Erweiterte Suche

Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Know-how aus der Raumfahrt für die Schiene

Frank Meures, Projektleiter Innospace Masters, DLR Raumfahrtmanagement
Frank Meures, Projektleiter Innospace Masters, DLR Raumfahrtmanagement Foto: DLR

Auf der Suche nach innovativen Lösungen für ein starkes Schienennetz der Zukunft setzt die DB Netz AG auch auf Know-how aus der Raumfahrt. Sie ist Partner des Innovationswettbewerbs Innospace Masters, der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt ausgerichtet wird. Der Wettbewerb sucht nach Transferprojekten zwischen der Raumfahrt und anderen Branchen. In der Mobilitätsbranche ist das Potenzial besonders groß.

von Frank Meures

veröffentlicht am 15.10.2020

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

Bereits im Frühjahr 2018 war das Innovationsteam der DB Netz AG zu Gast beim Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und diskutierte in mehreren Workshops darüber, welchen Mehrwert Raumfahrttechnik und satellitenbasierte Services für das Schienennetz der Zukunft bieten können. Mit von der Partie waren mehrere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Start-ups, die bereits an möglichen Lösungen arbeiten.

Die größten Anwendungspotenziale bieten dabei die Bereiche Erdbeobachtung, Satellitenkommunikation und Navigation, wodurch beispielsweise ein flächendeckendes Zustandsmonitoring von Liegenschaften per Ferndiagnose aus dem All ermöglicht wird. Aber auch sicherheitskritische Einflüsse, wie sich abzeichnende Hangrutsche oder Risiken durch Sturmschäden, können frühzeitig durch Erdbeobachtungsdaten erkannt und bestenfalls im Vorfeld verhindert werden. Exakte Positionsbestimmungen durch globale Satellitennavigationssysteme sind zudem ein wichtiger Baustein für automatisierte Züge oder das Management von Containern und einzelner Waggons. Auch eine stabile WLAN-Verbindung im Zug oder die Datenanbindung von periphären IoT-Sensoren könnten künftig durch eine Internetverbindung aus dem All gelöst werden.

Innovationswettbewerb Innospace Masters

Damit es nicht nur bei Gedankenspielen bleibt, hat die DB Netz AG Ihre Kooperation mit dem DLR Raumfahrtmanagement im letzten Jahr weiter ausgebaut und ist seitdem offizieller Partner des Innovationswettbewerbs Innospace Masters. Mit dem Wettbewerb suchen wir gemeinsam mit Airbus, OHB und den deutschen ESA Business Incubation Centern nach zukunftsfähigen Projektideen, basierend auf dem Transfer von Technologien und Know-how aus anderen Industrien in den Raumfahrtsektor (Spin-ins) oder von der Raumfahrtindustrie in raumfahrtfremde Branchen (Spin-offs). Rund 60 Prozent der Projekte stammen bereits aus terrestrischen Branchen, von denen wiederum 40 Prozent der Teilnehmer zuvor keine Berührungspunkte mit Raumfahrtkomponenten hatten. Das verdeutlicht uns, wie groß das Potenzial der branchenübergreifenden Vernetzung ist – auch für die Raumfahrt. 

Für die DB Netz AG zeigte sich bereits in der ersten Runde, dass auf diese Weise vielversprechende Lösungsansätze von außen gewonnen werden können. OCELL, ein Münchener Start-up und Gewinner der DB Netz Challenge, überzeugte mit dem Ansatz eines dezentralen Pilotennetzwerks, um durch Überfliegung den Baumbestand entlang der Schienen auf Einzelbaumbasis genau zu erfassen und bewerten zu können. Mit hochgenauen Navigationsdaten aus dem All werden die gesammelten Daten aufbereitet und zusätzlich mit bestehenden Fernerkundungsdaten verknüpft. So wird ein optimiertes Vegetationsmanagement ermöglicht, welches die Grundlage zur Vorbeugung von Sturmschäden darstellt. Diese verursachen jährlich immerhin Schäden in Millionenhöhe.

Eine ähnliche „Lösung von oben“ präsentierte das drittplatzierte Team von ERMES: Durch die automatisierte Datenverarbeitung von Radardaten verschiedener Erdbeobachtungssatelliten will das Start-up Bodenveränderungen im Zentimeterbereich erfassen und somit Absenkungen im Gleisbett, Hangrutsche oder ähnliche Gefahren frühzeitig erkennen.

Oberleitungen und Stromabnehmer werden überwacht

Für Verspätungen hingegen sind in zwölf Prozent der Fälle Oberleitungen und die dazugehörigen Stromabnehmer am Zug verantwortlich. PANTOhealth, ebenfalls Finalist der Challenge, arbeitet an einem kamerabasierten Sensorsystem mit zugehöriger intelligenter Software, um den Gesundheitszustand dieser Komponenten in Echtzeit erfassen zu können. Die örtliche Einordnung der Daten geschieht dann über Global-Navigation-Satellite-Systeme, kurz GNSS, wie GPS oder Galileo.

Ob diese Lösungsansätze tatsächlich realisiert werden und dazu beitragen, dass sich Bahn-Reisende in Zukunft über verlässlichere Verbindungen freuen können, muss sich noch zeigen. Unterstützung seitens der DB Netz AG ist zumindest gegeben. Neben dem Preisgeld erhalten die Gewinner exklusiven Zugang zum DB Mindbox Accelerator-Programm des Mutterkonzerns mit einem Mentoring-Programm von Experten der DB Netz AG, um die vorgeschlagenen Lösungen zur Marktreife zu bringen. Zudem besteht die Möglichkeit für ein 100-Tage-Proof-of-Concept-Projekt im Wert von 25.000 Euro. 

Die vergangenen Wettbewerbsrunden haben gezeigt, dass dieser Zugang zu den Unternehmen sehr wertvoll für die Teilnehmer ist und so bereits Kooperationen mit Airbus oder OHB zustande kamen. Doch auch die Möglichkeit, untereinander zu kooperieren, kann zum Ziel führen. Das ist der Fall bei zwei Gewinnern der DLR-Challenge, welche mit den gewonnenen Förderprojekten in Höhe von jeweils 400.000 Euro zwei Technologien entwickelten, welche nun auf einem gemeinsamen Demonstrator-Satelliten kombiniert und im All getestet werden.

Satellitendienste immer wichtiger für Infrastrukturen auf der Erde

Dass die Förderung von Transferprojekten zwischen der Raumfahrt und terrestrischen Industriezweigen auch im Wirtschaftsministerium als wichtig erachtet wird, unterstrich die gestrige Preisverleihung der diesjährigen Wettbewerbsrunde, bei der Thomas Jarzombek, Koordinator der Bundesregierung für die deutsche Luft- und Raumfahrt, den Gesamtgewinner prämierte. Gleichzeitig wurde ein Ausblick darauf gegeben, wie Raumfahrt zu einer nachhaltigen Gesellschaft beitragen kann.

Unter dem Motto „Innovations for Sustainable Infrastructures – in Space and on Earth“ wurde die aktuelle Wettbewerbsrunde eröffnet. Denn Satellitendienste werden immer wichtiger für systemrelevante Infrastrukturen auf der Erde. Gleichzeitig werden Satellitenkonstellationen in Zukunft selbst zu wichtigen Infrastrukturen, welche nachhaltig gestaltet werden müssen. Mit Blick auf die Bahn bin ich sicher, dass sich mit diesem Fokus auch im kommenden Jahr wertvolle Lösungsansätze aus dem All für das Schienennetz von morgen finden werden.

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen