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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Elektrifizierung braucht den Doppelwumms

Alexander Vlaskamp, CEO von MAN Truck & Bus
Alexander Vlaskamp, CEO von MAN Truck & Bus Foto: promo

Die Ampel-Koalition hat mit einem CO2-Preis von 200 Euro in der Lkw-Maut ambitionierte Beschlüsse gefasst. Sie werden der Elektrifizierung schwerer Nutzfahrzeuge einen Schub geben. Ohne den ebenso engagierten Ausbau der Ladeinfrastruktur bleibt die Transformation aber auf der Strecke.

von Alexander Vlaskamp

veröffentlicht am 30.03.2023

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Noch können wir das gemeinsame gesellschaftliche Ziel erreichen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. So lautet das Fazit des kürzlich erschienenen Berichts des Weltklimarats. Dort heißt es aber auch, dass die Staaten dazu umgehend drastische Maßnahmen ergreifen und die CO2-Emissionen bis 2030 halbieren müssen. 

Nun haben die Koalitionspartner erste wegweisende Beschlüsse für die Nutzfahrzeugbranche auf den Weg gebracht. Die geplante stärkere Bepreisung des CO2-Ausstoßes von Lkw um 200 Euro je Tonne in der Maut ab Anfang 2024 wird, auch wenn sie etwa ein Jahr zu früh eingeführt wird, – um in der Terminologie von Kanzler Olaf Scholz zu bleiben – für einen „Wumms“ in der Branche sorgen. Die Elektrifizierung der schweren Nutzfahrzeuge dürfte dadurch einen zusätzlichen Schub erhalten, so die Umsetzung im Detail marktwirtschaftlich ausgestaltet wird und die Spediteure den Preis auch fakturieren können. 

Der „Doppelwumms“ bleibt jedoch aus, wenn nicht deutlich mehr Mittel als geplant in den Ausbau der E-Infrastruktur für Nutzfahrzeuge fließen. Die unterscheidet sich nämlich in Art und Ausgestaltung deutlich von der für die Pkw. Das Ambitionsniveau für den Ladeinfrastrukturausbau bei Lkw in der geplanten europäischen Gesetzgebung (AFIR), auf die sich jetzt in den Trilogverhandlungen verständigt wurde, bleibt allerdings hinter den Erwartungen zurück. 

Milliardeninvestitionen für die Elektrifizierung

Ein „Triple-Win“ für Transporteure, Nutzfahrzeughersteller und Gesellschaft durch den noch möglichen „Doppelwumms“ wird es am Ende nur, wenn die E-Fahrzeuge und auch die E-Infrastruktur möglichst flächendeckend auf Basis des Megawattcharging-Standards verfügbar und bezahlbar sind. 

Die Aufgabe ist nur im Zusammenspiel aller Akteure zu bewältigen: Europa soll bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden. Deutschland will das Ziel der Klimaneutralität schon 2045 erreichen. Der Transportsektor wird dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Bei MAN sollen ab 2040 alle neu verkauften Nutzfahrzeuge frei von fossilen Brennstoffen angetrieben werden. Bis 2030 soll die Hälfte der in der EU verkauften Fahrzeuge einen lokal emissionsfreien Antrieb haben. Wir müssen dem Klimawandel mit aller Kraft entgegentreten. Und das möglichst schnell.

Mit den von uns produzierten Lkw und Bussen werden wir einen entscheidenden Beitrag leisten und treiben deshalb die Elektrifizierung unserer Flotte mit Milliardeninvestitionen voran. Denn gerade dem Straßengüterverkehr kommt eine entscheidende Rolle bei der Senkung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor zu. Um es zu verdeutlichen: Die CO2-Emissionen aller MAN-Fahrzeuge weltweit entsprechen in etwa denen meines Heimatlandes, den Niederlanden.  

Nicht die Hersteller allein regulieren

2024 startet die Serienproduktion unserer batterieelektrischen Trucks. Deren Fertigung werden wir ab 2025 im großen Umfang hochskalieren. Schon 2030 wollen wir etwa die Hälfte unserer Neuwagenflotte elektrifiziert an unsere Kunden übergeben. Vorausgesetzt, – und das ist der alles entscheidende Faktor – die Nachfrage ist entsprechend hoch. Nur uns Hersteller zu regulieren, bringt uns bei der Erreichung der Klimaziele im Transportsektor keinen Zentimeter weiter.

