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Sustainable Finance

Standpunkte Weltrettung mit Klimafinanzrevolution

Kathrin Henneberger, Grünen-Abgeordnete im Bundestag
Kathrin Henneberger, Grünen-Abgeordnete im Bundestag Foto: Kathrin Henneberger

Eine globale Abkehr von den Fossilen Energien wurde auf der zurückliegenden UN-Klimakonferenz beschlossen. Sie wird aber nur funktionieren, wenn Institutionen wie die Weltbank grundlegend reformiert und staatliche wie private Gelder klimagerecht investiert werden, meint Kathrin Henneberger, zuständige Berichterstatterin für globale Klimafinanzierung der Grünen-Bundestagsfraktion und Mitglied in den Ausschüssen wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie Klima und Energie des Parlaments.

von Kathrin Henneberger

veröffentlicht am 23.05.2024

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Bunte Banner und laute Sprechchöre waren am Freitagmittag, dem vorletzten Tag der Weltbank Frühjahrstagung in Washington zu hören. Die Forderungen „Stop Funding Fossil Fuels“ bis „Cancel the Debt“ wurden zu den hohen grauen Gebäuden gerufen. Eine vielfältige Gruppe aus Vertreter:innen und zivilgesellschaftlichen Akteuren unterschiedlichster Weltregionen fand sich zusammen, um ihre Stimmen gemeinsam zu erheben.

Zu den Akteuren, die sich besonders mit Steuergerechtigkeit, Schulden und globalen Finanzströmen beschäftigen, sind in den letzten Jahren immer mehr Menschen aus der globalen Klimagerechtigkeitsbewegung hinzugekommen. Welche Infrastruktur finanziert, wie Gelder verteilt und Schulden abgebaut werden – das sind die Fragen, die über eine „Just Transition“, eine gerechte Transformation, entscheiden werden.

Klimafinanzierung ist der Schlüssel

Die nächste Weltklimakonferenz wird eine Finanzierungskonferenz. Konkret bedeutet dies, dass ein ambitioniertes neues internationales Klimafinanzierungsziel („New Collective Quantified Goal“, NCQG) verhandelt wird. Insbesondere die Mobilisierung von zusätzlichem privatem und öffentlichem Kapital und eine Erweiterung des Geberländerkreises werden Kern von Konflikten sein. Es braucht mehr Mittel für die globale Unterstützung bei der Emissionsminderung und Anpassung an die Klimakrise sowie klimabedingter Schäden und Verluste.

Für Letzteres wurde auf der letzten Weltklimakonferenz ein Fonds ins Leben gerufen, dessen Sekretariat bei der Weltbank angesiedelt werden soll. Bis zur nächsten Weltklimakonferenz soll dieser stehen – aber Verhandlungen um die Bildung des entscheidungstragenden „Boards“ und Zugang auch für zivilgesellschaftliche Akteure gestalten sich kompliziert.

Bis jetzt hat die Weltbank auch immer noch nicht bestätigt, dass sie das Sekretariat bei sich aufnehmen wollen. Die Gelder werden aber von den am stärksten betroffenen Regionen und Bevölkerungsgruppen schon jetzt dringend benötigt – je länger sie warten müssen, desto größer wird das schon bestehende Leid von Menschen nach Wetterextremen oder durch Wüstenbildung oder Meeresspiegelanstieg.

Lindners Finanzpolitik gefährdet deutsche Glaubwürdigkeit

Deutschland hat 100 Millionen Dollar als Anfangsfinanzierung für den Fonds für Schäden und Verluste versprochen. Andere Länder haben deshalb auch nachgezogen und ebenfalls Geld auf den Tisch gelegt. Die aktuellen Diskurse um den deutschen Bundeshaushalt gefährden jedoch massiv auch den deutschen Anteil an der globalen Klimafinanzierung und bieten keinen Spielraum für Aufwüchse.

Würde Finanzminister Linder sich durchsetzen, wäre zum ersten Mal mit einem Absinken der deutschen Klimafinanzierung zu rechnen. Damit würde die Bundesregierung damit scheitern, die internationale Klimafinanzierung bis 2025 mit jährlich sechs Milliarden Euro zu bestücken. Leichtfertig und bewusst kann das der deutschen Glaubwürdigkeit auf dem internationalen Klimaparkett schaden und ermöglichen, dass auch andere Länder ihrer Verantwortung als Geldgeber in diesem Klimafinanzjahr nicht gerecht werden.

