Angesichts der traurigen und grausamen Ereignisse in der Ukraine gilt mein Mitgefühl allen Opfern der Übergriffe Putins. Wie viele andere stelle auch ich mir die Frage: Was kann ich tun? Den Millionen von Flüchtlingen zu helfen ist eine Sache. Aber es gibt noch etwas, das wir alle tun können, um Putins Möglichkeiten zu schwächen, einen Krieg zu führen – nämlich seine Einnahmen aus dem Ölgeschäft mit Deutschland, das Russland täglich 65 Millionen Dollar einbringt, zu senken.
Was wichtig ist für die Gesamtbetrachtung: Es ist russisches Öl und nicht Gas, das den Großteil der russischen Einnahmen ausmacht. Im Jahr 2021 wurden 219 Millionen Barrel Öl durch unsere Autos verbrannt, wobei Öl aus Russland mehr als ein Viertel ausmachte. Nach Berechnungen von T&E verdiente Russland im vergangenen Jahr 5,8 Milliarden Dollar allein durch Deutschlands rund 47 Millionen Verbrenner. Somit ist es das Auto, das den meisten Deutschen als Mittel für die Schwächung von Putin und seinen Ölgeschäften zur Verfügung steht.
Vielleicht ist es vielen Autofahrer:innen nicht bewusst, aber jede:r von uns kann unmittelbar eine Menge dafür tun, um gegen den Krieg in der Ukraine zu protestieren: Wir können unnötigen Autoverkehr reduzieren und so die Nachfrage nach russischem Öl senken. Ein Tempolimit und der Umstieg auf den ÖPNV sind nur einige der Maßnahmen, die kurzfristig bereits eine große Wirkung haben können.
Langfristig bleibt jedoch nur eins: Wir müssen auf fossilfreie Mobilität umsteigen. Nur so wird sowohl Unabhängigkeit von Russland und weiteren undemokratischen Regimen wie Saudi-Arabien oder Iran erreicht als auch negative Effekte einer Diversifizierungsstrategie weg von Russland, wie z. B. mehr umweltschädliche Biokraftstoffe oder LNG, begrenzt.
Ambitioniertere Ziele gerade Anfang der 2020er-Jahre
Elektroautos sind dabei die zentrale Lösung. Fragwürdig ist jedoch, warum gerade ein Land wie Deutschland, das seine Ölimporte zu einem Drittel aus Russland bezieht und gleichzeitig einige der führenden Automobilindustrien der Welt vorweist, sich nicht vollumfänglich für den schnellstmöglichen Umstieg auf Elektromobilität einsetzt.
Dieser beschleunigte Umstieg auf rein batteriebetriebene Autos ist nur möglich, wenn in Deutschland auch genügend Elektroautos zur Verfügung stehen. Der primäre Treiber hierfür sind die europäischen Flottengrenzwerte. Trotz des Vorstoßes der Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) für eine deutliche Verschärfung geht die Bundesregierung nur mit einer laschen Haltung in die entscheidende Runde der EU-Verhandlungen über CO2-Grenzwerte für Neuwagen.
Und das, obwohl die Position Deutschlands letztlich nicht nur entscheidend dafür ist, wie viele E-Autos künftig verkauft werden müssen, sondern allen voran, wie viel weniger Verbrenner noch langfristig auf unseren Straßen fahren werden und demnach auch weniger Öl aus Russland und anderen Ländern importiert werden muss.
Deutschland stellt sich in den Verhandlungen zu den europäischen Flottengrenzwerten hinter den Vorschlag der EU-Kommission. Demnach sollen im Jahr 2025 neue Autos lediglich 15 Prozent weniger CO2 als 2021 ausstoßen, nach 2030 sind es 55 Prozent. Dabei sind ambitionierte Grenzwerte gerade Anfang der 2020er-Jahre entscheidend, um die Nachfrage nach fossilen Kraftstoffen bereits kurzfristig wirksam zu reduzieren.
Eine Anhebung der Flottengrenzwerte auf minus 30 Prozent 2025, minus 45 Prozent 2027 und minus 80 Prozent 2030 würde in Deutschland zu einem Bestand von 16 Millionen reinen Elektroautos bis zum Ende des Jahrzehnts führen – gegenüber dem Kommissionsvorschlag wären das mehr als fünf Millionen weitere E-Autos, die nicht mehr durch russisches Öl angetrieben werden würden.
2030 noch 44 Millionen Barrel Öl aus Russland
Während Putin, finanziert durch unsere Ölimporte, die Ukraine angreift, entscheiden 27 EU-Regierungen und das Europäische Parlament darüber, wie schnell sich die europäische Automobilindustrie elektrifiziert. Mit anderen Worten: Sie entscheiden, wie schnell wir vom Öl loskommen und jede:r einzelne auf fossilfreie Mobilität umsteigen kann.
Wenn Deutschland seine Position nicht überdenkt und weiterhin am Vorschlag der Kommission festhält, der eine Stagnation der Grenzwerte und folglich der E-Auto-Zulassungen bis 2029 vorsieht, werden wir in Deutschland im Jahr 2030 immer noch über 150 Millionen Barrel Öl für den Straßenverkehr importieren, davon rund 44 Millionen Barrel aus Russland.
Eine neue Position beziehen. Das ist es, was Deutschland in puncto Flottengrenzwerte tun muss, um die Nachfrage nach russischen Ölimporten weiter zu senken. Nicht nur, um Putins Krieg nicht mehr weiter zu subventionieren, sondern auch um unsere Energieunabhängigkeit zu gewährleisten. Um sich Christian Lindners Worten zu bedienen: Genauso wie erneuerbare Energien Freiheitsenergien sind, ist Elektromobilität eine Freiheitsmobilität. Und dafür muss sich Deutschland einsetzen.