Unserer Meinung nach sind Verteidigungsfragen der Verantwortungsbereich demokratisch gewählter Regierungen. Es sollte nicht im Ermessen von Investoren liegen, ob die militärische Infrastruktur eines Landes oder einer supranationalen Institution verstärkt wird oder wie man auf potenzielle militärische Bedrohungen reagiert. Vor allem für nachhaltige Investoren darf es keine einfache Frage sein, ob man Unternehmen unterstützt, die Waffen herstellen und/oder liefern. Das gilt selbst für Unternehmen, deren Systeme zum Schutz von Gemeinschaften dienen sollen, die Opfer von Angriffen werden.
Die Waffenindustrie ist äußerst komplex. Wie können Investoren etwa sicherstellen, dass die Unternehmen und die von ihnen gelieferte Ausrüstung, die heute zum Schutz der verwundbaren Nationen beitragen, morgen nicht auch die Angreifer unterstützen? Hinzu kommt, dass es aufgrund nationaler Sicherheitsbedenken oft an Transparenz mangelt. Es ist für Investoren oft schwierig, detaillierte Informationen von Rüstungsunternehmen zu erhalten – von umfassenden Listen von Endkunden ganz zu schweigen.
Mangelnde Transparenz und Gefahr von Menschenrechtsverletzungen
Wie lässt sich also gewährleisten, dass die Investitionen keine repressiven und autoritären Regimes unterstützen, die ihre eigenen Bürger unterdrücken? So betrachtet könnte ein Engagement in diesen Unternehmen ein Verstoß gegen die UN-Grundsätze zum Schutz der Menschenrechte darstellen, einen weithin anerkannten Governance-Standard für nachhaltige Investitionen.
Erschwerend kommt hinzu, dass bei der Bewertung von Waffenherstellern für die Geldanlage zwischen konventionellen und umstrittenen Waffen differenziert werden muss. Letztere sind in mehreren internationalen Verträgen verboten, da sie keine Unterscheidung zwischen dem Militär und der Zivilbevölkerung ermöglichen und so vielmals unschuldige Opfer fordern. Eine klare Trennung zwischen diesen zwei Waffenarten ist jedoch kaum möglich, selbst für Nachhaltigkeitsinvestoren wie unser Haus und spezialisierte Datenanbieter nicht. All dies stellt im Kontext von ESG-Fonds ein erhebliches und inakzeptables Risiko dar.
EU-Taxonomie sollte nicht politisch sein
Nachhaltige Geldanlage ist ein Eckpfeiler des Aktionsplans der Europäischen Union für die Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Im ersten Entwurf für eine soziale Taxonomie, die die EU-Platform on Sustainable Finance der EU-Kommission 2021 vorlegte, stand die Verteidigungsindustrie auf der gleichen Ebene wie die Tabak- und Glücksspielbranche. Sie wurden als „schädlich“ und nicht nachhaltig eingestuft. Kaum zu fassen, dass es heute Stimmen gibt, die vorschlagen, die Verteidigungsindustrie so zu bewerten, als stünde sie im Einklang mit den Zielen der EU-Taxonomie – sie also als eine Branche zu betrachten, die einen starken ESG-Beitrag leistet, ohne Schaden anzurichten.
Wir sind nicht der Meinung, dass Technologie unter diesem Gesichtspunkt neutral sein kann. Wenn man die unkontrollierbaren Auswirkungen und den Schaden bedenkt, den sie verursachen, dürfte es Rüstungsunternehmen und insbesondere Waffenherstellern schwer fallen, alleine schon den Grundanforderungen zu entsprechen: der Unversehrtheit anderer Nachhaltigkeitsziele („do-not-significantly-harm“) und dem Einhalten von Mindestschutzmaßnahmen.
Selbstverständlich sollten nachhaltige und verantwortungsbewusste Investments nuanciert sein. Doch der Zweck der Taxonomie ist ein wissenschaftlicher (und unpolitischer) Konsens, der auf einem soliden moralischen und logischen Urteil beruht und alle Auswirkungen unserer Anlagetätigkeit angemessen einbezieht. Ungeachtet aller weltpolitischen Ereignisse sollten wir nicht in Versuchung kommen, das Narrativ darüber zu verdrehen, was als nachhaltig gilt und was nicht, nur um abweichende Sichtweisen zu berücksichtigen.