An Pflegeschulen herrscht ein erheblicher Mangel an qualifiziertem Lehrpersonal, der sich aufgrund der Altersstruktur der Kollegien zukünftig noch verschärfen wird. Schon jetzt können freie Stellen kaum noch nachbesetzt werden. Dies hat unter anderem zur Folge, dass Qualitätskriterien wie das im Pflegeberufegesetz vorgegebene Lehrer/innen-Schüler/innen-Verhältnis vielerorts dauerhaft unterlaufen werden. Die daraus resultierenden Probleme für die Ausbildung von Pflegefachkräften sind in qualitativer und quantitativer Hinsicht gravierend.
Die beruflichen Anforderungen an die Lehrerinnen und Lehrer sind in den letzten Jahren gestiegen, und dieser Trend wird sich fortsetzen. Fachlich müssen sie mit dem wissenschaftlichen Fortschritt mithalten und laufend neue Erkenntnisse in ihre Arbeit einbeziehen. Didaktisch sind hoch komplexe Aufgaben dazugekommen: Die Kollegien sind verpflichtet, auf der Basis von Rahmenplänen neue schuleigene Curricula zu erstellen, die regelmäßig zu evaluieren sind. Neue Lehr-Lernformen wie Lernlabore/Skills-Labs haben Einzug gehalten beziehungsweise müssen integriert werden, digitale Medienkonzepte sind zu entwickeln und zu implementieren. Die zunehmende Heterogenität der Auszubildenden erfordert eine aufwändigere pädagogische Betreuung, ohne dass hierfür adäquate Ressourcen bereitstehen. All dies hat zu einer hohen Arbeitsverdichtung und Belastung der Lehrkräfte geführt, die ihrem professionellen Anspruch immer weniger gerecht werden können.
An vielen Pflegeschulen ist die Arbeit seit Jahren von der Mangelsituation geprägt und sie hat sich mit der Implementierung der neuen Pflegeausbildung und der parallel einsetzenden Pandemie drastisch verschärft. Die Auszubildenden bekommen eine lernklimatische Unruhe zu spüren und leiden darunter. Zusätzlich wirken die pandemiebedingten Unterrichtseinschränkungen und Zustände in der praktischen Ausbildung extrem belastend. Die Personalnot an den Schulen erschwert zunehmend, dass Lehrende ihre Auszubildenden in solchen Ausnahmesituationen pädagogisch gut auffangen können.
Ohne Lehrkräfte keine Pflegekräfte
Erklärtes Ziel der Ausbildungsoffensive Pflege ist es, die Zahl der Auszubildenden bis 2023 gegenüber dem Referenzjahr 2019 um mindestens zehn Prozent zu steigern. Allerdings erreichen uns aus unseren Mitgliedsschulen alarmierende Meldungen, dass der Mangel an Lehrpersonal mittlerweile sogar bestehende Ausbildungsplätze gefährdet. Unter diesen Umständen sehen die meisten Schulen keine realistische Möglichkeit, ihre Ausbildungskapazitäten nennenswert zu erhöhen. Es gibt auf dem Arbeitsmarkt schlicht nicht genügend Personal, um noch mehr Schüler/innen zu unterrichten.
Woran liegt das? Zwar sind Bezahlung und manche Arbeitsbedingungen an Pflegeschulen im Vergleich mit staatlichen Berufsschulen eher unattraktiv, dennoch interessieren sich nach unserer Erfahrung viele Menschen für eine Lehrtätigkeit in der Pflege. Dem steht allerdings eine drastische Unterversorgung mit Studienplätzen entgegen.
Defizite in der Lehrer/innenbildung sind katastrophal
Die Mehrheit der Bundesländer vernachlässigt die Lehrer/innenbildung seit Jahrzehnten systematisch, übrigens nicht nur für die Pflege, sondern für alle Gesundheitsfachberufe. Nur in acht Ländern gibt es überhaupt Studiengänge, die Qualitätsstandards wie ausreichende Personalausstattung, wissenschaftliche Güte, adäquate Studienprogramme genügen und gebührenfrei sind. Notdürftig kaschiert wird dies mit einem undurchsichtigen Wildwuchs an kostenpflichtigen Angeboten privater Unternehmen, die den erforderlichen Qualitätsstandards meist nicht umfänglich genügen. Aber auch hinsichtlich der Ausstattung universitärer Lehramtsstudiengänge entziehen sich viele Länder ihrer Verantwortung. So werden beispielsweise an der TU Dresden, der TU München und der Universität Hamburg seit vielen Jahren Pflegelehrkräfte ausgebildet, ohne dass dort Professuren für das Hauptfach Pflegewissenschaft existieren.
Deshalb findet an vielen Studienstandorten weder nennenswerte Pflegeforschung statt, noch gibt es pflegewissenschaftlich hochqualifiziertes Lehrpersonal. Die Hauptfächer Pflegewissenschaft und Pflegedidaktik/-pädagogik werden mancherorts ausschließlich von wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen in befristeter Teilzeitanstellung oder von nebenberuflichen Lehrbeauftragten unterrichtet. In der Folge sind viele Pflegelehrkräfte in Deutschland nicht nach dem aktuellen pflegewissenschaftlichen und pflegedidaktischen Entwicklungsstand ausgebildet.
Wir brauchen einen Hochschulpakt Pflegebildung
Ein radikales Umsteuern in der Hochschulpolitik ist dringend geboten, das heißt es muss unverzüglich mit dem massiven Aufbau von Studienstrukturen für Pflegelehrkräfte begonnen werden. Dazu gehört eine seriöse Bedarfsermittlung mindestens auf der Basis des im Pflegeberufegesetz festgelegten Stellenschlüssels und der erforderlichen Ausbildungszahlen, auch unter Berücksichtigung der Hilfs- und Assistenzberufe. Dauerhaft ausfinanzierte Studienplätze in entsprechender Anzahl und Qualität sind einzurichten. Dies schließt den Aufbau pflegewissenschaftlicher Institute beziehungsweise Lehrstühle an allen Studienstandorten ein, ebenso die Aufstockung pflegedidaktischer Professuren und eine massive Stellenerhöhung im akademischen Mittelbau.
Bundesweit müssen endlich attraktive Strukturen für die Weiterqualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Forschung und Lehre aufgebaut werden. Dazu gehören unbefristete Stellen und Promotionsstudiengänge, die ihren Namen auch verdienen. Ferner sind die Hochschulen gezielt darin zu unterstützen, Fort- und Weiterbildungsabteilungen für eine zeitgemäße Qualifikation von Praxisanleiter/innen zu etablieren, um auch dem steigenden Bedarf an Lehrenden für die praktische Ausbildung Rechnung zu tragen.
Um die Länder bei der Bewältigung dieser Aufgaben zu unterstützen, schlagen wir vor, einen zweckgebundenen „Hochschulpakt Pflegebildung“ im Sinne eines Bund-Länderprogramms aufzulegen. Die übliche halbherzige Anschubfinanzierung genügt dabei aber nicht. Vielmehr müssen sich alle Länder verpflichten, die notwendigen Strukturen zu entwickeln und dauerhaft abzusichern. Ob eine menschenwürdige Pflege möglich ist, entscheidet sich auch an der Frage der Lehrer/innenbildung. Wir sollten sie endlich ernsthaft angehen, bevor es zu spät ist.
Carsten Drude ist Vorsitzender des Bundesverbands Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe (BLGS) e.V., des mitgliederstärksten Verbands für Lehrende und Schulen in den Gesundheitsfachberufen.