Die Maßnahmen Deutschlands gegen den Klimawandel reichen nicht aus. Das hat jüngst wieder der Klimarat festgestellt. Bis 2030 wird Deutschland 331 Millionen Tonnen Kohlendioxid mehr ausstoßen, als es das Klimaziel der Regierung vorsieht. Negativ fällt hier insbesondere der Verkehrssektor auf. Bereits zum zweiten Mal hintereinander hat er sein Sektorziel verfehlt, und auch hochgerechnet bis 2030 wird die Lücke zum Ziel noch 187 Millionen Tonnen CO2 betragen.
Weltweit ist der Verkehrssektor für mehr als 20 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Hauptverursacher ist zwar der Kraftfahrzeugverkehr, mit mehr als drei Prozent ist der Anteil des Luftverkehrs dennoch signifikant. Es ist ganz klar: Ohne ein sofortiges und wirkungsvolles Umsteuern in allen Verkehrssektoren werden wir die Pariser Klimaziele niemals erreichen.
Für den Kraftfahrzeugbereich ist der Weg der Dekarbonisierung weitgehend entschieden. Die Zukunft liegt in der Elektrifizierung der Flotten, sei es über Batterien oder Brennstoffzellen. Anders im Bereich Luftfahrt: Elektrisch oder über Wasserstoff betriebene Flugzeuge wird es auf absehbare Zeit nicht geben – jedenfalls nicht auf der Langstrecke.
Strombasierte Kraftstoffe sind viel teurer als Kerosin
Die Dekarbonisierung in diesem Bereich wird nur über den Einsatz nachhaltiger, das heißt mit erneuerbaren Energien gewonnener synthetischer Kraftstoffe gelingen, sogenannter Sustainable Aviation Fuels (SAF). Der Vorteil: SAF kann in den vorhandenen Flugzeugen eingesetzt werden, ohne dass es Nachrüstungen bedarf. Die vorhandene Flotte kann weiter fliegen – bis zu 50 Prozent des fossilen Kerosins können durch synthetisches ersetzt werden.
Vor allem den PtL-Kraftstoffen („Power to liquid“), also strombasierten nachhaltigen Kraftstoffen, gehört die Zukunft. Sie haben das Potenzial, die Luftfahrt bis Mitte des Jahrhunderts CO2-neutral zu machen, denn sie reduzieren die CO2-Emissionen im Vergleich zu konventionellem Kraftstoff um 100 Prozent. Das Problem: SAF ist um ein Vielfaches teurer als fossiles Kerosin.
Der Bedarf ist riesig, bislang gibt es allerdings kaum Produktion, da die Abnahme aufgrund der Preiskonkurrenz zum fossilen Kraftstoff ungesichert ist. Die dringend erforderlichen – sehr hohen und langfristigen – Investitionen in Produktionsanlagen sind bislang ausgeblieben. Der weltweite Markthochlauf, der die notwendigen Skaleneffekte zur Preissenkung mit sich bringen würde, ist derzeit nicht erkennbar.
Wenn die Luftfahrt durch den Einsatz von SAF zur Reduktion von CO2-Emissionen beitragen soll, bedarf es jetzt klarer politischer Signale und Rahmenbedingungen, die die notwendigen Investitionen anreizen und den Markthochlauf ermöglichen.
Deutsches Know-how nicht wieder ans Ausland verlieren
Hier ist auch die Bundesregierung gefordert. Deutschland muss zur Produktion des weltweiten Bedarfs beitragen. Das ist auch industriepolitisch geboten. Beginnend beim Chemie-Anlagenbau über Start-ups, die Elektrolyseure entwickelt und aufgebaut haben, bis hin zu jungen Unternehmen, die sich im Bereich der PtL-Produktion spezialisiert haben: Wir haben bei uns in Deutschland das technologische Know-how, um die gesamte Prozesskette der PtL-Kerosinproduktion abzubilden. Das dürfen wir nicht ans Ausland verlieren, sondern müssen es direkt bei uns skalieren.
Wenn sich diese Technologien erst zur Marktreife entwickelt haben, können Sie auch in andere Länder exportiert werden, in denen mehr Sonne und Wind zur Verfügung stehen. Wir sollten zudem nicht darauf vertrauen, dass im Ausland zu jeder Zeit genügend PtL-Kerosin produziert wird, welches dann nach Deutschland geliefert wird. Der Bedarf ist weltweit hoch, Kapazitäten überall knapp. Die vergangenen Jahre haben uns gezeigt, dass wir unsere Abhängigkeiten vom Ausland, gerade was Energie- und Rohstoffversorgung angeht, reduzieren müssen.
Die Luftfahrtindustrie hat sich mittlerweile klar zur Dekarbonisierung bekannt. Die großen Luftfahrtunternehmen – sei es im Passagierbereich, sei es im Cargobereich – haben sich ehrgeizige Reduktionsziele gesetzt. Dafür brauchen sie ausreichende Mengen an PtL-Kerosin! Es ist glasklar, dass wir die knappen Ressourcen zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe und zum weiteren Aufbau von Produktionskapazitäten vorrangig für die Dekarbonisierung des Luftverkehrs zur Verfügung stellen müssen. Die Arbeit im Arbeitskreis klimaneutrale Luftfahrt der Bundesregierung (AKKL) hat in den vergangenen Monaten für mich eindeutig gezeigt: Wir müssen in Deutschland Produktionskapazitäten für PtL-Kerosin aufbauen und brauchen hierfür das klare Bekenntnis der Bundesregierung.
Roadmaps in die Realität umsetzen
Der Staat muss neue Instrumente erarbeiten und etwa durch Private Public Partnerships, Garantien für Offtake-Agreements und zinsgünstige Nachrangdarlehen den Produzenten und Investoren unter die Arme greifen. Zugleich brauchen wir einzelne, staatlich geförderte „Breakthrough-Projekte“, die in Deutschland eine Initialzündung für den Produktionshochlauf darstellen können und der PtL-Produktion „zum Durchbruch“ verhelfen. Diese Projekte können beweisen, dass auch in Deutschland die PtL-Produktion in industriellem Maßstab möglich ist – gelingt das, dann werden sich immer mehr Investoren bereiterklären, in neue Anlagen zu investieren.
Nachhaltigkeitsziele und Roadmaps gibt es mittlerweile genug. Jetzt muss es darum gehen, wie wir diese Ziele tatsächlich erreichen und die Roadmaps in die Realität umsetzen können. Wenn ein Signal von der heutigen Nationalen Luftfahrtkonferenz ausgehen muss, dann, dass Deutschland jetzt den PtL-Turbo einschaltet.