Für das Jahr 2024 hat der IWF für Deutschland als einzigem G7-Staat eine Rezession prognostiziert. Diese geht einher mit einem Rückgang von 18 Prozent ausländischer Investitionen. Während Deutschland die Transformation seiner Wirtschaft hin zu klimaneutraler Produktion innerhalb eines ehrgeizigen Zeitraumes leisten muss, kämpft es gleichzeitig mit den Versäumnissen der Vergangenheit: Zu wenig Investitionen in den Erhalt einer leistungsfähigen Infrastruktur, überbordende Bürokratie, föderaler Zuständigkeitswirrwar und eine Verwaltungsdigitalisierung im Anfangsstadium sind ererbte Belastungen der vergangenen zwei Jahrzehnte. Hinzugekommen sind hohe Energiepreise, ein zunehmender Fachkräftemangel und ein Bildungssystem im Sinkflug.
Schon seit langem sind die Investitionsausgaben des Staates im Verhältnis zu den konsumtiven Ausgaben viel zu niedrig. Die Folge: Das Volksvermögen schrumpft. Im Jahr 2022 gab der Bund 434,5 Milliarden Euro konsumtiv und lediglich 46,2 Milliarden investiv aus, ein Verhältnis von neun zu eins. Die jahrzehntelange Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur hat zu einer Investitionslücke von inzwischen mehreren Hundert Milliarden Euro geführt.
Seit 2015 kam es zu einem allmählichen Investitionshochlauf in die Verkehrswege, weil sich die Folgen der Sparhaushalte damals bereits bemerkbar machten: 2013 war der Nordostsee-Kanal wegen maroder Schleusen unpassierbar, im selben Jahr wurde die Rader Hochbrücke für Lkw ab 7,5, Tonnen gesperrt. Das Schienennetz schrumpfte von 1994 bis 2019 um 16 Prozent. Schon damals forderte das Deutsche Verkehrsforum, die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur durch überjährige Finanzierungsvereinbarungen und einen Fonds auf eine solide Basis zu stellen.
Der Investitionshochlauf wurde seit 2015 sukzessive fortgesetzt – von 13 Milliarden auf zuletzt 18,6 Milliarden Euro im Jahr 2023. Was zunächst gut klingt, erweist sich bei näherem Hinsehen als nicht ausreichend: Normale Inflation und krisenbedingte Preissteigerungen haben die Baupreise in demselben Zeitraum um 60 Prozent in die Höhe getrieben, sodass die Steigerung der Investitionsmittel im Einzelplan 12 um 30 Prozent für sich genommen real zu weniger und nicht zu mehr Investitionen geführt hat.
Darum sind die knapp zehn Milliarden verkehrsbezogenen Investitions- und Fördermittel, die aus dem Klima- und Transformationsfonds im Jahr 2024 hätten fließen sollen, unverzichtbar, wenn es die Bundesregierung ernst damit meint, die Infrastruktur ausbauen und modernisieren zu wollen, wie es im Koalitionsvertrag heißt.
Hängepartie lähmt Transformation und wirtschaftliche Erholung
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts herrschte wochenlang Unsicherheit im Hinblick auf den Bundeshaushalt 2024, aber auch hinsichtlich der Investitionen in den Jahren danach. Und auch nach der Verkündung der Einigung über den Bundeshaushalt durch die Koalitionsspitzen am 13. Dezember ist nur so viel klar: Die geplanten Investitionsmittel für die Bahn sollen erhalten bleiben – ob dies auch für die Digitalisierung der liegenden und rollenden Infrastruktur gilt, kann man nur hoffen.
Vieles weitere bleibt im Dunkeln. Unsicherheit ist jedoch Gift für die Wirtschaft. Sie lähmt die von der Bundesregierung forcierte Transformation des Verkehrssektors und bremst zugleich eine wirtschaftliche Erholung aus. Besonders Investitionen in die Verkehrs-, Energie- und Digitalinfrastruktur brauchen Verlässlichkeit, weil Planung, Ausschreibung, Vergabe und Realisierung viel Zeit brauchen; weil große Maschinen und viel Personal benötigt werden; weil Unternehmen langfristige Ressourcenplanung vornehmen müssen.
In einer aktuellen Mitgliederumfrage des DVF werteten 90 Prozent der Befragten den Standortfaktor Infrastruktur als „wichtig“ oder „sehr wichtig“, die Digitalisierung wurde von 92 Prozent für wichtig beziehungsweise sehr wichtig gehalten. Diese beiden Standortfaktoren lagen in der Umfrage an der Spitze.
Ein Rückfall in die dramatische Unterfinanzierung der Infrastruktur darf daher nicht erfolgen. Es besteht Konsens darüber, dass wir nachhaltig und auf steigendem Niveau in das Verkehrssystem investieren müssen, wenn wir es für den Klimaschutz und das prognostizierte Verkehrswachstum rüsten wollen.
Was nun getan werden muss: Investitionen durch Finanzierungsreformen sichern
Was für Konsequenzen sind also aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts für die Infrastrukturfinanzierung zu ziehen? Die Klimaschutzziele verlangen von allen Akteuren im Verkehrssektor außerordentliche Anstrengungen beim Aufbau der Versorgung und Infrastruktur für Strom, Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe, bei der Umstellung der Antriebe.
Die Transformation hin zu einem modernen und vernetzten Verkehrswesen benötigt ferner einen raschen Ausbau der digitalen Infrastruktur. Um die künftigen Verkehrs- und Gütermengen zu bewältigen, müssen die Kapazitäten der Schiene, des ÖPNV und der Wasserstraße drastisch erhöht werden. Kraftvolle Maßnahmen von Seiten des Bundes sind jetzt entscheidend für das Gelingen dieser Aufgaben und für die Akzeptanz der Maßnahmen in breiten Teilen der Bevölkerung.
Darum sind folgende Maßnahmen seitens der Bundesregierung unabdingbar:
- Alle Mittel, die aus dem Verkehrssektor entnommen werden, etwa die Mittel aus der Lkw-Maut oder die Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer, müssen in gleicher Höhe wieder in den Verkehrssektor zurückfließen. Dies in einer Selbstverpflichtung festzulegen, ist eine wichtige Voraussetzung für gesellschaftliche Akzeptanz und dürfte auch mit dem Finanzverfassungsrecht problemlos vereinbar sein.
- Die aktuelle Situation verdeutlicht, wie dringend grundsätzliche Reformen der Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur sind. Die Schiene braucht einen Fonds nach Schweizer Vorbild. Auch für die Wasserstraßeninfrastruktur fordert das DVF gemeinsam mit Branchenverbänden eine langfristige Finanzierungsvereinbarung. Für die Bundesfernstraßen ist diese im Koalitionsvertrag bereits vorgesehen, die Realisierung steht aber noch aus. Nur diese strukturellen Änderungen können eine verlässliche Grundlage für die Herkulesaufgabe, die vor uns liegt, schaffen und verhindern, dass Sparhaushalte, politische Meinungsverschiedenheiten oder Gerichtsurteile zum Abbruch von volkswirtschaftlich entscheidenden Projekten führen.
Es geht um Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Es geht um die Attraktivität Deutschlands im internationalen Standortwettbewerb. Darum müssen die erforderlichen Investitionen in die Zukunft der Mobilität gesichert werden.