Mit großem Interesse haben wir das Interview mit Claudia Oeking, Geschäftsführerin von Philip Morris Deutschland, und Alexander Nussbaum, Leiter der Abteilung Scientific & Medical Affairs bei Philip Morris Deutschland, gelesen. Das Interview vermittelt den Eindruck, es ginge dem Unternehmen um Gesundheitsschutz und Schadensminderung. Tatsächlich versucht sich Philip Morris als die Lösung eines Problems zu verkaufen, das der Konzern selbst verursacht: Rauchende sollen dem Konzern zufolge einfach auf sogenannte schadensreduzierte Produkte umsteigen, um Gesundheitsschäden zu verringern. Der Haken daran: Ziel des Herstellers ist nicht in erster Linie die Verringerung von Gesundheitsschäden, sondern der Erhalt seiner Gewinne.
Philip Morris entwickelt kontinuierlich neue Produkte: E-Zigaretten, Tabakerhitzer, rauchlose Tabakprodukte, tabakfreie Nikotinprodukte. Eine möglichst breite Produktpalette soll eine Vielzahl verschiedener Bedürfnisse von Konsumierenden ansprechen. Diese Produkte sind aber nicht – wie vom Hersteller suggeriert – nur für Rauchende attraktiv, sondern auch für Nichtrauchende und vor allem für Jugendliche. Auch die Art der Werbung macht die Produkte für Jugendliche und junge Menschen attraktiv. Ziel: junge Menschen als Dauerkunden von morgen gewinnen.
Scheinheilige Versprechen
Die auf der Firmen-Homepage genannte Vision „Eine rauchfreie Zukunft Gestalten“ ist bei näherem Hinsehen scheinheilig. Denn tatsächlich kurbelt Philip Morris – entgegen seiner Harm-Reduction-Rhetorik, die Welt „rauchfrei“ machen zu wollen – seinen Zigarettenmarkt weltweit an und versucht auf vielfältige Weise, politische Maßnahmen zur Reduzierung des Tabakkonsums zu verhindern oder zumindest zu verzögern:
- Weltweit bringt Philip Morris weiterhin neue Zigaretten auf den Markt: In den Jahren 2018 bis 2020 gab es jährlich über 60 neue Produkt-Launches auf dem Zigarettenmarkt. Dies widerspricht dem Ziel der Harm Reduction diametral.
- Philip Morris hat seinen Tabakerhitzer Iqos vorwiegend in reichen Ländern mit starken Tabakkontrollmaßnahmen und in Ländern, in denen der Zigarettenkonsum rückläufig ist, auf den Markt gebracht. Gleichzeitig wird Iqos dort zu ähnlich hohen Preisen wie Premiumzigaretten verkauft. In diesen Ländern kann auf der einen Seite Philip Morris seinen Zigarettenmarkt nur schwer weiter ausbauen, auf der anderen Seite sind die Rauchenden eher dazu bereit und auch finanziell dazu in der Lage, auf ein teures Alternativprodukt umzusteigen. Dadurch kann der Hersteller seine Gewinne sichern. Ginge es Philip Morris tatsächlich um Harm Reduction, müsste das Alternativprodukt günstiger sein als Zigaretten, um für mehr Rauchende attraktiv zu sein, und es müsste vor allem auf Märkten mit steigendem Zigarettenabsatz lanciert werden.
- Für die Werbung für Iqos setzte Philip Morris teilweise – entgegen der firmeneigenen Richtlinie – in den Sozialen Medien junge Influencer ein und arbeitet mit sehr jungen Markenbotschaftern und Markenbotschafterinnen auch bei Events wie Festivals, die in hohem Maße von jungen Menschen besucht werden.
- Weltweit versucht Philip Morris durch intensive Lobbyarbeit und Gerichtsprozesse strenge Tabakkontrollmaßnahmen zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Dies steht in krassem Widerspruch zur Aussage der Mitarbeitenden von Philip Morris im Titel des Interviews „Tabakregulierung ist in unserem eigenen Interesse“.
In Summe zeigt sich: Das Interview offenbart die zweifelsohne geschickte Lobby-Strategie des Unternehmens. Man möchte als verlässlicher Partner der Gesundheitspolitik auftreten. Umso wichtiger ist ein genaues Hinsehen, wenn sich Philip Morris zum neuen Gesundheitsschützer aufschwingt.
Dr. Katrin Schaller ist kommissarische Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg.