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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Infrastrukturfonds kann überjährige Verfügbarkeit und Konstanz sichern

Udo Schiefner, SPD-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Verkehrsausschusses
Udo Schiefner, SPD-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Verkehrsausschusses Foto: Udo Schiefner/Leif Neugeborn

Die Idee eines Infrastrukturfonds wird in der Branche derzeit heiß diskutiert. Andere Länder wie Österreich und die Schweiz haben gute Erfahrungen gemacht. Wichtig ist, dass ein solcher Fonds überwiegend aus öffentlichen Mitteln, Steuer- oder Mauteinnahmen besteht.

von Udo Schiefner

veröffentlicht am 21.06.2024

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Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat die Idee eines Infrastrukturfonds als eine dauerhaft und langfristig auskömmlich verfügbare Finanzierungssäule für die Sanierung unserer Schienen-, Wasserwege und Straßen in Deutschland aufgenommen. Dies diskutieren wir aktuell.

In unseren Nachbarländern finden sich interessante Ansätze zu einem Infrastrukturfonds. Die Beschleunigungskommission Schiene hatte ebenfalls Vorschläge für eine neue Finanzierungsarchitektur vorgelegt: Fonds, die mehrjährig und unabhängig von Bundeshaushaltsjahren die Sanierung des Bestandsnetzes und Ausbau- und Modernisierung absichern.

92 Milliarden Euro Investitionsstau

Unsere Verkehrsinfrastruktur war und bleibt einer der wichtigsten Standortfaktoren für Deutschland. Dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit und damit unser gesellschaftlicher Wohlstand hängen entscheidend von einer dauerhaft leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur ab.

Folgerichtig haben wir in den letzten Jahren massiv und stetig mehr in den Verkehr investiert: Mit inzwischen rund 26 Milliarden Euro in diesem Jahr, das zweieinhalbfache verglichen mit der Situation vor zehn Jahren. Und doch ist die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland in weiten Teilen nicht in dem gewünschten und notwendigen Zustand.

Vor allem sind Investitionen in das Schienennetz, in Straßen und Brücken in den letzten Jahren erheblich teurer geworden. Der Netzzustandsbericht zeigt uns, dass der Investitionsstau für die Schiene inzwischen bei 92 Milliarden Euro liegt. Der Brückenzustandsbericht weist darauf hin, dass in den kommenden Jahren zwischen 4500 und 5000 Brücken an Bundesfernstraßen ganz oder teilweise saniert werden müssen.

Haushaltslage erfordert neue Lösungen

Um dem großen Aufholbedarf für einen attraktiven Wirtschaftsstandort Deutschland also gerecht zu werden, müssen wir für Erhalt und Ausbau des Schienennetzes, der Straßen und Brücken und auch der Wasserwege in den kommenden Jahren Milliardensummen einsetzen.

Die SPD-geführte Koalition hatte zum Beispiel der Deutschen Bahn ursprünglich bis zu 45 Milliarden Euro zusätzlich in Aussicht gestellt, um in den kommenden Jahren die Infrastruktur fit zu machen. Gesichert sind diese Gelder aber nicht, angesichts der aktuellen Sparzwänge und infolge des Verfassungsgerichtsurteils vom November letzten Jahres. In der besonderen aktuellen Haushaltslage, aber auch unabhängig davon, fordern uns die Investitionsbedarfe erheblich heraus.

Wir müssen Vorsorge treffen und eine nachhaltige Lösung finden. Wir brauchen gute Ideen, um die Finanzierung unserer Infrastruktur neu aufzustellen. Die Notwendigkeit dazu wächst zudem, da sich schon in wenigen Jahren erhebliche Einnahmeausfälle aus der Energiesteuer einstellen werden.

Kein rein privater Fonds

Infrastrukturfonds scheinen angesichts dessen grundsätzlich eine gute Idee. Denn diese können Investitionen auf eine sichere, langfristige Basis stellen. Andere Länder wie Österreich und die Schweiz haben hier gute Erfahrungen gemacht.

Dort speisen sich Fonds aus öffentlichen Mitteln, Steuer- oder Mauteinnahmen. Private Mittel werden dort zum Teil in Anspruch genommen, jedoch nur in begrenztem Umfang und zusätzlich, nicht allein. Rein aus privaten Mitteln dürfte ein Infrastrukturfond kaum finanzierbar sein.

Die Erfahrung zeigt: Öffentlich-Private Partnerschaftsmodelle haben als Beschaffungsalternative funktioniert, als Finanzierungsinstrument wurden damit noch keine guten Erfahrungen gemacht. Große Teile des Netzes in private Hände zu übergeben ist grundgesetzlich ausgeschlossen.

Angesichts dessen ist kein lohnenswertes Geschäftsmodell für Unternehmen in Sicht. Ob aber zum Beispiel Pensionsfonds oder auch Kleinanleger so in deutsche Infrastruktur investieren könnten und, dass dafür die Rendite attraktiv sein könnte, wäre noch nachzuweisen. Betrachtet man den Umfang der notwendigen Investitionen, wird es ohne einen erklecklichen Anteil öffentlicher Mittel jedenfalls nicht möglich sein.

Rechtssichere Finanzierungsarchitektur zwingend

Ein solcher Infrastrukturfonds könnte schnell kommen, müsste jedoch auf ganz sicheren Beinen stehen, also rechtssicher sein. Das Bundesverfassungsgericht hat uns klare Linien aufgezeigt, wie unsere Finanzierungsarchitektur aussehen darf und wie nicht.

Dem muss jede Überlegung gerecht werden und die grundlegenden Rechte des Parlaments müssen respektiert bleiben. Wenn wir für die Infrastrukturfinanzierung für Überjährigkeit sorgen, würde das das Budgetrecht unseres Parlaments einschränken. Es würde aber der Industrie erheblich mehr Planungssicherheit bringen.

Ein Fonds, der langfristige Investitionslinien ermöglicht, entspräche den Planungs- und Realisierungserwartungen der beteiligten Unternehmen. Daraus ergäbe sich auch erhebliches Einsparpotential. Doch muss jeder Fonds dabei verfassungskonform sein und müsste, realistisch betrachtet, im Moment ohne Grundgesetzänderung verwirklicht werden können.

Schließlich müsste für jede Finanzierungsalternative nachgewiesen werden, dass die Akquirierung privater Mittel darüber sinnvoller möglich ist, als über die klassische Aufnahme von Krediten. Es lohnt sich, zu prüfen, ob darin ein gangbarer Weg liegt. Wichtiger aber als die Frage, wie privates Kapital nutzbar wird, bleibt, ob die überjährige Verfügbarkeit und Konstanz erreichbar ist. Es bleibt also hinreichend viel zu prüfen und zu berechnen. Das sollte schnell passieren!

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