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Gesundheit & E-Health

Standpunkte Neue Antibiotika benötigen Hilfestellung

Foto: VfA

Resistenzbrechende Antibiotika werden dringend benötigt. Doch der Forschungsaufwand ist über den Verkauf kaum hereinzuholen. VfA-Geschäftsführer Siegfried Throm wünscht sich deshalb öffentliche Hilfe bei der Entwicklung – etwa durch Erfolgsprämien und Absatzgarantien.

von Siegfried Throm

veröffentlicht am 12.02.2020

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Weltweit nehmen resistente Bakterien zu – Bakterien, gegen die immer weniger Antibiotika noch helfen. Deutschland ist noch vergleichsweise wenig betroffen, aber das kann sich jederzeit ändern. Denn resistente Keime können sich schnell global verbreiten. Deshalb muss viel getan werden, um Entstehung und Verbreitung solcher Resistenzen zu verhindern – etwa durch Hygiene, durch rationale Anwendung der vorhandenen Antibiotika. Nötig sind aber auch neue, resistenzbrechende Antibiotika und Impfstoffe.  

Einigen großen und vielen kleineren Pharma-Unternehmen ist zu verdanken, dass derzeit immerhin zwei neue Antibiotika vor der Markteinführung stehen, für zwei weitere die Zulassung empfohlen und für vier weitere beantragt ist. Rund 30 weitere neue Antibiotika werden gerade mit Patienten erprobt, dazu auch einige Impfstoffe gegen bakterielle Infektionen. All diese Medikamente sind wichtige Beiträge zum künftigen Schutz der Bevölkerung; aber Epidemiologen haben errechnet, dass ein Mehrfaches an neuen Antibiotika bzw. Impfstoffen nötig wäre, um der Resistenzentwicklung einen Schritt voraus zu bleiben.  

Hier sind wir beim Kern des Problems: Für Unternehmen ist es schwierig, ihre Investitionen in die Antibiotika-Entwicklung auszuweiten; denn schon heute lässt sich die teure Entwicklung neuer Antibiotika oft kaum über die späteren Umsätze refinanzieren. Die Mittel sollen ja nur im Notfall eingesetzt werden, um die Resistenzbildung zu minimieren.

Helfen könnten Partnerschaften zur Produktentwicklung

Das finanzielle Risiko lässt sich etwas mindern, wenn Unternehmen bei der Antibiotika-Entwicklung mit anderen Institutionen in öffentlich-privaten Produktentwicklungspartnerschaften (PDP) zusammenarbeiten können. CARB-X (Combating Antibiotic Resistant Bacteria Biopharmaceutical Accelerator) und GARDP (Globale Partnerschaft für Antibiotikaforschung und -entwicklung; mit finanzieller Förderung durch das Bundesforschungsministerium) sind Beispiele für solche PDP.  Sie konzentrieren ihre Förderung genau auf solche Projekte, die Unternehmen wegen fehlender Wirtschaftlichkeit nicht im Alleingang durchführen können. CARB-X hat dabei ausschließlich gramnegative Bakterien im Blick und fördert mittlerweile 25 Projekte, darunter zwei Impfstoff-Entwicklungen. Auch GARDP hat mittlerweile zahlreiche Kooperationspartner für Projekte, die von der Antibiotika-Erfindung bis zur klinischen Erprobung in Phase III reichen. 

Doch auch die Möglichkeit, im Rahmen von PDP zu arbeiten, reicht noch nicht aus, um die industrielle Antibiotikaentwicklung im nötigen Umfang zu stimulieren. Dafür ist es zusätzlich erforderlich, besondere Rahmenbedingungen für die Vermarktung neuer Mittel festzulegen, die die ökonomischen Handicaps ein Stück weit ausgleichen. Länderübergreifend wären Absatzgarantien für neue Antibiotika gegen resistente Keime ein geeignetes Mittel. Zudem sollte es für die erfolgreiche Entwicklung eines solchen Antibiotikums eine Prämienzahlung geben, die die Entwicklungskosten wenigstens teilweise refinanziert. Speziell in Deutschland sollte für neue Antibiotika eine rasche Erstattung auch im Krankenhaus sichergestellt werden. Das System der Abrechnung von Behandlungen im Krankenhaus über Fallpauschalen steht dem bislang entgegen.

Zusatznutzen sollte ohne Nutzenbewertung anerkannt werden 

Pläne des Bundesgesundheitsministeriums sind sinnvoll, den Zusatznutzen neuer resistenzbrechender Antibiotika künftig per Gesetz anzuerkennen, statt die Medikamente dafür der sonst obligatorischen Nutzenbewertung zu unterziehen. Denn bei der Nutzenbewertung wird vor allem geprüft, ob eine therapeutische Überlegenheit für größere Gruppen von Patienten gegeben ist. Das jedoch war nie der Entwicklungsauftrag für solche Antibiotika. Ihr großer Wert besteht vielmehr darin, dass sie Patienten auch in den seltenen Fällen von multiresistenten Infektionen heilen können.

Ein weiterer sinnvoller Beitrag zur Überwindung des Resistenzproblems ist, die akademische Forschung zu Resistenzen und Antibiotika in Deutschland auszubauen. Ein wichtiges Forschungsfeld: die schwer durchdringbare doppelte Zellwand bestimmter Bakterien. Wenn akademische Einrichtungen gut mit Pharmafirmen zusammenarbeiten, könnten neue Erkenntnisse zur Überwindung dieser Barriere schneller in neue Antibiotika umgesetzt werden.   

Viele Pharma- und Biotech-Unternehmen haben dafür die nötige Kompetenz und Motivation, auch in Deutschland. Was sie aber brauchen, sind klare Zusagen der Industrienationen, dass sie nicht auf den Kosten sitzen bleiben, ohne die Antibiotika-Neuentwicklungen nicht möglich sind.

Dr. Siegfried Throm ist Geschäftsführer Forschung beim Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa).

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