Als wir vor zehn Jahren gemeinsam den Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft gegründet haben, lag die Liberalisierung des weltweiten Luftverkehrs bereits viele Jahre zurück. Aber im politisch-öffentlichen Raum wurde Luftverkehr an vielen Stellen immer noch so verstanden, wie er Jahrzehnte lang Bestand hatte: ein staatlich gelenkter Verkehrssektor mit administrierten Preisen und einem staatlich gelenkten Verkehrsnetz – so wie das im Bereich des Eisenbahnverkehrs bis heute der Fall ist oder so, wie wir bis heute das Netz von Autobahnen und Fernstraßen kennen.
Aber Luftverkehr funktioniert seit der Liberalisierung der 1990er-Jahre völlig anders. Der weltweite Luftverkehr organisiert sich in einem internationalen Wettbewerb der Luftverkehrsdrehkreuze und der weltweit operierenden Fluggesellschaften. Wenn Sie heute von Hamburg nach Hongkong wollen, dann bieten zahlreiche Fluggesellschaften Umsteigeverbindungen an. Sie können mit Emirates über Dubai dorthin fliegen, mit Turkish Airlines über Istanbul, mit Air France über Paris oder mit Lufthansa über Frankfurt oder München. Dieser Wettbewerb ist intensiv. Und die Kunden achten mehr denn je auf den Preis.
Wie aber lässt sich dieser Wettbewerb in einem fairen Rahmen praktizieren? Wie lassen sich Sicherheit, Qualität und Umweltschutz in einem solchen internationalen Wettbewerbsumfeld sicherstellen? Und wie lässt sich Luftverkehr besser mit den Anforderungen des Klimaschutzes in Einklang bringen? Dies sind Fragen, die wir als Branche zusammen mit der Politik klären und guten Lösungen zuführen wollen.
Ein Dachverband für die Branche
Weil dieser liberalisierte Verkehrsträger sich international und dabei in einem weltweiten Wettbewerbsmarkt bewegt, müssen diese Lösungen international verbindlich sein. Dafür sind mit der staatlichen internationalen Luftfahrtorganisation ICAO Institutionen und Verfahren geschaffen worden, wo Standards und Vorschriften für den Luftverkehr festgelegt werden. Die nationalen und EU-Behörden wirken hier mit.
Und wir sehen unsere Mitwirkung dabei als gemeinsame Aufgabe der gesamten Luftverkehrsbranche. Wir, Flughäfen und Fluggesellschaften gemeinsam mit der Deutschen Flugsicherung und weiteren Leistungserbringern im deutschen Luftverkehr, haben vor zehn Jahren die Entscheidung getroffen, dass wir diese Herausforderungen zusammen angehen wollen – in einem gemeinsamen Verband, dem BDL.
Was haben wir auf den Weg gebracht? Diese Frage stellen wir heute nach dem dramatischsten Einbruch des Weltluftverkehrs seit seinem Bestehen. Ich war persönlich bei der Gründung des BDL engagiert. Heute freue ich mich, als Präsident des BDL aktiv weiter mitgestalten zu können. Das Wichtigste aus meiner Sicht ist: Wir haben von Beginn an daran gearbeitet, wie wir die ökologische Nachhaltigkeit des Luftverkehrs stärken können.
Es darf keine Pause beim Klimaschutz geben
Das mag banal klingen. Aber unter den Bedingungen eines knallharten internationalen Wettbewerbs Lösungen für ökologische Nachhaltigkeit zu finden, ist in keiner Weise banal. Im Gegenteil: Es erfordert genaue Kenntnis der Funktionsweise internationaler Verkehrsmärkte und gleichzeitig eine glasklare Orientierung darauf, dass alle Wirtschaftsbereiche aktiv an der ökologischen und sozialen Zukunftsgestaltung mitwirken müssen.
Das war unser gemeinsames Verständnis bei Gründung des BDL, und das gilt bis heute. Auf dem Höhepunkt des dramatischen Einbruchs des Luftverkehrs haben wir im Dezember des vergangenen Jahres unsere Vorschläge für mehr Klimaschutz im Luftverkehr vorgelegt, weil wir wissen, dass der Luftverkehr wieder deutlich zunehmen wird und weil es deswegen keine Pause beim Klimaschutz geben darf.
Wegweisend ist für uns dabei eine nüchterne Reflektion der Funktionsweise der Luftverkehrsmärkte: Klimaschutz im Luftverkehr kann nur funktionieren, wenn er wettbewerbsneutral organisiert ist. Alles andere führt nur zu Wettbewerbsverzerrungen und damit zu dem klimapolitisch höchst kontraproduktiven Carbon Leakage. Egal ob Steuern, Abgaben oder Beimischungsquoten für nachhaltige Kraftstoffe – immer müssen die Instrumente so angelegt sein, dass sie nachhaltig wirksam sind und nicht lediglich Verkehr und Emissionen zu den Luftverkehrsdrehkreuzen am Bosporus oder im Nahen Osten verlagern. Das gehört zum Kern einer wirklich wirksamen Klimaschutzstrategie.
BDL-Strukturen haben sich in der Coronakrise bewährt
Ebenso gemeinsam, wie wir uns als BDL für die ökologische Nachhaltigkeit des Luftverkehrs engagieren, haben wir auf anderen Feldern gewirkt – etwa bei der Effizienz der Luftsicherheitskontrollen und bei der Behebung von Kapazitätsengpässen im Jahr 2018, in dem es viele Verspätungen gab. Ein Kernthema der Arbeit unter dem Dach des BDL war stets auch die Schaffung eines fairen Wettbewerbsrahmens, in dem für alle Marktteilnehmer vergleichbare fiskalische und regulative Rahmenbedingungen gelten. Hier haben wir gemeinsam viel erreicht, allerdings bleibt für ein wirkliches Level-Playing-Field im internationalen Wettbewerb auch noch einiges für die kommenden Jahre zu tun.
In der Coronakrise, die unsere Branche mit am heftigsten getroffen hat, konnten wir auf die bestens erprobten Strukturen der Zusammenarbeit im BDL zurückgreifen und innerhalb kürzester Zeit so wichtige Fragen wie die nach einem gesundheitlich sichereren Flugbetrieb unter Pandemiebedingungen und auch nach belastbaren Alternativen zu pauschalen Quarantänebestimmungen beantworten und entsprechende Konzepte zusammen mit den Behörden erfolgreich implementieren.
Mit den zehn Jahren Erfahrung an guter Zusammenarbeit der Luftverkehrsbranche im BDL sehe ich heute den BDL als Role Model einer Zusammenarbeit der Luftverkehrswirtschaft auch auf europäischer Ebene. Hier ist noch ein Weg zu gehen. Aber auch hier stehen die Signale auf Kooperation.