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Standpunkte Vertrauliche Erstattungsbeträge könnten Arzneimittelversorgung verbessern

Daniel Erdmann ist Director Market Access für Pfizer
Daniel Erdmann ist Director Market Access für Pfizer Foto: Andrea Katheder

Gesetzt den Fall, dass vertrauliche Erstattungsbeträge möglich werden – sie würden aller Wahrscheinlichkeit nach eher die Ausnahme als die Regel werden. Es gibt keinen ersichtlichen Anreiz für pharmazeutische Unternehmen, vertrauliche Erstattungsbeträge für ihre Arzneimittel mit Zusatznutzen in den Verhandlungen einzufordern – und dabei Mehrkosten auf sich zu nehmen.

von Daniel Erdmann

veröffentlicht am 11.03.2024

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Mit dem vorgelegten Medizinforschungsgesetz möchte das Bundesministerium für Gesundheit unter anderem den Zugang zu neuen Therapieoptionen für Patient:innen fördern. Dieses Ziel können sicher alle Akteure im Gesundheitswesen unterschreiben. Es kann aus Sicht von Pfizer aber nur auf fruchtbaren Boden fallen, wenn die Basis stimmt: Die Wertschätzung für Innovationen und verlässliche, pragmatische Rahmenbedingungen für den Markteintritt neuer Therapien. In erster Linie heißt das: Die AMNOG-Leitplanken und der Kombinationsrabatt – beides widerspricht den Prinzipien des AMNOG – müssen wieder abgeschafft werden, damit Patient:innen auch in Zukunft von den Innovationen profitieren.

Ein Baustein im Referentenentwurf ist die Möglichkeit, dass die AMNOG-Vertragsparteien auf Wunsch des pharmazeutischen Unternehmers einen vertraulichen Erstattungsbetrag vereinbaren. Dadurch anfallende Mehrkosten sind durch das pharmazeutische Unternehmen zu tragen. Hierdurch wird sichergestellt, dass den Krankenkassen keine Mehrkosten entstehen.

Für Unternehmen könnten diese Erstattungsbeträge in bestimmten Fällen eine Brücke bilden, Arzneimittel früher in Deutschland zu vermarkten als ursprünglich geplant oder überhaupt auf den Markt zu bringen. Das kann die Versorgung von Patient:innen mit innovativen Arzneimitteln in Deutschland verbessern.

Für den Großteil der Medikamente eher nicht notwendig

Der derzeitige Referentenentwurf und auch der GKV-Spitzenverband gehen bei der Betrachtung etwaiger Bürokratiekosten davon aus, dass in Zukunft nahezu jedes Produkt einen vertraulichen Erstattungsbetrag erhält. Aus Herstellersicht ist das jedoch sehr unwahrscheinlich.

Gesetzt den Fall, dass vertrauliche Erstattungsbeträge möglich werden – sie würden aller Wahrscheinlichkeit nach eher die Ausnahme als die Regel werden. Es gibt keinen ersichtlichen Anreiz für pharmazeutische Unternehmen, vertrauliche Erstattungsbeträge für ihre Arzneimittel mit Zusatznutzen in den Verhandlungen einzufordern – und dabei Mehrkosten auf sich zu nehmen. Die AMNOG-Verhandlungshistorie hat bewiesen, dass es dafür keine Notwendigkeit gibt.

Vielmehr wird das Instrument der vertraulichen Erstattungsbeträge für Arzneimittel ohne nachgewiesenen Zusatznutzen geeignet sein. Seit Beginn der frühen Nutzenbewertung hat der G-BA für 435 Medikamente Beschlüsse verfasst und für ein gutes Drittel dieser Beschlüsse wurde kein Zusatznutzen im Vergleich zu einer etablierten Therapie anerkannt.

In der Gruppe der Arzneimittel ohne Zusatznutzen kommen wiederum vor allem jene Arzneimittel für einen vertraulichen Erstattungsbetrag infrage, bei denen aufgrund einer generischen Vergleichstherapie mit hohen Preisabschlägen zu rechnen ist. Setzt man hierfür exemplarisch nur jene Arzneimittel ohne Zusatznutzen an, für die eine Schiedsstelle stattgefunden hat, so kommt man – unter Verwendung der Daten des AMNOG-Monitors vom 26. Februar dieses Jahres – auf 27 Arzneimittel. Also zirka sechs Prozent aller bewerteten Arzneimittel oder etwa zwei bis drei Arzneimittel pro Jahr.

