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Gesundheit & E-Health

Standpunkte Eine Reise ins Krankenhaus der Zukunft des Jahres 2030

Detecon-Berater Matthias Hemmes und Matthias Fischer
Detecon-Berater Matthias Hemmes und Matthias Fischer Foto: privat

Der Ausblick auf Krankenhäuser im Jahr 2030 mache deutlich, dass diese vor großen Herausforderungen stehen – mehr Digitalisierung sei zur Bewältigung der Hürden unausweichlich, meinen die Detecon-Berater Matthias Hemmes und Matthias Fischer. Eine ganzheitliche Digitalstrategie, eine neue Unternehmenskultur und eine Schnittstelle zum Patienten versprächen Besserung zum Status quo.

von Matthias Hemmes und Matthias Fischer

veröffentlicht am 16.05.2023

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Verschobene Operationen, überfüllte Notaufnahmen und Menschen, die sterben, weil Krankenhäusern die personellen und monetären Ressourcen fehlen. Das ist keine neue Entwicklung, die Corona-Pandemie hat die Probleme globaler Gesundheitssysteme und die Relevanz einer verlässlichen Gesundheitsversorgung für alle deutlich sichtbar gemacht.

Klar ist: Es muss sich etwas ändern, damit die medizinische Versorgung auch zukünftig gewährleistet werden kann. Digitale Technologien stellen hier einen entscheidenden Hebel dar. Doch von einem digitalen Gesundheitswesen ist Deutschland aktuell noch weit entfernt. So gab Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Rahmen seiner neuen Digitalstrategie kürzlich bekannt, dass Deutschlands Gesundheitswesen in Sachen Digitalisierung um Jahrzehnte zurückhänge. Doch welche Herausforderungen stehen unseren Krankenhäusern zukünftig bevor und wie können diese eine entsprechende Digitalisierungsstrategie konkret umsetzen?

Das Jahr 2030 – eine Momentaufnahme

Reisen wir einmal gedanklich ins Jahr 2030. Was sehen wir? Bestehende Entwicklungen haben sich weiter verschärft, wir stehen vor vier zentralen Herausforderungen:

1. Wir werden weniger: Verschärfung des Personalmangels

Der allgegenwärtige Personalmangel in der Pflege wird sich weiter verschärfen, denn die geburtenstarken Babyboomer erreichen zunehmend das Renteneintrittsalter. Gleichzeitig führen die hohe Arbeitsbelastung und die unattraktiven Arbeitsbedingungen zu einer steigenden Zahl an Frühverrentungen und weniger Neueinsteigenden.

2. Alles wird teurer: steigender Kostendruck im Gesundheitssystem

Die stark gestiegenen Energiepreise und das Anziehen der Inflation haben schon jetzt zu erheblichen Zusatzbelastungen für Krankenhäuser geführt. So geht die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) für 2023 davon aus, dass zehn bis 20 Prozent der deutschen Kliniken insolvenzgefährdet sein könnten. Angesichts des demografischen Wandels wird der Kostendruck zudem weiter zunehmen, unter anderem angesichts immer häufiger auftauchender multimorbider Krankheitsbilder.

3. ESG-Kriterien werden zum relevanten Faktor

Nachhaltigkeit hat stark an Bedeutung gewonnen – das ist kein Geheimnis. Um auf dem Markt bestehen zu können, wird es auch für Krankenhäuser entscheidend sein, ESG-Kriterien zu erfüllen.

4. Steigender Bedarf nach Sicherheit

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns die enorme Anfälligkeit kritischer Infrastruktur (KRITIS) vor Augen geführt. Neben Verkehrs- und Energieinfrastrukturen stehen auch Krankenhäuser vermehrt im Fokus von Cyberkriminellen wie auch staatlichen Hackergruppen. Um die Sicherheit der Patient:innen gewährleisten zu können, müssen Krankenhäuser in ihre IT- und Cybersicherheit investieren.

Digitalisierung kann eine Antwort sein, um auf die genannten Probleme zu reagieren. Gleichzeitig bietet sie auch die Möglichkeit, das eigene Geschäftsmodell zu erweitern – etwa um datenbasierte Dienstleistungen.

