Ab 2025 soll nach den Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eine zentrale Bundesethikkommission eingesetzt werden, die für bestimmte Typen klinischer Studien zuständig sein soll. Dazu zählen insbesondere sogenannte Phase-I-Studien, bei denen eine Substanz erstmals am Menschen erprobt wird, sowie Studien mit komplexeren, neuartigen Designs, die gleichzeitig mehrere Patientengruppen in Teilstudien untersuchen. Damit ist die neu einzurichtende Bundesethikkommission nur für einen relativ kleinen Teil der klinischen Studien zuständig. Sogenannte Wirksamkeitsstudien der Phase III, nach denen ein Medikament die Marktzulassung erhält, werden zum Beispiel nicht von der zentralen Bundesethikkommission bewertet.
Obwohl der neue Zuständigkeitsbereich also relativ begrenzt ist, gibt es viel Kritik. Der Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen und die Bundesärztekammer wenden sich gegen die Pläne Lauterbachs. Zum einen wird betont, dass die länderspezifischen Ethikkommissionen gute Arbeit machen. Zum anderen wird kritisiert, dass die zentrale Bundesethikkommission beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eingerichtet werden soll. Das BfArM ist zeitgleich für die Zulassung von Arzneimitteln zuständig, es wird eine mangelnde Unabhängigkeit suggeriert.
Ist diese Kritik nun berechtigt? Nein, im Gegenteil, eine Zentralisierung der Antragsverfahren für klinische Studien war längst überfällig.
Zentrale Bedeutung für die ethische Begründung
Jedes medizinische Forschungsprojekt am Menschen muss von einer Ethikkommission begutachtet werden. Medizinische Ethikkommissionen kontrollieren die rechtlichen Rahmenbedingungen und die ethische Begründung, die wissenschaftliche Validität, Aspekte des Studiendesigns und die Statistik des Projekts. Daher sind Ethikkommissionen und ihr Begutachtungsprozess von zentraler Bedeutung für die ethische und rechtliche Vertretbarkeit sowie für die methodische Qualität klinischer Forschung.
Dieser Überprüfungsprozess ist jedoch mitnichten einheitlich reguliert. Die inhaltlichen Standards und formalen Abläufe variieren je nach Art der Studie, da in Deutschland nicht alle Studientypen gesetzlichen Regeln unterliegen. Selbst diejenigen, die gesetzlich reguliert sind (etwa Studien für Arzneimittel oder Medizinprodukte), haben jeweils einen eigenen rechtlichen Rahmen.
Bestimmte Aspekte sind nicht durch Bundes-, sondern durch Landesrecht geregelt und hängen daher vom Standort des Projekts ab. In einigen Fällen ist die Beurteilung der Ethikkommission bindend, in anderen bleibt es ein reines Konsultationsverfahren. Bei manchen Studien sind gleich mehrere Ethikkommissionen zuständig. Darüber hinaus sind die anwendbaren Normen in der Regel offen für Interpretationen und bieten keine klaren und einheitlichen Anforderungen an die Begutachtung klinischer Studien.
Der Föderalismus der Kommissionen gefährdet die Studienqualität
In Deutschland gibt es derzeit 49 medizinische Ethikkommissionen. Die Kommissionsmitglieder sind unterschiedlich zusammengesetzt, arbeiten meist ehrenamtlich und vertreten verschiedene Gruppen und wissenschaftliche Disziplinen. Schulungen oder konkrete Vorgaben, welche Aufgaben die Kommissionsmitglieder haben, gibt es kaum. Dies hat zur Folge, dass Abstimmungen und Konsultationsberichte deutschlandweit recht heterogen sind und in ihrer Qualität stark variieren.
Insbesondere bei klinischen Studien, die an mehreren Standorten laufen, ist es unter forschenden Mediziner:innen durchaus gelebte Praxis, sich die Ethikkommission auszusuchen, die als „am wenigsten streng“ gilt. Der Föderalismus der Ethikkommissionen ist tatsächlich kein Garant für die Qualität klinischer Studien, sondern eher eine Gefahr. Eigentlich war es in der Vergangenheit gerade der Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen, der sich für einheitliche Standards für Kommissionen und deren Mitglieder eingesetzt hat.
Insofern mutet es etwas seltsam an, dass es hier jetzt Kritik an einer Zentralisierung gibt. Wenn die neue Bundesethikkommission erfolgreich ist, wäre es sogar wünschenswert, auch die Begutachtungsverfahren für Wirksamkeitsstudien der Phase III zu zentralisieren.
Geraldine Rauch ist Professorin für Medizinische Biometrie und begleitete bis 2022 zahlreiche klinische Studien als Studienbiometrikerin. Von 2010-2016 war sie Kommissionsmitglied der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät Heidelberg. Zu der Arbeit medizinischer Ethikkommissionen hat sie mehrere Fachveröffentlichungen verfasst.