Seit mehr als zehn Jahren wird in Deutschland die Einführung von Elektromobilität gefördert. Bisher beschränkte sich dieser Wandlungsprozess aufgrund einer eingeschränkten Angebotspalette von batterieelektrischen Fahrzeugen auf Pkw. Mit zunehmender Technologieverfügbarkeit geraten die Hersteller nun auch bei den Nutzfahrzeugen in Zugzwang, der steigenden Nachfrage nach lokal emissionsfreien Fahrzeugen im Wirtschaftsverkehr zu begegnen. Zugleich muss auch die Nutzfahrzeugsparte angesichts sich immer weiter verschärfender Flottengrenzwerte ihren Beitrag innerhalb der Herstellerportfolios leisten.
Wird jedoch die an Pkw ausgerichtete Ladeinfrastruktur in Deutschland den Anforderungen eines zukünftigen elektrischen Nutzfahrzeugmarktes gerecht? Wie könnten alternative Ladesysteme für Nutzfahrzeuge aussehen? Ich möchte diese Frage in drei Dimensionen beantworten: der Nutzerakzeptanz, der Wirtschaftlichkeit und der Netzdienlichkeit. Als alternative Ladeinfrastruktur möchte ich dabei Batteriewechselsysteme den bisherigen AC/DC-Systemen gegenüberstellen.
Im Pkw-Sektor sind Wechselsysteme seit der Insolvenz der Firma Betterplace im Jahr 2013 politisch als weiterhin nicht durchsetzbar einzuschätzen. Für Nutzfahrzeuge könnten sie aber eine Reihe von Vorteilen in den vorgenannten Bewertungsdimensionen eröffnen. Noch immer orientiert sich die Akzeptanz von Elektromobilität zumeist an dem, was die Nutzer vom Verbrennungsmotor kennen: hohe Reichweiten, kurze Ladezeiten. Der Markt hat reagiert: Lag die mittlere Batteriekapazität vor zehn Jahren noch unter 20 kWh, liegt sie heute bei über 40 kWh. Zudem sind die meisten Neufahrzeuge (zumindest optional) schnellladefähig.
Selbst kurze Ladezeiten bei Nutzfahrzeugen kaum vermittelbar
Der Komfort hat jedoch seinen Preis. Große Batteriekapazitäten und DC-Ladeschnittstellen erhöhen die Listenpreise merklich. Ebenso wie die regelmäßige Nutzung von Schnellladepunkten die laufenden Betriebskosten auf einem hohen Niveau hält. Wer diese Entwicklung in den stark kostensensiblen, zeitkritischen Nutzfahrzeugsektor extrapoliert, stellt fest, dass hier hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und Nutzerakzeptanz von elektrischen Nutzfahrzeugen ein großes Markthemmnis besteht. Besonders im Schwerlastverkehr, wo neben den erforderlichen Batteriekapazitäten auch noch eine wesentlich höhere Fahrzeugfahrleistung hinzukommt.
Hier könnte sich neben dem Faktor Wirtschaftlichkeit durch hohe Anschaffungs- und Betriebskosten auch noch der Faktor Zeit durch lange oder häufige Ladevorgänge als Problem erweisen. Selbst kurze Ladepausen im Bereich von 20 bis 40 Minuten sind hier bei den meist sehr eng getakteten Umläufen kaum vermittelbar – schon gar nicht mehrmals am Tag. In den kleineren Nutzfahrzeugsegmenten konkurriert die Batteriekapazität zudem mit der Zuladungskapazität des Fahrzeugs.
Batteriewechselsysteme hingegen bieten Ladezeiten von wenigen Minuten, unabhängig von der Kapazität oder dem Ladezustand der zu tauschenden Batterie. Der Aufenthalt an der Wechselstation ist dadurch planbar, die Nutzerakzeptanz hoch. Im Gegensatz dazu gleicht die Anfahrt von gut frequentierten Ladepunkten mit aktuellen Elektro-Pkw oftmals einem Glücksspiel: Wie viel kWh hat das Fahrzeugmodell vor mir verbaut und was war wohl dessen Ladezustand bei Ankunft?
Wechselbatterien ließen sich zudem problemlos in die ohnehin stark modularisierten Modellpaletten im Nutzfahrzeugsegment einbinden und damit die Wirtschaftlichkeit für den Kunden erhöhen. So könnte selbst das Basismodell eines Fahrzeugs mit Aufnahmesystemen für beispielsweise drei Wechselbatterien ausgerüstet, aber nur mit einer Batterie ausgeliefert werden. Steigt der Mobilitätsbedarf des Nutzers, kann er zu einem späteren Zeitpunkt zu lediglich den Kosten eines Batteriemoduls die Reichweite seines Fahrzeugs erhöhen. Auch unter ökologischen Gesichtspunkten ein echtes Plus, stellen die immer weiter steigenden Batteriekapazitäten aufgrund ihres Herstellungsaufwands schon heute den Klimavorteil von Elektrofahrzeugen in Frage. Auch die Wirtschaftlichkeit auf Seiten der Infrastrukturbetreiber könnte bei Batteriewechselstationen steigen.
Ausbau von Schnellladeinfrastruktur passiert nur an zentralen Punkten
Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Betrieb von Schnellladeinfrastruktur aktuell noch kein tragfähiges Geschäftsmodell darstellt. Der Ausbau wird daher weiter nur an Magistralen und zentralen Punkten stattfinden, wo neben einer hohen Nutzungsfrequenz auch der Zugang zu einem hinreichend großen Netzknoten des Elektrizitätsnetzes gegeben ist. Diese Bedingungen stehen aber der nötigen Verfügbarkeit von Lademöglichkeiten in der Peripherie entgegen. Größere Logistikdepots außerhalb der Ballungsräume werden schnell vor der Herausforderung stehen, sehr hohe Netzanschlusskosten zu bezahlen oder ein Lastmanagement einzusetzen, was wiederum die zeitliche Planbarkeit von Ladevorgängen für die Fahrer einschränkt.
Batteriewechselstationen bieten die Möglichkeit, sich flexibel der vorhandenen Netzinfrastruktur anzupassen. Ist diese schwach, kann ein niedriger Energiedurchsatz über die Anzahl der vorgehaltenen Batterien abgefangen werden. Bei guter Netzinfrastruktur hingegen können Wechselstationen als Speicher für überschüssigen erneuerbaren Strom im Netz dienen (ein Konzept, das sich bei Fahrzeugen, Stichwort „rollende Speicher”, nie durchgesetzt hat). Batteriewechselsysteme ermöglichen damit die netzdienliche Anbindung von Ladeinfrastruktur an die bestehenden Elektrizitätsnetze und tragen über die Möglichkeiten des Lastabwurfs zudem zum weiteren Ausbau der Erneuerbaren bei.
Perspektivisch ließen sich bei ausreichend großem Speicher sogar Netzdienstleistungen als zusätzliches Geschäftsmodell parallel realisieren. So betreibt Vattenfall bereits profitabel große Speicher aus Fahrzeugbatterien zur Bereitstellung von Regelenergie. Die Angst der Hersteller, durch die Einführung von Batteriewechselsystemen nach der Software einen weiteren Teil der Wertschöpfungskette zu verlieren, ist im Nutzfahrzeugsegment unberechtigt. Gerade im Schwerlastverkehr findet die markenseitige Differenzierung vielmehr über die Leistungsmerkmale des Fahrzeugs sowie die Gestaltung der Fahrerkabine als Arbeitsplatz statt.