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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Eine Lkw-Maut für den Klimaschutz

Matthias Runkel, wissenschaftlicher Referent Verkehrspolitik, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft
Matthias Runkel, wissenschaftlicher Referent Verkehrspolitik, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft Foto: promo

Nächsten Dienstag tagt der EU-Verkehrsministerrat zum letzten Mal unter deutscher Ratspräsidentschaft. Das Verkehrsministerium wäre gut beraten, der Revision der Eurovignetten-Richtlinie nicht länger im Weg zu stehen, schreibt Matthias Runkel vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft. Eine nach CO2-Ausstoß differenzierte Lkw-Maut, in Ergänzung zu einem angemessenen CO2-Preis, sei für das Erreichen der Klimaschutzziele im Verkehr eine der zentralen Maßnahmen.

von Matthias Runkel

veröffentlicht am 02.12.2020

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Die Zahl der Lkw auf den Straßen nimmt seit Jahren zu, und trotz technologischer Fortschritte steigen die Treibhausgasemissionen. Im Verkehrssektor sollen sie bis zum Jahr 2030 von aktuell über 160 auf 95 Millionen Tonnen pro Jahr sinken – eine Reduktion von rund 40 Prozent gegenüber 1990. Erreicht wurden in den vergangen drei Jahrzehnten 0,1 Prozent. Nun bleibt also ein letztes Jahrzehnt, um die fehlenden Fortschritte der vorherigen dreißig Jahre zu kompensieren. 

Eine geeignete Maßnahme dafür ist die Reform der Lkw-Maut. Intelligent ausgestaltet kann die Maut zur notwendigen Verkehrsvermeidung beitragen, die Verlagerung auf umweltfreundlichere Verkehrsträger fördern und die Verbesserung der Fahrzeugflotte beschleunigen. Mit einer ambitionierten Reform in Deutschland können nach Schätzungen fast sieben Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen eingespart werden – immerhin zehn Prozent der bis 2030 nötigen Einsparungen. Die Reform der Lkw-Maut wäre ein wichtiger Baustein für mehr Klimaschutz im seit Jahren wachsenden Straßengüterverkehr.

Derzeit gilt die Maut für Lkw ab 7,5 Tonnen auf allen Autobahnen und Bundesstraßen. Der zu zahlende Mautsatz je Kilometer beinhaltet Infrastrukturkosten sowie externe Umweltkosten durch Luftverschmutzung und Lärmbelastung und differenziert dazu nach Achszahl und Schadstoffklasse des Fahrzeugs. Damit ist die Maut bereits heute ein intelligentes Instrument der Umwelt- und Verkehrspolitik. Mit Einnahmen in Höhe von über sieben Milliarden Euro trägt sie auch maßgeblich zur Infrastrukturfinanzierung bei.

Für klimaschädliche Lkw soll ab 2023 mehr Maut fällig werden

Was aber offensichtlich noch fehlt, ist die Berücksichtigung der externen Klimakosten. Das hat auch die Politik erkannt, und so soll die Maut gemäß Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung durch eine Differenzierung nach CO2-Ausstoß ergänzt werden. Das Ziel: Für klimaschädliche Lkw soll ab dem Jahr 2023 mehr Maut je Kilometer gezahlt werden, um Investitionen in emissionsärmere Antriebstechnologien und Fahrzeuge sowie die Verlagerung auf klimaschonendere Verkehrsträger anzuregen. 

Damit dies geschehen kann, müssen zunächst aber die europäischen Rahmenbedingungen verändert werden. Die sogenannte Eurovignetten-Richtlinie gibt vor, welche Kosten in welcher Höhe welchen Fahrzeugen angelastet werden können. Klimakosten sind aktuell noch nicht enthalten. Ein ambitionierter Revisionsvorschlag, der dies ermöglicht, wurde von der Europäischen Kommission bereits im Jahr 2017 vorgelegt, vom Europäischen Parlament überarbeitet und im Oktober 2018 abgesegnet

Seitdem liegt der von Politik, Logistikbranche, Wissenschaft und Verbänden mehrheitlich befürwortete Vorschlag beim Europäischen Verkehrsministerrat. Unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft hat die Bundesregierung die Aufgabe und Chance, diesen Prozess noch bis Ende 2020 entscheidend voranzutreiben. Ausgerechnet das deutsche Verkehrsministerium steht im Ministerrat bislang jedoch mit beiden Füßen auf der Bremse.

