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Werkstattbericht Keine Kohle für Digitalisierung? Zeit für Verwaltungshacks!

Tatiana Muñoz schreibt über den Kulturwandel in der Verwaltung.
Tatiana Muñoz schreibt über den Kulturwandel in der Verwaltung.

Die Kürzung der Haushaltsgelder sieht Tatiana Muñoz als Chance für die Verwaltungsdigitalisierung. Man müsse nur die richtigen Tricks und Verwaltungshacks kennen, für die man kein Geld braucht – oder am Ende sogar spart.

von Tatiana Herda Muñoz

veröffentlicht am 15.08.2023

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Wer gelernt hat, mit wenig Geld auszukommen, weiß um die Tricks. In der Schule und im Studium gab es „Rich Kids“. Von zuhause aus hatten sie genügend Geld im Monat, um sich jeden Tag eine Latte Macchiato kaufen zu können. War Latte Macchiato notwendig zum Leben? Nein. Es kam mal vor, dass einem Rich Kid das Geld gekürzt wurde. Da war die Empörung groß: Keine täglichen Lattes mehr und jeden Tag Mensa-Essen! Kein Fitnesssalat mit Hähnchenbrust vom Uni-Restaurant.

Wenn so etwas passierte, saßen wir gemeinsam bei einem Bierchen in einer WG und diskutierten darüber, was wir wirklich brauchen. Diejenigen von uns, die sehr begrenztes Geld zur Verfügung hatten, hatten die Antwort schnell parat. Wenn Sie wenig haben, müssen Sie nämlich genau wissen, was Sie wirklich brauchen. Die Antwort in diesen nächtlichen Gesprächen war meistens: nach Essen und einem Schlafplatz (ja, auch das ist für viele Studis nicht selbstverständlich), eine gute Zeit mit Freund:innen, Party und Sport und ein sehr gutes bis bestan­denes Studium, je nachdem.

Dafür braucht es kein Auto, kein Fitnessstudio, keine neuen Klamotten, keinen Latte jeden Tag. Eine Taschengeldkürzung kann auch mal ganz gut tun. Das zwingt einen dazu, zu reflektieren und des Pudels Kern der echten Bedarfe zu suchen. Und: nach Lifehacks Ausschau zu halten, die Ihnen das Leben leichter machen.

Geld allein macht nicht glücklich

Mit der Kürzung der Haushaltsgelder für die Verwaltungsdigitalisierung ist es ähnlich. 2020 kam der Geld-Turbo. Und, hat es geklappt? Nein. Ende 2022 war das Geschrei trotz Geld groß. International gesehen schauen vielleicht ein paar Länder auf Deutschland wie auf ein Rich Kid. Zumindest ist das Erstaunen groß, wenn ich über den finanziellen Turbo und den Booster mit anderen Menschen aus dem Ausland spreche, über Schaufensterdigitalisierung als Latte-Metapher statt über Basisdienste und standardisierte Schnittstellen.

Ich denke, die Kürzung ist nun eine prima Chance für die deutsche Verwaltungsdigitalisierung. Sie ist quasi die philosophische Nachtrunde in der WG der interföderalen, interministeriellen Arbeitsgruppen, in der wir uns hoffentlich fragen „Was brauchen wir wirklich?“, „Was haben wir eigentlich schon?“ und „Welche Hacks können wir jetzt sofort anwenden?". Wir sollten darüber diskutieren, ob wir wirklich eine neue Governance mit der x-ten Version eines agilen Frameworks brauchen (Stichwort „SaFe“ und „P20“).

Warum wir eigentlich CIOs haben, aber keine CHROs [Chief Human Resources Officer, Anm. Tsp], die sich um die Verwaltungsmenschen und ihre digitale Kompetenzen kümmern. Darüber, wie innere Arbeit in der Verwaltung gestärkt werden kann. Endlich die notwendigen Gesetze anpassen. Und welche Rolle mit einem sichtbaren Mehrwert Beratungen leisten können. Immer unter der Prämisse: Unsere eigenen Verwaltungsleute first.

Verwaltungshacks für jetzt, sofort.

