachspeise in unterschiedliche Restaurants gehen müssten? Eine Zumutung, aber genau so funktioniert unser heutiges Gesundheitssystem, meint Doctorbox-Mitgründer Stefan Heilmann.

von Stefan Heilmann

veröffentlicht am 12.04.2023

aktualisiert am 17.04.2023

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Die Fragmentierung unseres Gesundheitsmarkts ist die größte Bremse für patientenzentrierte Innovationen. Dabei werden diese dringend gebraucht. Personen, die chronisch krank sind, die aktiv Ihre Gesundheit managen möchten oder berufstätig sind, ihre Kinder betreuen oder Familienangehörige pflegen, suchen händeringend nach einfachen, direkten und zeitsparenden Möglichkeiten, die nächste Untersuchungen beim Haus- und/oder Facharzt zu organisieren, Diagnosen, Medikamente oder lediglich die Untersuchungsergebnisse jeglicher Art digital zu erhalten.

Dass die ambulante Primärversorgung in Deutschland den Bedürfnissen der Patient:innen nicht mehr gerecht wird, spiegelt auch der 2022 erschienene MLP Gesundheitsreport wider: Gut ein Drittel der Befragten bemängelt den Zugang zur medizinischen Versorgung in Deutschland. Gründe sind nicht nur lange Wartezeiten beim Arzt und fehlende Zeit pro Patient:in, sondern die Mühen, einen Termin oder Medikamente zu bekommen. Der drohende Versorgungsmangel durch fehlende Ärzt:innen wird die Situation noch weiter verschlimmern. In anderen Worten: Die sinnvolle, vereinfachende und sichere Digitalisierung der Strecke zwischen Patient:in und Ärzt:innen existiert nicht.

Plattformmedizin – das neue Normal

Die versprochene Digitalisierung allein wird den heutigen, analogen Service nicht verbessern können. Denn arztzentrische, analoge Prozesse werden nicht dadurch besser, dass sie eins zu eins digital übersetzt werden – das hat schon von 25 Jahren im Handel nicht funktioniert. Stattdessen müssen wir sie konsequent so umstellen, dass die Prozesse den veränderten Ansprüchen der digitalen Patient:innen gerecht werden. Sie wollen nicht nur Einkauf, Banking oder Reisen mit wenigen Klicks von zuhause oder unterwegs sicher organisieren – sondern auch ihre Gesundheit. Warum sollten Patient:innen in die Praxis kommen, wenn sie nur eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) brauchen? Warum kann der Orthopäde die Röntgenbilder nicht einfach auf das Smartphone schicken? Warum muss ich den Anamnesebogen immer noch auf dem Klemmbrett in der Praxis ausfüllen? Warum sprechen wir dauernd darüber, dass Gesundheitsdaten den Patienten gehören – machen es ihnen aber unendlich schwer bis unmöglich, sie auch zu verwalten?

Renommierte Plattformen wie Amazon binden ihre Nutzer:innen, indem alle Services konsequent vom Kunden und von der Kundin aus gedacht sind. Es geht darum, das vergleichsweise beste Produkt schnell und unkompliziert zu finden, es mit einem Klick zu kaufen und dann schnellstmöglich zu erhalten. Dieses Prinzip lässt sich auch auf den Gesundheitsmarkt adaptieren, indem eine Gesundheitsplattform die gesamte Patient Journey abbildet. Das bedeutet nicht nur den Kontakt zum Arzt oder zur Ärztin zu vereinfachen. Plattformen sollten alle verfügbaren Informationen zur Krankengeschichte enthalten und die Akteur:innen miteinander vernetzen, die den Genesungsprozess der Patient:innen begleiten. In einer von McKinsey & Company durchgeführten Befragung gaben 91 Prozent an, integrierte Patient Journeys einzelnen Gesundheitsdiensten vorzuziehen.

Vom passiven Konsumenten zum Gesundheitsmanager

Wie könnte solch ein Angebot aussehen? Nehmen wir an, Sie wachen morgens mit Halsschmerzen auf. Sie geben Ihre Beschwerden in einen KI-basierten Symptomchecker ein. Er empfiehlt Ihnen, einen Arzt zu konsultieren. Die App schlägt ihnen sofort mögliche Termine für eine Videosprechstunde vor, übermittelt die Auswertung des Symptomcheckers und fragt sie, ob sie weitere Dokumente mit dem Arzt oder der Ärztin teilen wollen – etwa einen bestehenden Labortest. Im Termin erkennt der Arzt glücklicherweise keine tieferen Ursachen Ihres Leidens. Er schickt eine AU über die Krankenkasse an Ihren Arbeitgeber und Ihnen ein E-Rezept. Bei Apotheken, die auf der Plattform angebunden sind, können Sie es einlösen. Chronisch Erkrankte können die Laborergebnisse ihres Bluttests vom Arzt anfordern und in einem direkten Videogespräch abklären, ohne dafür das heimische Sofa oder den Arbeitsplatz zu verlassen. Sie können sich Dokumente Ihres Krankheitsverlaufs von den behandelnden Ärzten und Ärztinnen übermitteln lassen. Ob es nun große Röntgen- oder Bilddateien sind oder ein Arztbrief.

Nicht nur das Bedürfnis nach einer einfacheren medizinischen Versorgung macht den Schritt zu digitalen Gesundheitsplattformen notwendig, sondern auch der aufkommende Ärztemangel. Der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung schrieb neulich, dass in Kürze 90.000 Ärzt:innen beruflich aussteigen werden. Und es fehlt an jungen Mediziner:innen, um diese Versorgungslücke schließen zu können. Eine digitalisierte Patienten-Journey ist also die einzige bestehende Alternative. Wir haben die beste Möglichkeit, die Versorgung jetzt patientenzentriert zu gestalten und damit deutlich zu verbessern. Wir brauchen keine neuen, überzogenen Konzepte. Wir müssen den Patient:innen nur die Form des Gesundheitsmanagements ermöglichen, die sie schnell und effizient wieder gesund bekommt und sie an ihrem Genesungsprozess teilhaben lässt.

Gemeinsam mit Oliver Miltner gründete Stefan Heilmann 2016 DoctorBox, ein Gesundheitskonto für das tägliche Gesundheitsmanagement. Neben seiner 30-jährigen Erfahrung im Tech-Investment und einem internationalen Netzwerk im Bereich E-Health leitet er als CEO die IEG Investment Banking Group.

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