Referenzpreis als Problem

Viele Medikamente, die ohne „nachgewiesenen Zusatznutzen“ das AMNOG-Verfahren durchlaufen haben, findet man in den aktuellen Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften, beispielsweise zu Krankheitsgebieten wie Multiple Sklerose, Epilepsie, Krebs- oder Augenerkrankungen. Die Medikamente werden in Behandlungsleitlinien entweder als wertvolle therapeutische Alternative oder sogar als Therapeutikum ohne Behandlungsalternative empfohlen. Aus Sicht der Fachgesellschaften haben viele Arzneimittel, bei denen der G-BA einen Zusatznutzen als nicht nachgewiesen einstuft, also einen bedeutenden Patientennutzen und therapeutischen Stellenwert in der Versorgung.

Unter der aktuellen Gesetzeslage werden diese Arzneimittel teilweise aufgrund der internationalen Preisreferenzierung vom Markt genommen oder erst verspätet auf den Markt gebracht. Global agierende pharmazeutische Unternehmen haben dabei im Blick, dass mehr als 30 Länder ihren Preis unmittelbar auf Deutschland referenzieren.

Mit der Möglichkeit eines vertraulichen Erstattungsbetrags könnten solche Entscheidungen in Zukunft anders ausfallen und die Medikamente hierzulande eingeführt werden. Das wäre ein Szenario, von dem alle Beteiligten profitieren können: Mediziner:innen und Patient:innen hätten somit (früher) Zugang zu neuen Therapieoptionen, das pharmazeutische Unternehmen könnte seine Produkte in Deutschland vermarkten und der Krankenkasse entstünden dabei keine Mehrkosten, da diese vom Unternehmen getragen werden.

Das betroffene pharmazeutische Unternehmen würde dadurch Zeit und finanzielle Mittel erhalten, um beispielsweise die vom G-BA gewünschten Nachbesserungen an Studien für die Nutzenbewertung durchzuführen.

Einordnung aktueller Kritik 

Der Regelungsvorschlag wird aktuell teilweise kritisch bewertet. Anbei einige aus unserer Sicht hilfreiche Einordnungen hierzu:

  • Der Referentenentwurf geht von der Grundidee aus, dass maßgebliche Institutionen zwar über die Höhe des vertraulichen Erstattungsbetrages informiert werden, der vertrauliche Erstattungsbetrag aber nicht öffentlich gelistet werden muss. Für die wenigen Verfahren, die pro Jahr in Zukunft mittels eines vertraulichen Erstattungsbetrages abgerechnet werden, wird es somit eine dauerhafte Nacherstattung geben. Nacherstattungen finden grundsätzlich bereits heute nach jeder AMNOG-Verhandlung statt und sind zum Beispiel aus dem Rabattvertragsgeschäft der Einzelkassen gut bekannt. Hohe Bürokratiekosten sind auch allein wegen der geringen Anzahl an betroffenen Produkten nicht zu befürchten.
  • Zudem wird argumentiert, dass durch den vertraulichen Erstattungsbetrag der Morbi-RSA nicht mehr richtig funktionieren würde. Wenn die Abrechnung vertraulicher Preise für eine so geringe Anzahl an Arzneimitteln ein solch großes Problem wäre, müsste der Gesetzgeber konsequenterweise auch die Rabattverträge abschaffen, da diese genauso wie die nun besprochenen vertraulichen Erstattungsbeträge erst mit Zeitverzug zum Tragen kommen.
  • Auch den Einwand, dass keine wirtschaftlichen Entscheidungen mehr durch Ärzt:innen getroffen werden könnten, ist nicht nachvollziehbar. Denn der pharmazeutische Unternehmer wird weiterhin einen zunächst abrechnungsrelevanten Abgabepreis angeben müssen. Dieser wird höher ausfallen als der geltende, vertrauliche Erstattungsbetrag. Somit wird den verordnenden Mediziner:innen eher ein Signal gesendet, dieses Arzneimittel aufgrund der vermeintlich hohen Kosten nicht zu verordnen. Da das gleiche Arzneimittel jedoch ohne einen vertraulichen Preis nicht am Markt wäre, hinkt schlichtweg der Vergleich zur jetzigen Gesetzeslage ohne vertrauliche Preise.

Aus Sicht von Pfizer gibt es – wie eingangs beschrieben - noch grundsätzlicheren Änderungsbedarf an der Gesetzgebung bezüglich der Bepreisung innovativer Arzneimittel als die Option des vertraulichen Erstattungsbetrages. Diese Option könnte unseres Erachtens jedoch ein Detail im Gesamt-AMNOG-Kontext sein, welches zwar nicht die Regel darstellen, aber im Bedarfsfall zu einer Verbesserung der Versorgung von Patient:innen führen wird. Es kann den Vertragsparteien eine weitere Option an die Hand geben, um gemeinsam eine hochqualitative und kosteneffiziente Gesundheitsversorgung sicherzustellen.

Dr. Daniel Erdmann arbeitet als Director Market Access für Pfizer und war zuvor für den GKV-Spitzenverband tätig.

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