Ich bin eine Meisterin der Lifehacks, das hat mir nun mal das Leben gelehrt. Als Studi wusste ich, wo die besten Lebensmittel reduziert waren (samstagabends in kleinen Stadtteilsupermärkten) und wie ich mir Schwimmbadbesuche refinanzieren konnte (alle Schließ­fächer durchgehen, an guten Tagen kam ich mit fünf bis sieben Euro wieder raus). Hacks machen Spaß und Sie haben sofort etwas davon, wenn Sie jetzt starten. Hier fünf Verwaltungshacks, für die Sie kein Geld brauchen – oder sogar sparen.

Verwaltungshack #1

Arbeiten Sie digital. Sie sind Minister:in, Staatsekretär:in, Abteilungsleiter:in oder Referatsleiter:in und lassen sich alles ausdrucken, weil es „sich auf Papier besser arbeiten lässt“? Vielleicht sogar trotz funktionierender E-Akte? Ich muss so ehrlich zu Ihnen sein: Sie ver­hindern damit die Verwaltungsdigitalisierung und sorgen sehr wahrscheinlich dafür, dass (junge) motivierte Mitarbeiter:innen ihre Lust an einer di­gitalen Verwaltung verlieren. Der Fisch stinkt vom Kopf her.

Verwaltungshack #2

Schauen Sie mehr Youtube (und essen Sie dabei)! Allein oder sogar mit Ihrem Referat. Sind Sie Führungskraft? Dann laden Sie zum Youtube-Jour-Fixe ein, zum Beispiel jeden Freitag um 10 Uhr inklusive Frühstücksteilchen. Ich kenne eine Führungskraft, die immer im frühen Team-Jour-Fixe für Rührei sorgt. Wir brauchen nicht auf perfekt ausgearbeitete Kurse von jeglichen Verwaltungsakademien zu warten, um digitale Kompetenzen zu lernen. Es gibt genug gutes Material online, um sofort zu starten.

Verwaltungshack #3

Bildet Banden. Informelle Netzwerke, die abteilungs-und ressortübergreifend sind, sind Gold wert. Es lohnt sich auch ohne Projekt, Gleichgesinnte zu suchen. Ich habe zum Beispiel auf Dienstfeiern und Ausflügen auch mal den Tisch gewech­selt oder bin in einem anderen Bus hin- oder zurückgefahren. Auf solch einer Fahrt bin ich beim Team des Schwimmbadbetriebs gelandet. Ein Jahr später, als ich kommunale Klimaschutzmanagerin war, haben wir die Schwimmbadbeleuchtung auf LED um­gestellt und eine Kastanie gemeinsam gepflanzt. Ich habe aber auch mal einfach eine:n Kolleg:in aus einem an­deren Ressort angerufen und gefragt, ob wir einen Kaffee trinken.

Verwaltungshack #4

Werden Sie Teil eines Netzwerks, das Ihnen Impulse gibt und mit dem Sie Ihr Wissen teilen können! Solche Netzwerke sind beispielsweise der E-Government-Podcast, das Public Service Lab, das N3GZ- oder das Next-Netzwerk, das Veranstaltungen und einen Newsletter bietet.

Verwaltungshack #5

Do something soon! Ja ich weiß, Englisch. Egal, so ist das Leben jetzt und manchmal passen englische Begriffe einfach besser. Also tun Sie bald etwas! Sobald Sie einen Impuls, ein neues Wissen oder so einen Verwaltungshack wie hier bekommen – probieren Sie es ganz bald aus.

Man muss nicht immer ins perfekte Hotel Ritz, meistens reicht auch Currywurst mit Pommes frites.

Tatiana Muñoz ist Inhouse-Beraterin für Verwaltungsmodernisierung und -digitalisierung. Von Oktober 2019 bis November 2022 war sie Ortsvorsteherin für die SPD im Mainzer Stadtteil Hechtsheim. Zuvor war sie kommunale Projektleiterin für Klimaschutz und Sachbearbeiterin. Sie ist im digitalpolitischen Verein D64 und bei futurewoman.de aktiv, schreibt als Autorin auf diversen Plattformen und ist Initiatorin des Twitter-Hashtags #twitterverwaltung.

Bisher von ihr in dieser Rubrik erschienen: „Der etwas andere Podcast“, „Politikverdrossenheit und schlechte Usability“, „Holt die Frauen aus der untersten Kaste!“, „Vor lauter Krisenmodus werde ich nicht krisenfest“, „Wie Slow-Design-Thinking unseren Ortskern verändert (Teil 1)“, „Wie Slow-Design-Thinking unseren Ortskern verändert (Teil 2)“ und „Ich will, nein, ich habe Macht!“.

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