Strategy first: Der Blick auf das große Ganze ist entscheidend

Um das volle Potenzial des digitalen Krankenhauses (Smart Hospital) nutzen zu können, ist die Entwicklung und Implementierung einer umfassenden Digitalstrategie unerlässlich. Sie schafft den notwendigen Rahmen dafür, dass sich das Krankenhaus nicht in Einzelmaßnahmen verliert und koordiniert Maßnahmen so, dass sie aufeinander aufbauen und in ihrer Gesamtheit optimal wirken. Denn neue Technologien schaffen erst dann einen echten Mehrwert, wenn die Verantwortlichen auch Aspekte über die reine Anwendung der Technologie hinaus berücksichtigen. Eine holistische Digitalstrategie sollte daher die folgenden vier Bereiche einbeziehen:

Produkte & Services: Eine verantwortungsvolle und hochwertige Patientenversorgung stellt für Krankenhäuser den maßgebenden Service dar. Der gezielte Einsatz digitaler Tools kann dessen Qualität deutlich erhöhen, Patientendaten entlang der Patient Journey (ambulante Arztpraxen, Rehakliniken, Pflegedienste) zu übermitteln, kann diese effizienter gestalten. Die Beteiligten bilden ein Ökosystem, das als Ganzes das Behandlungsergebnis und -erlebnis für die Patient:innen verbessert.

Kultur & Organisation: Krankenhäuser weisen in der Regel traditionell geprägte Hierarchien auf. Diese sind insbesondere in Notfallsituationen nötig, um klare Weisungsbefugnisse festzulegen und eine sichere Patientenversorgung zu garantieren. Allerdings kann ein agiles Mindset in verschiedenen nicht-klinischen Bereichen die Produktivität der Mitarbeitenden verbessern. Eine offene Kultur ermuntert sie, neue Technologien zu nutzen und sich einzubringen.

Betriebliche Prozesse: Im Rahmen der Transformation gilt es zu klären, welche Veränderungen sich für bestehende Prozesse ergeben. Dabei geht es nicht darum, analoge Prozesse digital abzubilden. Vielmehr bieten sich dadurch Möglichkeiten, bestehende Prozesse neu und optimiert zu gestalten. So können neue und effektivere Arbeitsabläufe geschaffen und Mitarbeitende entlastet werden. Neben den primären Prozessen, die sich auf die Diagnose und Behandlung beziehen, müssen die Verantwortlichen dabei auch sekundäre und tertiäre Prozesse berücksichtigen – also etwa in der Verwaltung und der Patient:innenversorgung.

Patientenschnittstelle: Die vierte Dimension stellt die Patient:innen in den Fokus. Das stellt einen positiven Effekt auf das Erlebnis entlang der gesamten Patient Journey sicher. So kann etwa eine digitale Terminvereinbarung die Wartezeit für die Patient:innen verkürzen und den Prozess vereinfachen. 

Der Ausblick auf das Jahr 2030 macht deutlich, dass Krankenhäuser vor großen Herausforderungen stehen. Gleichzeitig bietet die Digitalisierung große Potenziale, um diesen zu begegnen. Aktuellen Studien zufolge lassen sich durch die Digitalisierung im Gesundheitswesen mindestens zwölf Prozent der Kosten einsparen. Krankenhäuser müssen diese Potenziale systematisch analysieren und mithilfe einer ganzheitlichen Digitalisierungsstrategie die Basis für eine erfolgreiche Zukunft schaffen.

Matthias Fischer ist Senior Consultant im Bereich Digital Strategy & Innovation mit besonderem Fokus auf die Geschäftsmodelle Analyse & Entwicklung bei der Unternehmensberatung Detecon. Matthias Hemmes ist als Business Analyst bei Detecon tätig und begleitet Unternehmen aus dem Gesundheitswesen auf dem Weg der digitalen Transformation. Im Bereich Value Creation & Strategie beschäftigt er sich hauptsächlich mit Digitalstrategiekonzepten in Öffentlichen Gesundheitsdiensten (ÖGD), sowie im Zusammenhang mit dem KHZG in Krankenhäusern.

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