Gleich zu Beginn der Ratspräsidentschaft hatte Minister Andreas Scheuer (CSU) im Juli 2020 vorgeschlagen, die Richtlinie auf Pkw auszuweiten und somit überraschend die Einführung einer europaweiten Pkw-Maut forciert. Von vornherein war abzusehen, dass dieser Vorschlag am Widerstand der deutschen Bundesregierung, des EU-Rats und des Parlaments scheitern würde. In späteren Ratssitzungen strich das Ministerium den Tagesordnungspunkt zur Eurovignetten-Richtlinie kurzfristig von der Sitzungsagenda und verschleppt somit die wichtige Einigung.

Am 8. Dezember 2020 tagt der Verkehrsministerrat zum letzten Mal unter deutscher Ratspräsidentschaft. Das Verkehrsministerium wäre gut beraten, der Revision der Eurovignetten-Richtlinie nicht länger im Weg zu stehen und sich vielmehr den Fragen der nationalen Umsetzung und wirksamen Ausgestaltung zu widmen. 

Maut und Emissionshandel wirken komplementär

Bei der Einführung und Ausgestaltung einer CO2-Differenzierung zu berücksichtigen ist die Konsistenz mit dem nationalen Emissionshandel. Gemäß dem „Gesamtkonzept  klimafreundliche  Nutzfahrzeuge“ des Verkehrsministeriums sollen eine „Doppelbelastung“ des Güterkraftgewerbes und internationale Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden. Auch die Branche selbst befürchtet eine „Doppelbelastung“ aus CO2-Maut und CO2-Preis und fordert bereits Ausnahmen.

Maut und Emissionshandel wirken aber nicht doppelt, sondern komplementär: Sie ergänzen sich als unterschiedliche Formen der CO2-Bepreisung. Derzeit besteht eher die Gefahr, dass auch beide Instrumente zusammen keinen angemessen hohen Preis ergeben. Der vorgegebene Preiskorridor des nationalen Emissionshandels für die Jahre 2021 bis 2026 ist mit 25 bis maximal 65 Euro je Tonne CO2 viel zu gering. Und auch die geplanten CO2-Mautsätze bilden die tatsächlichen Klimakosten in Höhe von schätzungsweise 180 Euro bei Weitem nicht ab.

Die Instrumente funktionieren auch unterschiedlich und setzen unterschiedliche Anreize. Der Emissionshandel bepreist das in jedem Liter Kraftstoff enthaltene CO2 und setzt somit am tatsächlichen Verbrauch an. Der Nachteil: Deutsche Spediteure könnten im internationalen Wettbewerb einseitig belastet werden, weil der CO2-Preis (wie die Energiesteuer) an deutschen Tankstellen gezahlt wird. Ein vollgetankter, ausländischer Lkw kommt aber ohne Tankstopp durch Deutschland und spart sich möglicherweise die im Dieselpreis enthaltenen Kosten. Die zahlt er dafür übrigens in Nachbarländern, wo sie zum Teil schon heute höher sind als in Deutschland.

Für eine verursachergerechte Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur

Der Lkw-Maut hingegen „entkommen“ ausländische Lkw nicht und zahlen für jeden Kilometer, den sie auf deutschen Mautstraßen fahren – zukünftig differenziert nach fünf CO2-basierten Fahrzeugklassen: emissionsfrei, emissionsarm und drei Abstufungen von schlecht. Die Maut adressiert also weniger den tatsächlichen CO2-Ausstoß und bietet vor allem Anreize für Spediteure, klimafreundlichere Fahrzeuge anzuschaffen. Zusätzliche Anreize zur Verkehrsvermeidung oder Verlagerung auf die Schiene gibt es aber nur, wenn die Maut durch die CO2-Differenzierung auch absolut teurer wird.  

Eine nach CO2-Ausstoß differenzierte Lkw-Maut, in Ergänzung zu einem angemessenen CO2-Preis, ist für das Erreichen der Klimaschutzziele im Verkehr eine der zentralen Maßnahmen. Im wichtigen Transitland Deutschland würde sie sogar über die Grenzen hinaus wirken und obendrein die verursachergerechte Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur stärken. Das wird dringend nötig sein, wenn mit dem Verschwinden der Diesel-Lkw die Einnahmen aus der Energiesteuer verschwinden und gleichzeitig Investitionen in die Dekarbonisierung des Verkehrs getätigt werden müssen.

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