In ihrem Gastbeitrag vom 16. Februar verteidigt Geraldine Rauch die Pläne von Bundesgesundheitsminister Lauterbach, im neuen Medizinforschungsgesetz eine zentrale Bundes-Ethikkommission für bestimmte Typen von klinischen Arzneimittelprüfungen einzurichten. Zugleich wendet sie sich gegen die vom Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen und der Bundesärztekammer geäußerte Kritik an diesen Plänen.
Natürlich ist es Aufgabe der Politik, über Verbesserungen für den Forschungsstandort Deutschland nachzudenken, und niemand bestreitet, dass sich dieses Nachdenken auch auf die Rolle und Organisation von Ethikkommissionen erstrecken sollte. Nur geht der Gastkommentar an der Sache vorbei, weil die Argumente, die er vorbringt, auf die vom Gesundheitsminister vorgesehene Regelung nicht zutreffen und weil er die Gegenargumente, die es gegen eine Zentralisierung gibt, nicht aufgreift. Es gibt sie aber. Nicht umsonst wird die Kritik an diesem Vorhaben nicht nur vom Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen und der Bundesärztekammer geäußert, sondern auch von anderen Akteuren, die in der Initiative Studienstandort Deutschland zusammengeschlossen sind und die deutsche Forschungslandschaft repräsentieren.
Vermengung von Äpfeln und Birnen
Im Wesentlichen führt der Beitrag eine uneinheitliche gesetzliche Regulierung der Bewertungsmaßstäbe und -verfahren, die Zuständigkeit mehrerer Ethikkommissionen für multizentrische Studien sowie die Gefahr an, dass Forscher sich die „am wenigsten strenge“ Kommission aussuchen. Nichts davon trifft jedoch auf klinische Arzneimittelprüfungen zu, und nur um die geht es in Lauterbachs Entwurf. Für Arzneimittelprüfungen ist immer nur eine einzige Ethikkommission zuständig, der Antragsteller kann sie sich nicht aussuchen, und nirgends gibt es so ein dichtes Netz an Vorgaben und Regularien zu Verfahren und Bewertungsstandards wie dort.
Es wird also eine Liste von Monita angeführt, die in Wirklichkeit nur berufsrechtliche Studien betreffen, also Studien außerhalb des Arzneimittelbereiches, die von dem geplanten Gesetz gar nicht geregelt werden und mangels Bundeskompetenz auch nicht geregelt werden können. Diese Vermengung von Äpfeln und Birnen, von Arzneimittelprüfungen und sonstigen Studien, ist in der politischen Diskussion der letzten Monate immer wieder zu beobachten gewesen. Es sollte klar sein, dass sich eine rationale Reformdebatte so nicht führen lässt.
Zentrale Probleme an anderer Stelle
Umgekehrt gibt es eine Reihe von Gründen zur Kritik an dem Gedanken einer Bundes-Ethikkommission – Gründe, die hier nur stichwortartig angedeutet werden können: Die zentralen Probleme bei Arzneimittelstudien liegen an anderer Stelle, namentlich dem elektronischen Antragsportal, und werden durch eine Zentralisierung von Ethikkommissionen in keiner Weise behoben. Die Komplexität des bürokratischen Systems wird durch die Einrichtung eines ganz neuen Akteurs nicht verringert, sondern vergrößert. Reibungsverluste durch Umstellungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten sind vorprogrammiert. Mit ihrer Ansiedlung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gerät die Bundeskommission direkt ins Kräftefeld staatlicher Gesundheitspolitik und gibt die bisherige institutionelle Distanz auf, die einer dezidiert dem Probandenschutz gewidmeten Einrichtung gut ansteht. Ehrenamtlichen Expertengremien tut eine Zentralisierung und übermäßige Größe selten gut. Die Einführung von Spezialkommissionen für bestimmte Studientypen führt leicht zu einer Parzellierung, die fachlich nicht angemessen ist und der Expertise aller Kommissionen schaden kann.
Und nicht zuletzt: Die Schwächung der lokalen Ethikkommissionen, die die Einführung einer Bundeskommission notwendig mit sich brächte, hätte auch negative Konsequenzen für die Forschung außerhalb des Arzneimittelbereichs.
Im Ergebnis gilt: Wenn es darum geht, die Bedingungen für Arzneimittelforschung in Deutschland zu verbessern, sind auch die Ethikkommissionen gefordert. Aber die Schwächen, die in diesem Bereich bestehen, lassen sich weit besser in den vorhandenen Strukturen beheben als mit einer reflexhaften Zentralisierung. Eine nüchterne Nutzen-Risiko-Abwägung fällt für eine Bundes-Ethikkommission nicht günstig aus.
Prof. Dr. Sebastian Graf von Kielmansegg ist Vorstandsmitglied des Arbeitskreises Medizinischer Ethik-Kommissionen (AKEK) und Mitglied der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.