Für Millionen Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist die Freiheit, sich für eine Krankenkasse entscheiden zu können, längst zu einer Selbstverständlichkeit geworden. In diesem Jahr können wir alle sogar auf ein kleines Jubiläum zurückblicken – denn 1996, also vor 25 Jahren, wurde die Wahlfreiheit per Gesetz eingeführt.
Genau betrachtet gilt dieses Mehr an freier Entscheidung allerdings nicht für alle Beschäftigtengruppen: Für Beamte ist nämlich zu Beginn ihrer Tätigkeit die Wahl einer gesetzlichen Krankenversicherung mit besonderen finanziellen Hürden verbunden, die keine andere Beschäftigtengruppe zu schultern hat. Bei der Wahl einer gesetzlichen Krankenkasse tragen Beamte den Gesamtbeitrag aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil plus den jeweiligen Zusatzbeitrag der Krankenkasse allein, weil ihr Dienstherr nicht – wie bei Arbeitgebern sonst gesetzlich vorgeschrieben – die Hälfte des Krankenkassenbeitrags übernimmt. Diese enorme finanzielle Belastung wird durch die geltenden Beihilferegelungen im Krankheitsfall nicht ausgeglichen, denn in der GKV werden Leistungen in der Regel direkt von der Krankenkasse und somit nicht von der Beihilfestelle übernommen.
Deshalb zwingen die geltenden Beihilferegelungen des Bundes und der Länder diesen Personenkreis angesichts der enormen Beitragslast in der GKV in die private Krankenversicherung (PKV). Hier besteht die Möglichkeit, Tarife abzuschließen, die genau auf die Beihilferegelungen abgestimmt sind, weil nur ein Teil der anfallenden Krankheitskosten übernommen werden muss. Derartige Teilkostentarife sind der GKV verwehrt.
Chronisch kranke Beamte bleiben bei PKV außen vor
Von daher kann bis heute bei Beamten von einer „Freien Wahl der Krankenkasse“ keine Rede sein. Denn nach Jahrzehnten der Mitgliedschaft in einer privaten Krankenversicherung besteht für sie auch keine Möglichkeit mehr, zu einem späteren Zeitpunkt in die gesetzliche Krankenversicherung zu wechseln. Gleichzeitig ist chronisch kranken Beamten der Eintritt in die private Krankenversicherung angesichts von Leistungsausschlüssen praktisch verwehrt. Diese Versicherten müssen neben ihrem schweren gesundheitlichen Schicksal auch noch den Gesamtbeitrag für ihren Krankenversicherungsschutz alleine schultern – ein auch aus sozialer Sicht unmöglicher Zustand!
Dass jede Art von „Zwangsmitgliedschaft“ dem Ideal einer freien Entscheidung bei der Wahl der Krankenkasse eklatant widerspricht, haben inzwischen einzelne Bundesländer erkannt und ihre Bestimmungen entsprechend verändert. Unter der Überschrift „Hamburger Modell“ übernehmen beispielsweise die Bundesländer Hamburg, Bremen, Berlin, Brandenburg und Thüringen bereits die Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung beim Beginn eines Beamtenverhältnisses jeweils zur Hälfte – wie alle anderen Arbeitgeber auch. Damit besteht einerseits endlich auch für diesen Personenkreis wirkliche Wahlfreiheit – ganz im Sinne des insbesondere von der FDP in den laufenden Koalitionsverhandlungen betonten Freiheitsgedankens. Und andererseits würde durch den Beitritt junger Beamter und ihrer Familien zur GKV die Beitragsbasis für dieses Versicherungssystem verbreitert – ganz im Sinne der von SPD und Bündnis 90/Die Grünen eigentlich favorisierten Bürgerversicherung.
Bundesregelung würde auch Druck auf Länder erhöhen
Alles in allem also ein ideales Themenfeld für eine Ampelkoalition, die in allen Politikfeldern auf der Suche nach Gemeinsamkeiten ist, um eine tragfähige Basis für die Arbeit in der nächsten Legislaturperiode zu schaffen. Das „Hamburger Modell“ sollte umgehend auf Bundesebene eingeführt werden und damit allen Bundesbeamten offenstehen. Dies würde zu einer echten Wahlfreiheit für diese Beschäftigtengruppe führen und auch den Druck auf die Länder erhöhen, in diesem Bereich ein einheitliches Rechtssystem zu schaffen. Denn es kann doch nicht sein, dass in unserer mobilen Gesellschaft ein Arbeitsplatzwechsel bei Beamten mit einer Verdopplung ihres Krankenversicherungsbeitrages verbunden ist – oder mit dem Zwang, in die PKV zu wechseln.
Für die GKV wäre eine bundesweit einheitliche Übernahme des hälftigen KV-Beitrages durch die öffentlichen Arbeitgeber zugleich ein wichtiger Schritt in Richtung von mehr Solidarität und Verbreiterung der Einnahmebasis. In Zeiten eines wachsenden Finanzdrucks auf die Krankenkassen würde die neue Ampelkoalition damit einen Schritt in die richtige Richtung gehen.
Dr. Wolfgang Matz ist Vorstandsvorsitzender der KKH Kaufmännische Krankenkasse.