Bei unseren Kunden handelt es sich anders als beim Pkw selten um Privatpersonen, sondern fast ausschließlich um Unternehmen. Kaufentscheidungen sind daher wenig emotional und fast ausschließlich markt- und kostengetrieben. Und solche Entscheidungen werden in der Regel sehr rational getroffen. Die Spediteure müssen diese für die Antriebstechnologien der Zukunft anhand von drei Kriterien treffen: Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit der Fahrzeuge. Den ersten Punkt haben wir als Hersteller selbst in der Hand. Es liegt an uns, die gewohnte Qualität zu liefern. Bei den anderen beiden Punkten ist allerdings (auch) die Politik in der Pflicht. 

Die 1,5 bis zwei Millionen Kilometer über ihre Lebensdauer können die schweren E-Lkw jedoch nur abspulen, wenn sie geladen werden können. Das Kriterium spielt für unsere Kunden bezüglich der Verfügbarkeit eine ebenso entscheidende Rolle. 

Der flächendeckende Ausbau von Megawatt-Charging-fähigen Ladesäulen entlang der Hauptverkehrsachsen in Europa muss darum jetzt unter Hochdruck vorangetrieben werden. Die Infrastrukturziele für den Lkw-Bereich, auf die sich nun in den EU-AFIR-Trilogverhandlungen verständig wurden, sind gemessen an den aktuell geplanten Hochlaufkurven der Hersteller deutlich zu unterambitioniert. Hier muss dringend nachgearbeitet werden.

Gesetzgeber muss Risikoaffinität fördern

Und auch in puncto Wirtschaftlichkeit benötigen wir jetzt schnell einen klaren Rahmen für alle europäischen Länder – denn die Lkw bleiben selten an den Grenzen stehen. Unsere Kunden werden nur dann im großen Stil vom Diesel-Lkw zum E-Truck wechseln, wenn es sich für sie rechnet. Damit die Antriebswende auch bei den Trucks gelingt, benötigen wir einen klaren Kostenvorteil für die E-Mobilität. Warum sonst sollten Spediteure ein für sie nur schwer abschätzbares Technologierisiko eingehen? Der Gesetzgeber jedoch muss Risikoaffinität fördern, um eine deutliche Senkung der CO2-Emissionen zu realisieren.

Dabei kommt dem CO2-Preis eine zentrale Steuerungsfunktion zu. Wenn CO2-Emissionen auch im Transportsektor für die Kunden unserer Kunden ein Preisschild bekommen, dann schließt sich eine wesentliche Kostenlücke im Vergleich des Diesel- zum E-Truck. 

Dieser CO2-Preis in Deutschland ist nun mit 200 Euro je Tonne über die CO2-Maut ambitioniert angesetzt. Wenn sichergestellt wird, dass die Mehrkosten weitergegeben werden können und somit für alle in der Gesellschaft gleichermaßen wirken, ist das ein wichtiger Schritt. Eines ist dabei aber auch klar: Klimafreundlichen Transport gibt es für die Gesellschaft nicht zum Nulltarif. 

In den Anfangsjahren benötigt die E-Mobilität auch im Nutzfahrzeugbereich etwas Anschubhilfe. Die geplante Verlängerung der Förderung der Zero-Emission-Fahrzeuge bis 2028 ist daher richtig. Der Vorschlag der EU-Kommission für die Emissionsnorm „Euro VII“ im aktuellen Stand ist hingegen absolut kontraproduktiv. 

Sollte die Norm im Gesetz für Lkw so wie derzeit vorgeschlagen Regelwerk werden, müssten wir allein bei MAN rund eine Milliarde Euro statt in alternative Antriebe in die Weiterentwicklung des Dieselmotors stecken. Hunderte Ingenieure müssten wir wieder mit der Entwicklung einer auslaufenden Technologie beschäftigen, statt die Antriebsformen der Zukunft weiterzuentwickeln. Das ist nicht im Interesse des Klimaschutzes.

Euro-VII- und CO2-Regulierung müssen in Richtung 2030 zwingend synchronisiert werden. Und der Aufbau der Infrastruktur darf von der Politik nicht vergessen werden: Klare und auch ambitionierte Ziele für den Nutzfahrzeugbereich und dazu noch Genehmigungsverfahren im „Deutschland-Tempo“ für megawattfähige Ladestationen wären ein Anfang. Sonst wird das nichts mit dem „Doppelwumms“ beim Lkw.

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