Power-Point-Folien über die Mobilität von Morgen – egal ob auf der Veranstaltung eines Umweltverbandes oder der Automobilindustrie – weisen verblüffende Ähnlichkeiten auf. Solche Bilder sind stets durch sehr viel Grün gekennzeichnet. Eine große Zahl von zu Fuß Gehenden und Radfahrenden tummelt sich darauf auf breiten Fuß- und Radwegen. Hochmoderne Busse und Bahnen halten vor futuristischen Haltestellen aus denen sehr entspannt wirkende Menschen mit einem Lächeln im Gesicht aus- und einsteigen.
Nur hier und da – meistens im Hintergrund des Bildes – fährt vereinzelt ein E-Auto auf einer sehr schmalen Straße. Auf der Seitentür des Autos prangt natürlich das übergroße Logo irgendeines Carsharing- oder Ridepooling-Anbieters. Für den letzten Kick ist über solchen Szenarien oft noch schematisch ein Netz gezogen, bei dem diverse Icons von Smartphone und WLAN verdeutlichen sollen, dass hier alles voll vernetzt ist. Die Botschaft hinter den Bildern lautet immer: Die Mobilität der Zukunft ist sehr nachhaltig, hoch effizient, total sauber und vor allem absolut bequem. Man fühlt sich sehr behaglich, wenn man auf solche Bilder schaut.
Doch die Realität holt einen spätestens dann ein, wenn man sich auf dem Fahrrad oder in der Tram durch die verstopften Straßen deutscher Großstädte ins Büro schiebt. Nur hier und da ein Fleckchen Grün; Begegnungszonen kann man das nicht nennen. Radfahrende, die sich einen erbitterten Kampf mit Autofahrerinnen und Autofahrern um den Platz auf dem Asphalt liefern. Dort, wo sie vorhanden sind, überfüllte Radwege, die viel zu schmal, zugeparkt oder in einem miserablen Zustand sind. Verkehrssicher ist das nicht. An den Anzeigetafeln von Bus und Bahn blinken abwechselnd die Worte „Verspätung“ und „Delay“. Die Gesichter der wartenden Menschentraube an der Haltestelle sind eher ver- statt entspannt.
Geteilte Fahrten für weniger Verkehr
Auf breiten, oft mehrspurigen Straßen drängt sich eine endlos scheinende Blechkarawane. Nur ein kleines Stück der schönen neuen Welt ist übrig geblieben: An einigen der Auto- und Kleinbustüren finden sich immer häufiger die Logos von Carsharing- und Ridepooling-Anbietern, die wenigsten davon aber elektrisch. Auf dem eigenen Smartphone lädt vergeblich die Internetseite, von Vernetzung keine Spur. Auf dem Land hingegen ist der Verkehrskollaps zwar nicht so sichtbar, dafür das eigene Auto aber faktisch alternativlos, weil Bus und Bahn nur auf eine Stippvisite vorbeischauen.
Fakt ist: Zwischen Wollen und Sein liegen derzeit Welten. Wir müssen endlich anfangen, über die Verkehrswende nicht nur in bunten Power-Point-Präsentationen zu philosophieren, sondern sie in den Städten wie auch im ländlichen Raum umzusetzen. Ein wesentlicher Schritt hierzu ist die Reform des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG). Sie braucht Ziel und Vision. Das heißt: mehr und saubere Mobilität bei weniger Verkehr. Geteilte Mobilität muss zum Normalfall werden. Dabei müssen Bus und Bahn auch weiterhin Vorrang haben. Vor allem gilt es, Verlässlichkeit zu schaffen – sowohl für die Fahrgäste als auch für die vielen Fahrerinnen und Fahrer. Ein Bonus-Malus-System muss die Anbieter neuer Mobilitätsdienstleistungen anspornen, ihre Fahrzeuge maximal voll zu besetzen. Fahrzeuge auf Leerfahrten verstopfen anderenfalls unsere Straßen zusätzlich.
Und ja, die attraktivste Zielgruppe sämtlicher Mobilitätsanbieter lebt in den großen Innenstädten. „Nur die Innenstädte“ kann allerdings jeder. Denn viele Menschen auf engem Raum garantieren eine große Nachfrage, ein begrenztes Einsatzgebiet und eine hohe Zahlungsbereitschaft. Die eigentlichen Herausforderungen finden sich aber in den ländlichen Regionen und am Stadtrand sowie zu den Tagesrandzeiten und nachts.
Mobilitätsanbieter müssen verpflichtet werden, ihre Verkehrsdaten zu teilen
Die PBefG-Reform muss Antworten geben auf die Frage, wie Mobilität als Teil der Daseinsvorsorge für alle sichergestellt werden kann. Für eine solche erweiterte Mobilitätsgarantie muss im Personenbeförderungsrecht die Grundlage gelegt werden. Die Kommunen müssen in ihren Nahverkehrsplänen den kommunalen Verkehr skizzieren und absichern. Dabei sollen die Städte und Gemeinden künftig den Baukasten der verschiedenen – auch neuen – Mobilitätsangebote einfach nutzen und miteinander kombinieren können.
Zudem muss Inklusion von Anfang an mitgedacht werden. Was in Bus und Bahn in wenigen Jahren verpflichtend sein wird, muss auch für Taxi und neue Ridepooling-Anbieter gelten. Dabei beschränkt sich Inklusion nicht nur auf das Fahrzeug selbst. Auch in Hinblick auf virtuelle Haltestellen muss sichergestellt werden, dass mobilitätseingeschränkte Personen sicher ein- und aussteigen können.
Die Digitalisierung kann helfen, Effizienzpotenziale im Verkehr zu heben. Das heißt aber nicht, Uber und Co. bedingungslos einen Blankocheck für ihr Geschäftsmodell auszustellen. Jede Kommune wird künftig von mehr Mobilitätsangeboten profitieren können. Es gilt, diese sinnvoll zu verzahnen. Die Erhebung von Verkehrsdaten sowie die Einrichtung offener Schnittstellen bei allen Verkehrsunternehmen müssen rechtlich verbindlich geregelt werden. Das wird dazu führen, dass städtische Verkehrsplanung am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet werden kann. Dies wird den Menschen die Sicherheit geben stets von A nach B zu kommen – unabhängig von Alter, Einkommen und Wohnort.
Das derzeit bekannte Eckpunktepapier aus dem Bundesverkehrsministerium zeichnet sich hingegen vor allem durch viele Leerstellen aus. Unser Autorenpapier zur PBefG-Reform, das in diesen Tagen veröffentlicht wird, gibt Antwort auf diese Leerstellen.