Eine eiskalte Stille herrschte, als bereits bei einem Zusammenkommen im Vorfeld der Frühjahrstagung ein Vertreter des Finanzministeriums vor Akteuren unterschiedlicher Länder, der Weltbank sowie privaten Geldgebern und zivilgesellschaftlichen Organisationen, verkündete, es würde in diesem Jahr knapp werden für Mittel der IDA (International Development Association). Die internationale Entwicklungsorganisation stellt Kredite für Armutsbekämpfung sowie beständig wachsend auch Klimafinanzierung zur Verfügung.

Die Forderung „Just Transition“ ernst nehmen

Über 700 Millionen Menschen müssen immer noch ohne Zugang zu Strom leben und sind damit besonders gefährdet von Armut und Chancenlosigkeit. Viele mehr leben mit eingeschränktem Zugang. Zentrale Aufgabe einer „Just Transition“, einer gerechten globalen Transformation, ist es, eine stabile und ausreichende Energieversorgung sicherzustellen – und zwar dezentral und erneuerbar. Dies ist auch die Forderung von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie „Don't Gas Africa“. Dafür benötigt es private wie staatliche Investitionen.

Regionen, die diese besonders benötigen, erreichen diese Finanzen aber leider am geringsten. So fließen nur zwei Prozent der weltweiten Investitionen für erneuerbaren Energien in den Kontinent Afrika. Zeitgleich liefern sich besonders europäische Energieunternehmen ein Wettrennen um die Erschließung neuer Gas- und Ölfelder. In Uganda, Mosambik, Namibia, Senegal, Mauretanien und nun auch in Nigeria, wo neben der bestehenden Ölförderung auch deutsche Unternehmen Erdgaslieferungen ermöglichen wollen.

Anstelle die Energiesicherheit der Bevölkerung in den Fokus zu rücken und damit für mehr Sicherheit und Resilienz zu sorgen, wird die alte koloniale Ausbeutung weitergeführt. Der alternative Nobelpreisträger Nnimmo Bassey aus Nigeria zeigte sich gegenüber der Tagesschau entsetzt über die Geschehnisse.

Keine direkte und indirekte Finanzierung von Fossilen!

Bereits auf der COP26 haben mehrere Staaten, darunter auch Deutschland, erklärt, bis Ende 2022 neue direkte Finanzierung für fossile Projekte einzustellen. Auf der COP28 hat sich die globale Gemeinschaft entschieden, eine Abkehr von allen fossilen Energien einzuleiten. Das gilt es jetzt umzusetzen – beginnend bei einem Ende der direkten und indirekten Finanzierung sowie staatlichen und privaten Investitionen in Energieinfrastruktur.

Seit 2019 verspricht die Weltbank beispielsweise, keine vorgelagerten Öl- und Gasprojekte mehr zu finanzieren. Ein Bericht aus 2022 zeigte auf, dass seit der Verabschiedung des Pariser Abkommens die Weltbank circa 15 Milliarden US-Dollar in fossile Projekte investiert hat.

Im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung haben wir diese Problematik vor Kurzem diskutiert: Bis Ende 2025 möchte die Weltbank 45 Prozent ihres Portfolios für Klimafinanzierung ausgeben. Gleichwohl belegen Studien, dass die Bank weiterhin direkt und indirekte fossile Projekte unterstützt. Insbesondere die Handelsfinanzierung der „International Finance Cooperation (IFC)“ der Weltbank steht hierbei in der Kritik: Die Nichtregierungsorganisation Urgewald schätzt, dass „im Geschäftsjahr 2022 3,7 Milliarden US-Dollar der IFC-Handelsfinanzierung in den Öl- und Gassektor geflossen sein könnten“.

Ein Ende der fossilen Finanzierung beginnt bei der Reformierung von großen Entwicklungsbanken wie der Weltbank. Sie muss vorangehen und Investitionen in fossile Infrastruktur auf die Ausschlussliste setzen. Außerdem braucht es insgesamt mehr Transparenz bezüglich der Ausgaben der Mittel. Die Weltbank befindet sich aktuell in einem Prozess der drastischen Reformierung und Deutschland als viertgrößter Anteilseigner der Weltbank hat hier eine große Verantwortung, um den Prozess voranzutreiben und gleichzeitig Mittel für wichtige Klimafinanzierung weiter aufzubauen.

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