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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Die Infrastrukturgesellschaft muss durchfinanziert sein

Heike Moll, Vorsitzende Gesamtbetriebsrat DB Station & Service, und Thomas Brandt, Vize-Vorsitzender Gesamtbetriebsrat DB Netz
Heike Moll, Vorsitzende Gesamtbetriebsrat DB Station & Service, und Thomas Brandt, Vize-Vorsitzender Gesamtbetriebsrat DB Netz Foto: Promo

Die Zusammenlegung der Bahntöchter DB Netz und DB Station & Service ist der kleinste gemeinsame Nenner der Ampel-Koalition. Doch eine neue Infrastrukturgesellschaft allein wird die Probleme der Bahn nicht beheben. Nur mit einer neuen Finanzierungsarchitektur kann die Strukturreform gelingen.

von Heike Moll und Thomas Brandt

veröffentlicht am 15.02.2023

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Die Regierungskoalition von SPD, Grünen und FDP hat sich in den Koalitionsverhandlungen vorgenommen, eine „gemeinwohlorientierte Infrastruktursparte“ innerhalb der Deutschen Bahn AG zu schaffen. Zu diesem Zweck sollen die DB Netz AG sowie die DB Station & Service AG „zusammengelegt“ werden.

Es soll also die Betreiberin von über 33.000 Schienenkilometern inklusive Signalanlagen mit der Betreiberin von circa 5400 Bahnhöfen, Haltepunkten und Verkehrsstationen zusammenkommen. In beiden Unternehmen arbeiten über 60.000 Menschen in Deutschland. Ein solches Vorhaben ruft dann auch die Interessenvertretung dieser Mitarbeitenden auf den Plan.

Die angekündigte Infrastruktursparte ist nur der kleinste gemeinsame Nenner zwischen den Verfechtern einer Zerschlagung der Bahn von Bündnis 90/Die Grünen sowie der FDP und den Positionen der gewerkschaftsnahen SPD. Die aktuelle Debatte zur Organisation der Eisenbahninfrastruktur löst aber kein einziges Problem für den Reisenden und schafft nicht die Voraussetzungen für den notwendigen Beitrag zur Klimawende.

Das Problem ist die Unterfinanzierung

Denn mit der Fusionsdebatte wird der Blick auf die Ursachen der zum Teil desaströsen Pünktlichkeitswerte insbesondere im Fernverkehr nur verschleiert. Hauptursache ist nämlich die jahrzehntelange Unterfinanzierung von Gleisanlagen, Eisenbahnbrücken, Bahnhöfen und Stellwerken. Der Nachholbedarf unterlassener Ersatzinvestitionen seit 1994 steigerte sich bis 2019 auf nahezu 60 Milliarden Euro – die seitdem stark gestiegenen Rohstoff- und Baupreise sowie die aktuelle Inflationsspirale sind darin noch nicht einmal enthalten.

In den Jahren seit der ersten Bahnreform hat die Finanzierung des Bundes nicht ein einziges Mal den tatsächlichen Ersatzbedarf gedeckt. Die Baukostenzuschüsse sind immer nur ein schlechter Kompromiss zwischen dem, was nötig ist und den bewilligten Steuermitteln. Wenn das Familienauto vier neue Stoßdämpfer braucht aber mit Blick in die Geldbörse nur zwei neue Stoßdämpfer eingebaut werden, dann fährt das Auto noch weiter – die Panne ist aber programmiert.

Dabei gibt es seit 2019 über die sogenannte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III (LuFV III) schon deutlich mehr Geld für Ersatzinvestitionen im Schienennetz. „Paradoxerweise führt mehr Geld für die Schiene erst einmal zu weiteren Kapazitätseinschränkungen.

Das Geld muss ja im laufenden Betrieb verbaut werden und diese Baustellen verstärken in der Bauzeit die Beeinträchtigungen. Die Entlastungen sind erst viel später spürbar. Dieser zeitliche Versatz zwischen Investition und positiver Wirkung macht Zuschüsse in die Eisenbahninfrastruktur für die Politik so unattraktiv.

Es braucht eine neue Finanzierungsarchitektur

Aus diesem Grund hat die zuständige Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) auch verlauten lassen, dass vor einer Organisationsdebatte eine neue Finanzierungsarchitektur für das Schienennetz mit dem Bund vereinbart werden muss. Zudem brachte ein Vorstandsmitglied der Gewerkschaft weitere DB-Gesellschaften mit ins Spiel, die im Thema „gemeinwohlorientierte Infrastruktur“ mit betrachtet werden müssten.

Besonders in Zeiten, in denen der Frieden in Europa so fragil ist, müssen alle Leistungen entlang von Planung, Bau und Betrieb der kritischen Infrastruktur Schiene in einem schlüssigen Konzept zukunftssicher aufgestellt werden. Einen undurchdachten Schnellschuss, um politische Handlungsfähigkeit zu suggerieren, werden wir nicht mittragen. Es braucht einen breiten gesellschaftlichen Konsens, was das Eisenbahnsystem in Deutschland leisten soll und daraus müssen nachhaltig ausfinanzierte, infrastrukturelle Ziele abgleitet werden.

Die angestrebte Organisationsveränderung löst keine Probleme und provoziert erst einmal einen Stillstand. Von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) wünschen wir uns, dass er das Schienensystem und die Bahnhöfe mindestens genauso protegiert, wie das bei den  Bundesautobahnen der Fall ist.  Dann würde das auch mit der Verkehrs- und Klimawende klappen.

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