Das deutsche Gesundheitssystem steht vor großen Herausforderungen. Die deutsche Bevölkerung wird zunehmend älter und benötigt daher eine umfassendere medizinische Versorgung, was zu steigenden Kosten im Gesundheitssystem führt. Zudem gibt es eine Überlastung im Bereich des Pflegepersonals, was wiederum zu einer mangelnden Qualität der medizinischen Versorgung führen kann. Doch es gibt Lösungen. Die liegen aber nicht darin, dass wir einfach mehr Menschen in den Gesundheitssektor pumpen (woher auch?), sondern dass wir endlich das nutzen, was wir in vielen anderen Gesellschaftsbereichen bereits nutzen: Technologie.
Die Digitalisierung und insbesondere die Einführung moderner Software-Lösungen kann vor dem Hintergrund der eingangs beschriebenen Probleme große Abhilfe schaffen. Durch den klugen Einsatz von Technologie kann einerseits eine Effizienzsteigerung erreicht werden, die zu einer verbesserten Versorgung der Patient:innen beiträgt. Andererseits kann Software auch dazu beitragen, die Überlastung des Pflegepersonals zu verringern. Insofern führt der Einsatz von Technologie zu einer Win-Win-Win-Situation: für Krankenhäuser, Ärzt:innen und Patient:innen.
Es gibt verschiedene Bereiche, in denen Technologie erheblichen Mehrwert bietet. Nachfolgend drei Bereiche, in denen sie meiner Erfahrung nach den größten Nutzen stiftet, weil sie die Versorgung von Patient:innen verbessert und den Aufwand von Ärzt:innen und Pfleger:innen drastisch reduziert. Investieren wir in Technologie, schaffen wir es vielleicht, dem demografischen Wandel zu begegnen und wieder mehr Menschlichkeit in das Gesundheitssystem zu bringen.
KI-gestützte Diagnostik verbessert die Patient:innenversorgungIn der Diagnostik kann Künstliche Intelligenz (KI) eine wichtige Rolle spielen – das tut sie jetzt schon in anderen Ländern wie den USA oder Norwegen. Eine computergestützte Diagnostik ermöglicht eine schnellere und genauere Diagnostik, indem mithilfe von Algorithmen und maschinellem Lernen Bild- und andere Daten analysiert werden. Insbesondere bei bildgebenden Verfahren (zum Beispiel bei Röntgenaufnahmen und Ultraschallaufnahmen) können hier enorme Effizienzsteigerungen verzeichnet werden, weil Ärzt:innen auf diese Weise schneller und präziser diagnostizieren können, was zu einer besseren medizinischen Versorgung der Patient:innen beiträgt.
Seit geraumer Zeit wird über die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) diskutiert. Was dabei zu kurz kommt: Die Einführung der ePA ist kein Selbstzweck oder ein Ausweis für die erfolgreiche Digitalisierung des Gesundheitssystems. Sie schafft vielmehr zentrale Voraussetzungen bei der Versorgung von Patient:innen wie eine valide Datengrundlage und Krankenhistorie. Wenn ich aktuell als Patient:in das Krankenhaus betrete, hat der oder die behandelnde Ärzt:in in der Regel keine Krankenhistorie zur Hand. Selbst rudimentäre Daten wie die eigene Blutgruppe oder Allergien werden nicht aufgeführt oder zentral gespeichert. Dabei stehen hier nicht nur gesundheitliche Aspekte im Vordergrund. Auch Probleme wie Medikamentenverschwendung können durch die Einführung der ePA angegangen werden, da Ärzt:innen so einsehen können, welche Medikamente zuletzt verschrieben wurden und somit gegebenenfalls noch vorrätig sind. Schätzungen zufolge liegen die Kosten für ungenutzte oder abgelaufene Medikamente jährlich immerhin bei einer guten halben Milliarde Euro.
Ein Grund, warum sich Menschen so ungern mit ihrer eigenen Gesundheit beschäftigen: Sie gleicht einer Reise in die Steinzeit. Es macht einfach keinen Spaß, sich mit Gesundheitsthemen zu beschäftigen. Während E-Commerce-Unternehmen an der Customer Journey feilen und die klügsten Köpfe dafür sorgen, dass wir möglichst viel Zeit auf sozialen Netzwerken verbringen, wird der Begriff Patientenjourney mit spitzen Fingern angefasst.
Gesund sein ist ein Menschenrecht
Dabei kann eine digitale Patientenjourney die individuelle Motivation zur Gesundheitsvorsorge erhöhen, indem sie eine personalisierte und interaktive Erfahrung bietet. Durch den Einsatz von Technologien wie Apps und mobiloptimierte Websites können Patient:innen ihre Gesundheitsdaten einfach verfolgen und verwalten, wodurch sie mehr Kontrolle über ihre Gesundheit erlangen. Darüber hinaus können sie auch individuelle Gesundheitsziele festlegen und Fortschritte verfolgen, was ihre Motivation und ihr Engagement für die eigene Gesundheit erhöht. Auch die Möglichkeit, direkt mit ihrer Ärztin, ihrem Arzt oder einem Gesundheitsdienstleister in Verbindung zu treten und Fragen zu stellen, kann dazu beitragen, dass sie sich mehr für ihre Gesundheit verantwortlich fühlen und engagierter an ihrer Gesundheitsvorsorge teilnehmen.
Es gibt dieses Zitat von Arthur Schopenhauer, das da lautet: „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“ Jede:r, der oder die schon mal krank war, weiß, wovon Schopenhauer spricht. Gesund zu sein ist ein Menschenrecht. Doch dieses Menschenrecht bleibt manchen Menschen aktuell verwehrt. Nicht, weil Ärzt:innen oder Pfleger:innen nicht wollen, sondern weil sie nicht können. Mit Technologie können wir dazu beitragen, dass jedem dieses Menschenrecht zuteil wird. Und wir auf diese Weise wieder mehr Menschlichkeit in das Gesundheitssystem bringen.
Dr. Sophie Chung ist Gründerin und CEO des Digital-Health-Unternehmens Qunomedical. Die studierte Medizinerin stieg nach dem Studium 2008 bei McKinsey ein und arbeitete hauptsächlich als Beraterin für den Healthcare-Bereich.