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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Buschmanns Reform ist ein logischer Schritt

Christian Janeczek, Anwalt für Verkehrsrecht bei Roth und Partner in Dresden und Freital sowie Mitglied im Verkehrsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins
Christian Janeczek, Anwalt für Verkehrsrecht bei Roth und Partner in Dresden und Freital sowie Mitglied im Verkehrsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins Foto: Promo

Dass die Unfallflucht strafbar ist, die Flucht nach Vandalismus aber nicht, ist widersinnig. Die Regelung behindert darüber hinaus tendenziell eher die Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche. Zudem ist das Verharren am Unfallort oft gefährlich.

von Christian Janeczek

veröffentlicht am 15.05.2023

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Die von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) geplante Entkriminalisierung der Unfallflucht ist ein sinnvoller, wie logischer Schritt. Während grundsätzlich die Schadenherbeiführung unter Strafe gestellt wird, wollte der Gesetzgeber mit dem unerlaubten Entfernen vom Unfallort das Nachtatverhalten nach der Schadenherbeiführung unter Strafe stellen. Dieser Ausnahmecharakter im deutschen Strafrecht mündete nicht nur in einer kompliziert verständlichen Norm, sondern auch darin, dass das Rechtsgut der Norm immer wieder verkannt wird.

Schutzzweck der Vorschrift ist nämlich gerade nicht, einer besseren Strafverfolgung zu dienen und fahruntüchtige Kraftfahrzeugführer aus dem Straßenverkehr zu nehmen. Schutzzweck der Norm ist auch nicht die Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Verhinderung von Trunkenheitsfahrten. Sie dient vielmehr ausschließlich der Beweissicherung hinsichtlich der aus dem Unfall erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüche Geschädigter gegeneinander und der Abwehr unberechtigter Ansprüche. Sofern also gegen die Entkriminalisierung ins Feld geführt wird, dass dies ein Freifahrtbrief für fahruntüchtige Kraftfahrzeugführer wäre, kann dieses Argument bereits nicht gelten, da die Entdeckung dieser nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst ist.

Unfallflucht als Straftat, Flucht nach Vandalismus nicht

Nun könnte man auf den Gedanken kommen, dass die Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche ein ausreichendes Argument dafür sei, ein Fehlverhalten unter Strafe zu stellen. Dies gilt jedoch nur auf den ersten Blick. Wenn ein Täter versehentlich mit seinem Fahrzeug gegen ein anderes Fahrzeug fährt und dann die Unfallstelle verlässt, soll er bestraft werden, während der Täter, der ein Fahrzeug als Fußgänger zum Beispiel absichtlich beschädigt, für die Flucht nicht bestraft wird.

Hier sieht offensichtlich der Gesetzgeber auch keine Notwendigkeit, zum Schutz zivilrechtlicher Ansprüche den Täter zum Verbleiben am Tatort durch Strafe zu bewegen. Warum soll dann die Flucht von einer Tat, die nur eine Ordnungswidrigkeit darstellt, unter Strafe gestellt werden, insbesondere wenn der Schaden „nur“ ein Sachschaden ist? Hierfür gibt es kein überzeugendes Argument.

Mehr nachträgliche Unfall-Meldungen bei Straffreiheit

Wenn Schutzzweck der Norm richtigerweise einzig und allein der Schutz zivilrechtlicher Ansprüche ist, kann es doch vielmehr nur sinnvoll sein, wenn Derjenige, der zum Beispiel tatsächlich im betrunkenen Zustand einen Unfall verursacht hat und von der Unfallstelle flüchtet, durch straffreie nachträgliche Möglichkeit der Meldung seiner Beteiligung den Geschädigten zu Schadensersatz verhelfen kann, den er gegebenenfalls nicht erhält, wenn ein Täter bei einer nachträglichen Meldung mit Strafe zu rechnen hätte und darum den Schaden nicht meldet.

Dem Schutzzweck der Norm wird es daher vielmehr gerecht, statt einer Strafe für den von der Unfallstelle Flüchtigen eine neutrale Meldestelle einzurichten, bei der der Unfallflüchtige zumindest straffrei nachträglich seine Feststellungen nachholen kann.

Gefährliches Verharren an der Unfallstelle

Auch die Verkehrssicherheit kann deutlich verbessert werden. So ist zum Beispiel niemanden genau bekannt, wie lange ein Unfallbeteiligter bei einem Alleinunfall mit einem Baum oder einer Leitplanke nachts auf einer Landstraße oder einer Autobahn an der Unfallstelle verbleiben muss, bis er die Unfallstelle verlassen darf. Die Rechtsprechung ist äußerst inhomogen. Wer hier 30 Minuten verbleibt, schafft in diesen 30 Minuten eine Gefahr für sich und andere Verkehrsteilnehmer, selbst dann, wenn er die Unfallstelle ordnungsgemäß sichert.

Auch hier dem Unfallbeteiligten zu ermöglichen, die Unfallstelle zu verlassen, um nachträglich straffrei die Feststellungen zu ermöglichen, ist zum einen zu begrüßen und lässt es deutlich wahrscheinlicher werden, dass eine solche straffreie nachträgliche Meldung tatsächlich erfolgt, als wenn der Meldende nachträglich mit Strafe rechnen müsste. Auch hier wird wiederum dem Schutzzweck der Norm gedient.

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