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Gesundheit & E-Health

Standpunkte „Es wurde zu viel Zeit verspielt“

Thorben Krumwiede ist UPD-Geschäftsführer
Thorben Krumwiede ist UPD-Geschäftsführer Foto: UPD

Für die Reform der Unabhängigen Patientenberatung wird es zeitlich allmählich eng, warnt UPD-Geschäftsführer Thorben Krumwiede. Durch langwierigen Streit über Finanzierung und rechtliche Details der anvisierten Stiftung drohe nicht nur eine Unterbrechung des Beratungsangebots. Es bestehe auch das Risiko einer Abwanderung erfahrener Mitarbeiter:innen.

von Thorben Krumwiede

veröffentlicht am 13.02.2023

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Beraten, informieren, die Patientenorientierung der Bevölkerung stärken: Mit diesem Auftrag ging die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) im Jahr 2007 an den Start. Spätestens die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig gut erreichbare und kompetente Angebote für verunsicherte Bürger:innen sind. Und wie wichtig angesichts von Falschinformationen und Impfskepsis eine gute Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung ist. Für beides hat die UPD in den letzten Jahren viel getan. In zehntausenden Beratungen zu Fragen rund um die Pandemie konnte das Beratungsteam der UPD informieren, Ängste lindern und offizielle Stellen entlasten. 

Kooperationen mit Einrichtungen wie der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB), Volkshochschulen oder auch dem nationalen Gesundheitsportal Gesund.Bund.de wurden auf den Weg gebracht. Aktuell steht mit der Video-Beratung ein weiterer moderner, digitaler Beratungskanal in den Startlöchern. Die UPD muss im Bewusstsein der Öffentlichkeit fest für das verankert sein, was sie schon seit Jahren leistet: Für verunsicherte und mitunter verzweifelte Ratsuchende da sein, die Ärger mit ihrer Krankenkasse haben. Für Menschen, die im Konfliktfall mit Ärzt:innen nicht weiter wissen. Oder für Menschen in schwierigen psychosozialen Lebenssituationen, die ein offenes und geduldiges Ohr brauchen.

Politik geht ins Risiko

Während der aktuellen Förderphase gab es immer wieder Diskussionen um eine vermeintliche Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der UPD. Die begleitende wissenschaftliche Evaluation hat dazu im Abschlussbericht eindeutig festgestellt: „Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Neutralität und Unabhängigkeit (…) gewahrt waren.“

Dass die UPD nun neu aufgestellt und in Form einer unabhängigen Stiftung versteigt werden soll, ist zunächst ein guter Ansatz, dessen Kern bereits 2021 mit der ersten Änderung des Paragraphen 65b und der Verlängerung der aktuellen Förderlaufzeit deutlich formuliert wurde. Die Politik hat richtig erkannt: Wiederkehrende Neuausschreibungen und der damit verbundene zeitintensive und kostspielige Ab- und Wiederaufbau von Beratungskompetenz und Beratungsstrukturen sind kein nachhaltiges Modell für eine unabhängige Patientenberatung. Daher ist es umso mehr nicht nachvollziehbar, dass die Politik aktuell genau das riskiert, was eigentlich vermieden werden soll.

Noch immer keine konkrete Perspektive für Mitarbeiter

Denn Fakt ist: Auf dem Weg zum vorliegenden Gesetzesentwurf wurde zu viel Zeit verspielt. Obwohl weniger als elf Monate verbleiben, sind noch immer zentrale Fragen ungeklärt. Dabei sind die Zusammensetzung und Gestaltung der zukünftigen Stiftungsorgane noch die kleineren Fragezeichen. Vor allem fehlt es an Konzepten für die Gestaltung des Beratungsangebots. Die Organisations- und Angebotsstrukturen der zukünftigen UPD ist aktuell völlig unklar. Stattdessen werden momentan erneut Grundsatzfragen wie die Finanzierung der neuen UPD-Stiftung diskutiert. Nach einem Gutachten der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Auftrag des Verbands der privaten Kranken­versicherung (PKV) ist das geplante Finanzierungsmodell und damit der Gesetzesentwurf sogar verfassungswidrig. Der Prozess zur Errichtung der Stiftung könnte dadurch um Monate verzögert werden.

Das ist insbesondere für das Beratungsteam der UPD ein fatales Zeichen. Trotz vieler wohlklingender Absichtsbekundungen durch die Politik gibt es keine konkrete Perspektive für die Mitarbeiter: innen. Dabei hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in der Debatte zum UPD-Gesetz im Bundestag am 26. Januar gesagt: „Die Mitarbeiterinnen der UPD sollen in die neue Struktur übernommen werden.“ Nur: Damit das gelingt, muss überhaupt erst mal eine Struktur vorhanden sein!

Ein Konzept für einen geordneten Übergang in die zu gründende Stiftung und den Aufbau der zukünftigen Strukturen gibt es nach wie vor nicht. Bislang hat auch nur die UPD ein auf einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage inhaltliches Weiterentwicklungsmodell vorgelegt. Diese unsichere Situation ist ein Schlag ins Gesicht für das UPD-Beratungsteam. Die Berater:innen haben unter oft großer persönlicher Belastung nicht nur einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass Deutschland möglichst gut durch die Pandemie kommt – auch vor und nach der Pandemie haben sie jeden Monat viele tausend Ratsuchende kompetent zu oft existenziellen Fragen beraten.

Droht eine Unterbrechung des Beratungsangebots?

Mit der aktuellen Situation riskieren die zuständigen Entscheidungsträger:innnen in der Politik eine Abwanderung der wichtigsten Ressource, die die UPD hat: die beratungserfahrenen Mitarbeiter:innen. Dazu kommt die drohende Zerschlagung der qualitätsgesicherten Beratungsstrukturen. Ein erneuter kompletter Wiederaufbau dieser Strukturen würde eine unnötige Hypothek für die zukünftige UPD darstellen.

Eine Anhörung zum vorliegenden Gesetzesentwurf im Gesundheitssauschuss ist erst für Anfang März angesetzt. Die Abstimmungen über den Entwurf in Bundestag und Bundesrat können erst danach stattfinden. Schon die rechtlichen Prozesse für die Gründung einer Stiftung bürgerlichen Rechts dürften im günstigsten Fall aber etwa sechs bis acht Monate dauern.

Vor diesem Hintergrund gerät das Ziel, am ersten Januar 2024 eine arbeitsfähige UPD an den Start zu bringen, in ernsthafte Gefahr. Und diese Gefahr lässt sich schon jetzt kaum mehr abwenden. Für tausende Ratsuchende sowie Kooperationspartner, die sich auf das Angebot der UPD verlassen und an diese verweisen, wäre eine längere Unterbrechung des Beratungsangebots ein herber Verlust. Die UPD müsste erneut von Grund mit großem finanziellem Aufwand aufgebaut und bekannt gemacht werden. Von einer nicht handlungsfähigen UPD mögen Krankenkassen, die Gesundheitswirtschaft oder die Ärztelobby profitieren – ganz sicher aber nicht die Patient:innen. Das kann nicht der Wille der Politik sein.

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