Seit etwas mehr als zwei Jahren sind das Berlin Institute of Health (BIH) und die Charité miteinander vereint: Das BIH wurde Anfang 2021 in die Charité integriert und hat die Mission, die so genannte translationale Medizin voranzutreiben. Hierbei sollen Ergebnisse aus dem Labor möglichst effizient und nachhaltig in die Klinik zum Nutzen für Patientinnen und Patienten übertragen werden. Oder wie wir im BIH sagen: Damit aus Forschung Gesundheit wird. Das gelingt insbesondere dann, wenn Ärzt:innen und Wissenschaftler:innen eng zusammenarbeiten und von einem innovationsfreundlichen Umfeld unterstützt werden. Im Rahel-Hirsch-Center für Translationale Medizin (RHC), angesiedelt direkt neben dem Charité Bettenhaus Mitte in der Luisenstraße, ist das der Fall: Hier arbeiten alle für Forschung, Translation und Innovation relevanten Berufsgruppen unter einem Dach zusammen, sie begegnen sich täglich, und erhalten wertvolle Impulse für ihre Arbeit aus der Interaktion mit Patientinnen und Patienten. Sie erfahren unmittelbar, welche Bedürfnisse aus der Klinik im Labor weiter erforscht werden müssen, und welche Laborergebnisse in der Praxis schon gut funktionieren.
Wir freuen uns, dass heute zur Eröffnung des Rahel Hirsch Centrums die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, die Senatorin für Gesundheit, Wissenschaft, Pflege und Gleichstellung, Ulrike Gote, und auch die Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Judith Pirscher, ihr Kommen angekündigt haben. Bund und Land haben uns dieses 100-Millionen-Euro-Projekt gemeinsam ermöglicht, dafür sind wir sehr dankbar. Das frühere Gebäude für Operation, Intensivmedizin und Notaufnahme wurde bis auf den Rohbau entkernt und umfangreich saniert. Es wird künftig gemeinsam von BIH und Charité für Forschung, Ambulanzen, Klinik und Klinische Studien genutzt.
Ökosystem aus Forschung, translationaler Medizin und Innovation
Das sechsgeschossige, moderne Forschungsgebäude wird auf insgesamt 14.875 Quadratmetern Platz für Forschungsgruppen, Technologieplattformen, Studienzentren und Ambulanzbereiche bieten. Das BIH wird mit Forschungsgruppen aus Bereichen der Datenwissenschaften und der Genomforschung einziehen. Drei sogenannte Core Facilities werden die Gruppen bei der Zellforschung, der Genanalyse und der bioinformatischen Auswertung von Daten unterstützen, und das gemeinsam mit der Charité betriebene Klinische Studienzentrum wird ebenfalls vor Ort mitwirken. Das Julius Wolff Institut für Muskuloskelettale Biomechanik und Regeneration wird vorübergehend im RHC unterkommen. Die Charité wird die Ambulanz und die Tagesklinik des Charité Comprehensive Cancer Center sowie die Ambulanz und Operationssäle der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie im RHC ansiedeln, ebenso verschiedene Forschungsbereiche, etwa der Klinik für Neurochirurgie und des Instituts für Neuropathologie. Im Berliner Simulations- und Trainingszentrum BeST werden Ärzt:innen innerhalb und außerhalb der Charité im Umgang mit Technologien und Verfahren der kommenden Generation geschult. Zudem werden wir im neuen Gebäude Flächen nutzen, um Menschen aus Klinik und Wissenschaft noch besser darauf vorzubereiten, konkrete Produkte und Dienstleistungen für Patientinnen und Patienten entwickeln zu können. Es entsteht ein gleichermaßen patient:innenzentriertes und wissenschaftsgeleitetes Ökosystem der Forschung, Translation und Innovation, mit besonderen Stärken in den Datenwissenschaften und der genomischen Medizin.
Rahel Hirsch – eine Pionierin der Translationalen Medizin
Wir haben uns im BIH entschlossen, das vorwiegend männlich geprägte Denkmal- und Andenkenwesen weiblicher zu gestalten. Wir möchten neben den zweifelsfrei großen Leistungen von Robert Koch, Rudolf Virchow und anderen herausragenden Medizinern auch Wissenschaftlerinnen und Ärztinnen würdigen, die in der Medizin oder Forschung bedeutsames geleistet haben. Das neue Zentrum für Translationale Medizin – wie schon das Käthe-Beutler-Haus des BIH in Berlin-Buch – haben wir nach einer jüdischen Ärztin benannt. Rahel Hirsch, geboren 1870 in Frankfurt am Main, studierte Medizin, wozu sie allerdings 1898 nach Zürich gehen musste, denn in Deutschland war Frauen der Zugang zum Medizinstudium bis 1900 verwehrt. Als erst zweite Assistenzärztin an der Charité entdeckte sie den nach ihr benannten „Hirsch-Effekt“, der die Durchlässigkeit der Schleimhaut im Dünndarm beschreibt. 1908 wurde Dr. Rahel Hirsch zur Leiterin der Poliklinik der Charité ernannt, 1913 erhielt sie als erste Frau in Deutschland (Königreich Preußen) einen Professorentitel in der Medizin. Im Jahr 1933 entzogen ihr die Nationalsozialisten die Approbation, 1938 emigrierte sie nach London, wo sie am 6. Oktober 1953 im Alter von 83 Jahren verstarb. Mit dieser Namensgebung können wir das Unrecht, das Rahel Hirsch widerfahren ist, nicht wieder gut machen. Aber wir können dazu beitragen, dass Frauen wie sie oder Käthe Beutler nicht vergessen werden.
Wir freuen uns sehr, dass das BIH nun auch in Berlin-Mitte ein „Zuhause“ gefunden hat. Sobald alle Arbeitsgruppen eingezogen sind und ihre Arbeit aufgenommen haben, werden wir das Haus auch für die breite Bevölkerung öffnen. Wir planen Ausstellungen und eine Erlebniswelt, in der die Berliner:innen etwas über die translationale Medizin erfahren können. Und sie verstehen, was unser Motto bedeutet: Aus Forschung wird Gesundheit.
Professor Christopher Baum ist Vorsitzender des BIH-Direktoriums und Vorstand des Translationsforschungsbereichs der Charité.