Lastenräder liefern umweltfreundlich Warensendungen an Geschäfte und Konsumenten in der Innenstadt, Pakete können jederzeit mit Bus oder Bahn an Paketstationen abgeholt werden, in der Fußgängerzone ist Platz zum Flanieren, weil tagsüber keine Kraftfahrzeuge einfahren dürfen. Dies und noch vieles mehr können Maßnahmen der Stadtlogistik bewirken.
In Wiesbaden war das Jahr 2018 mit dem drohenden Dieselfahrverbot die Geburtsstunde der Stadtlogistik. Die Deutsche Umwelthilfe hatte die hessische Landeshauptstadt wegen Grenzüberschreitungen des Luftschadstoffs Stickstoffdioxid verklagt. Daraufhin erstellte Wiesbaden einen Green City Masterplan; eines der fünf Maßnahmenpakete betrifft die urbane Logistik.
Die Stadt stellte einen Förderantrag für Digitalisierung der Logistik (DIGI-L) beim Bundesverkehrsministerium, der bewilligt wurde. Damit finanziert sie zur Hälfte ein umfassendes Stufenkonzept für nachhaltige Stadtlogistik, das unter Beteiligung zahlreicher Stakeholder Einzelmaßnahmen benennt. In einer Auftaktveranstaltung und drei Workshop-Runden wurden die Themen Mikro-Hubs, optimierte Zustellung, Liefer-/Ladezonen und Smart Logistics beleuchtet. Die Beteiligung war durchgehend sehr gut, auch die sogenannten KEP (Kurier-, Express-, Paketdienstleister) wie DPD, GLS und Co waren fast alle vertreten. Das Stufenkonzept soll noch in diesem Jahr der Politik zum Beschluss vorgelegt werden.
Pop-up-Mikro-Hubs fürs Weihnachtsgeschäft geplant
Außerdem beauftragte die Politik die Verwaltung mit der Einrichtung von „intelligenten Lieferzonen“ und der Errichtung von Mikro-Hubs (Paketumschlagplätze) zur umweltfreundlichen Letzte-Meile-Belieferung. Diese und weitere Sofortmaßnahmen laufen parallel zur Erstellung des Stufenkonzepts.
Für die Errichtung von Mikro-Hubs haben wir potenzielle Standorte nach verschiedenen Kriterien geprüft. Ein Standort, der heute als innenstadtnaher Parkplatz genutzt wird, hat sich als besonders geeignet herausgestellt. Wir hoffen, dass pünktlich zum Weihnachtsgeschäft zwei KEP-Unternehmen von dort aus mit Lastenfahrrädern Pakete umweltfreundlich und effizient ausliefern werden.
Allerdings sind noch einige bürokratische Hürden zu nehmen, wie ein Gestattungsvertrag und die Baugenehmigung. Im ersten Schritt werden „Pop-up“-Mikro-Hubs in Form von Containern der KEP-Unternehmen installiert. Die Mikro-Hubs können nicht dauerhaft bleiben, weil eine Umgestaltung des Platzes geplant ist. Perspektivisch möchten wir gemeinsam genutzte Mikro-Hubs in Immobilien – eigens errichtet wie KoMoDo in Berlin oder innerhalb von Parkhäusern – einrichten. Dazu benötigt man jedoch eine Betreibergesellschaft, die es in Wiesbaden noch nicht gibt.
Intelligente Lieferzone könnte Falschparker rot blinkend anzeigen
Die Idee der „intelligenten Lieferzonen“ ist es, die Anlieferplätze vor missbräuchlicher Nutzung durch parkende Fahrzeuge zu schützen. Aus rechtlichen Gründen ist das schwierig. Denn der öffentliche Straßenraum muss generell allen Nutzergruppen zugänglich sein. Man kann beispielsweise keine Schranken oder Poller installieren, die nur für berechtigte Fahrzeuge zu öffnen sind. Deshalb gehen wir schrittweise vor und möchten erstmal Sensoren installieren, die Belegungsdaten erheben. Anschließend wäre ein digitales Buchungssystem mit oder ohne Zugangsbeschränkung vorstellbar. Auch eine Lösung, die Fehlbelegungen optisch anzeigt, etwa mit einer rot blinkenden Anzeigetafel, könnte erprobt werden.
Um Lastenfahrräder als Alternative zum Auto attraktiver zu machen, gibt es in Wiesbaden seit 2019 ein Förderprogramm. Käufer von Lastenfahrrädern können 25 Prozent des Kaufpreises, höchstens jedoch 1000 Euro als Zuschuss erhalten. Insgesamt hat die Stadt damit bislang 208 Cargo-Bikes auf die Straße gebracht, davon 37 gewerblich genutzte und 171 für die private Nutzung. Einkauf, Kinder und Hunde werden vor allem privat befördert. Die gewerblichen Nutzer sind beispielsweise Blumenläden Tischlereien oder Zahnarztpraxen. Aufgrund der hohen Nachfrage war der Fördertopf bislang innerhalb eines halben Jahres komplett geleert. Parallel zum Förderprogramm wird die Infrastruktur für Lastenfahrräder ausgebaut, derzeit sind neue Abstellplätze in der Innenstadt in Planung.
Eine sehr spontane Entwicklung – als Antwort auf die Einschränkungen durch die Corona Pandemie – war die App EMILIE (emissionsfreie Lieferlogistik). Sie ist eine Kommunikationsschnittstelle zwischen lokalen Einzelhandelsgeschäften und emissionsfreien Lieferdiensten. Sie soll eine kontaktarme, umweltfreundliche Belieferung der Bevölkerung in der Krisenzeit unterstützen und gleichzeitig dem lokalen Einzelhandel einen Vorteil bieten. Als Echtzeitapp sorgt EMILIE für die reibungslose und schnelle Abwicklung von Lieferaufträgen. Sie steht allen Händlern und emissionsfreien Lieferdiensten zur Registrierung offen. Im Sonderwettbewerb des Landes Hessen „Zusammen Handeln – Ab in die Mitte“ war EMILIE eine von 16 Preisträgern und gewann 15.000 Euro.
Versenkbare Poller privilegieren Lastenräder
Privilegien können die alternative Belieferung der innerstädtischen Bereiche mit Lastenfahrrädern unterstützen. Durch eine Absperrung der Fußgängerzone mit versenkbaren Pollern, könnten Lastenfahrräder in bestimmten Abschnitten ganztägig ausliefern, während Kraftfahrzeuge draußen bleiben müssen. Die Belieferung ist auch heute nur im Zeitfenster von 20 bis 11 Uhr gestattet, allerdings ist die Verkehrspolizei mit einer umfassenden Überwachung überfordert. Los geht es mit Pilotprojekten am Hauptbahnhof und am Rand der Fußgängerzone, wo Poller und insbesondere die Steuerungsmöglichkeiten erprobt werden sollen.
Diese und weitere Projekte tragen zur Minderung der Luftschadstoffe und zu einer besseren Steuerung des Lieferverkehrs bei. Genauso wichtig ist aber, dass die Geschäfte im innerstädtischen Bereich weiterhin zuverlässig beliefert werden können. Für die Lebensqualität in einer Stadt sind florierender Handel und lebendige Zentren unerlässlich.
Carola Pahl ist Rednerin auf der ersten Urban Transport Conference, die noch bis heute als digitale Webkonferenz stattfindet. Sie wird organisiert vom Research Lab for Urban Transport (ReLUT) an der Frankfurt University of Applied Sciences.