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Gesundheit & E-Health

Standpunkte Mut zur Entscheidung

Markus Heyen, Managing Director und Leiter Versicherungen Deutschland bei Accenture
Markus Heyen, Managing Director und Leiter Versicherungen Deutschland bei Accenture Foto: Accenture

Private Krankenversicherungen treten mit ihren digitalen Services auf der Stelle. Sie müssen sich entscheiden, ob sie künftig als reine Kostenträger oder digitale Gesundheitspartner der Versicherten wahrgenommen werden wollen, schreibt Unternehmensberater Markus Heyen.

von Markus Heyen

veröffentlicht am 24.06.2022

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Lange galten private Krankenversicherungen (PKV) als innovative Vorreiter, wenn es um die Digitalisierung von Services und Produkten im Gesundheitsbereich ging. Relativ früh konnten die PKV-Versicherten Anträge und Rechnungen online einreichen, auch die ersten Gesundheitsanwendungen standen digital zur Verfügung. Doch mit der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) oder dem E-Rezept haben sowohl die Digitalisierung als auch die Innovationsgeschwindigkeit des gesamten Gesundheitswesens spürbar an Fahrt gewonnen. Auch andere Player holen technologisch auf und erkennen den Wert digitaler Gesundheitsservices für ihre Kund:innen und sich. Spätestens jetzt sollten PKV-Unternehmen überlegen, wohin ihre digitale Reise führt. Wollen sie in Zukunft vor allem Leistungserbringer und Kostenträger sein oder wollen sie von ihren Versicherten als vertrauensvoller Partner für innovative Gesundheitsleistungen wahrgenommen werden?

Eine klare Positionierung hilft

PKV-Kunden:innen sind grundsätzlich sehr offen für digitale Gesundheitslösungen. Neben dem Preis-Leistungsverhältnis sind digitale Gesundheitslösungen für 51 Prozent der Kunden wichtig bei der Auswahl ihrer Krankenversicherung. Dabei erwarten sie heute allerdings mehr als eine passive, rein leistungsbezogene Unterstützung. Die Mehrheit (73 Prozent) ist an einer Betreuung zu allen Themen rund um Gesundheit interessiert. Eigentlich könnten PKVen hier perfekt vorbereitet sein, mit ihren digitalen Services punkten und die nachgefragten Leistungen anbieten – und das eben nicht nur reaktiv im Krankheitsfall, sondern auch ganzheitlich und vorbeugend. Das Problem dabei: Zwar gibt es die richtigen Angebote in Einzelfällen bereits, aber die Kund:innen, für die sie relevant wären, bekommen davon nichts mit. Häufig fehlt es hier schlicht an Transparenz und Sichtbarkeit.

In diesem Spannungsfeld zwischen passiver Information und proaktivem Angebot rund um das Thema Gesundheit, gilt es für Versicherer Entscheidungen zu treffen. Ist diese Wahl getroffen, müssen Investitionsschwerpunkte festgelegt werden. Greifen PKVen bei digitalen Gesundheitsservices auf Standardlösungen zurück, unterscheiden sie sich wenig von anderen Anbietern. Individualisieren sie vorhandene Standardlösungen, so müssen sie Kosten, Nutzen und Mehrwert für ihre Kund:innen abwägen. Ab einem Individualisierungsgrad von etwa 20 Prozent lohnt sich in der Regel der Einsatz von Standardprodukten nicht mehr. Noch schwieriger wird es, wenn digitale Investitionen im Sand verlaufen, weil die eigentlich attraktiven Angebote den Versicherten nicht oder nur unzureichend bekannt sind.

Aufmerksamkeit für digitale Angebote schaffen

Wenn es unsichtbar bleibt, ist das beste Angebot vergeudet. Sichtbarkeit ist einer der Erfolgsfaktoren für die Zusatzangebote der PKVen. Hier stehen vor allem kleinere Unternehmen vor dem Problem begrenzter Mittel. Dennoch ist die Kommunikation wichtig, damit Versicherte und Interessierte auf digitale Leistungsangebote aufmerksam werden und diese auch nutzen. Damit die Kommunikation effektiver wird und die digitalen Services bei den Nutzern sichtbarer werden, ist der Dialog mit der Ärzteschaft und anderen Akteur:innen des Gesundheitswesens wichtig. Denn so können PKVen viel besser die Bedürfnisse und Interessen der Versicherten kennenlernen und gezielt darauf reagieren.

Doch auch die digitalen Services selbst müssen attraktiver werden und dürfen sich nicht nur auf Teillösungen beschränken. Versicherte verlieren das Interesse, wenn das Angebot zu kleinteilig wird, daher benötigen sie eine Lösung für alle Fragen rund um ihre Gesundheitsfragen. Ein Beispiel hierfür sind Patient:innen, die etwa mehrere Apps bemühen müssen, um in verschiedenen Phasen ihrer Krankheit von der Diagnose, über die Therapie bis zur Nachsorge digital unterstützt zu werden. Auch Vorsorgeangebote, die zum Teil auch von anderen Partnern im Gesundheitssystem bereit gestellt werden, sind hier noch nicht integriert.

PKVen verpassen somit die Chance, als Bindeglied für alle Gesundheitslösungen der Patient:innen aufzutreten. Für Betroffene ist es aber gerade wichtig, möglichst nahtlos und benutzerfreundlich mit dem gesamten digitalen Gesundheitsangeboten interagieren zu können. Dazu gehört eine intuitive Steuerung, die zu attraktiven und sicheren Plattformen führt, ohne Medienbrüche, Mehrfacheingaben und komplizierte Registrierungs- und Verifizierungsprozesse – mit der PKVen als Ansprechpartner und integrative Basis für alle Gesundheitsbelange. Die aktuell am Markt gebotenen Services sind überwiegend Lösungen für spezielle Gesundheitsfragen, aber erfüllen nicht das Bedürfnis der Versicherten nach einer ganzheitlichen Versorgung. Konkret sollte das Angebot zum Vorsorgemanagement ausgebaut und alle existierenden Services nahtlos integriert werden – auch über Branchen- und Anbietergrenzen hinweg.

Die Sprache der Kunden sprechen

Wenn es um das Leistungsangebot ihrer Krankenversicherung geht, sind PKV-Versicherte anspruchsvoll. Sie wünschen sich starke Partner an ihrer Seite, die zuverlässig durch das Gesundheitswesen navigieren und die besten Optionen für die eigene Gesundheit bieten können. PKVen, die diesen Weg einschlagen, sollten ihre Kommunikation smart und proaktiv steuern, um an sämtlichen Berührungspunkten für die Versicherten sichtbarer zu werden. Nur so können sie die digitale Leistung erbringen, die in positiver Erinnerung bleibt. Vor allem jüngere Generationen schätzen diese Serviceleistungen, Telemedizin- und Präventionsangebote, Gesundheits-Apps sowie Unterstützung und Hilfestellung bei der Suche nach Informationen zu Krankheitsbildern, Symptomen und Therapiemöglichkeiten. Diese Kundenbeziehungen dürfen nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden, denn gerade sie wenden sich schnell ab, wenn das Nutzererlebnis Wünsche offenlässt.

Höchste Zeit also, von fragmentierten Einzelanwendungen, Teillösungen und komplizierter Handhabe abzurücken und wirklich auf die Kunden zu hören. Dazu gehört digitale Angebote zu gestalten, die PKV-Versicherten relevanten Mehrwert bieten und sie im Umgang mit ihren persönlichen Gesundheitsthemen unterstützen.

Markus Heyen ist Managing Director und Leiter Versicherungen Deutschland bei Accenture.

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