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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Parkgebühren sind keine Abzocke

Martina Hertel, Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin am Deutschen Institut für Urbanistik
Martina Hertel, Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin am Deutschen Institut für Urbanistik Foto: David Ausserhofer/Difu

Autos sind und bleiben „Platzfresser“, schreibt Martina Hertel vom Difu. Die Blockade des öffentlichen Raums durch Pkw sollte höher bepreist werden, fordert die Wissenschaftlerin. Die Einnahmen könnten Kommunen in den Ausbau umweltfreundlicher Mobilität stecken.

von Martina Hertel

veröffentlicht am 29.11.2021

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(Private) Pkw genießen im öffentlichen Raum große Privilegien – mindestens zwölf Quadratmeter braucht es, um einen Pkw legal im Straßenraum zu parken. Tendenz steigend, da durch die Zunahme der SUV, die Fahrzeuggrößen und somit der Platzbedarf stetig wachsen. Der Anteil der Neuzulassung von SUVs lag im Jahr 2020 bei gut 21 Prozent. Die Fahrzeuge werden nicht nur immer größer, es werden auch immer mehr.

In den letzten zehn Jahren ist die Anzahl der in der Bundesrepublik zugelassenen Pkw von 42,3 Millionen im Jahre 2011 auf 48,25 Millionen zu Beginn des Jahres 2021 angestiegen, während die Bevölkerung im selben Zeitraum um nur knapp drei Millionen Menschen gewachsen ist.  Die Veränderung der Antriebsart spielt dabei keine Rolle: Egal ob Diesel, Benziner, hybrid oder vollelektrisch – Autos sind und bleiben „Platzfresser“.

In den Städten führen diese Entwicklungen zu einem erhöhten Parkdruck und verstärken die ohnehin schon hohe Nutzungskonkurrenz um begrenzte Flächen. Nicht nur Autos im fließenden und ruhenden Verkehr benötigen Raum. Für eine nachhaltige Mobilität in lebenswerten Städten müssen vor allem auch Rad- und Fußverkehr sowie der öffentliche Verkehr Platz finden und vor dem Erfordernis der Klimaanpassung natürlich auch Grün- und Versickerungsflächen

Parken bleibt günstig, ÖPNV wird teurer

Die Knappheit und der Wert des öffentlichen Raums spiegelt sich bisher nicht in den Parkgebühren der meisten deutschen Städte wider: Das Parken im öffentlichen Straßenraum, wenn überhaupt bewirtschaftet, ist vielfach günstiger als das Parken im nächstgelegenen Parkhaus. Studien zeigen, dass viele Parkhäuser meist nur zur Hälfte ausgelastet sind – bis auf wenige Ausnahmen beispielsweise an Adventswochenenden.

Währenddessen führt der Parksuchverkehr im Straßenraum zu Verkehrsbelastungen sowie klimaschädlichen Emissionen. In den Niederlanden ist man da schon weiter: In der Stadt Rotterdam ist das Parken in der Innenstadt extrem teuer und finanziert so mit seinen Einnahmen das kostengünstigere, teilweise sogar kostenfreie Parken in Parkhäusern am Stadtrand. 

Hierzulande gelten Parkgebühren oft als sozial ungerecht. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: So sind beispielsweise die Parkgebühren in der Stadt München seit dem Jahr 2004 kaum erhöht worden, die Kosten im ÖPNV jedoch schon. Die Kosten eines Einzelfahrscheins im ÖPNV sind im selben Zeitraum um 30 Prozent gestiegen, die einer Monatskarte um bis zu 50 Prozent. Die Nutzenden privater Pkw werden also weniger zur Kasse gebeten als die Nutzenden der öffentlichen Verkehrsmittel. 

Mehr Gestaltungsspielraum für die Bundesländer

Diese Schieflage zeigt sich noch deutlicher bei den Gebühren für das Bewohnerparken: Bis zum Jahr 2020 galt die Gebührenordnung des Bundes, welche eine Parkberechtigung für maximal 30,70 Euro pro Jahr und Stellplatz im öffentlichen Straßenraum vorsah. Rechnet man diesen Wert auf eine durchschnittliche Tagesmiete um, so ergeben sich rund acht Cent – ein verschwindend geringer Preis im Vergleich zu anderen Nutzungen von öffentlichen Flächen gleicher Größe (zwölf Quadratmeter). So muss ein Gastronomiebetrieb für die gleiche Fläche 1,50 Euro am Tag entrichten, die Betreibenden eines Marktstandes gar 18 Euro Tagesmiete.

In Berlin gilt bis heute unverändert die Regelung, dass ein Bewohnerparkausweis für zwei Jahre ausgestellt wird und 20,40 Euro kostet, das sind zwei Cent pro Tag oder 10,20 Euro pro Jahr, weniger darf das Land gar nicht verlangen. 

Die Zahlen zeigen: Der öffentliche Raum, der im Grunde genommen allen Menschen einer Stadt gleichermaßen zu Gute kommen sollte, wird – überdurchschnittlich oft, zu einem unterdurchschnittlichen Preis – Autofahrenden zur Verfügung gestellt. Noch. Denn langsam kommt Bewegung in die Sache: Im Jahr 2020 hat der Bund entschieden, die Regelung des Bewohnerparkens an die Länder zu delegieren.

Einnahmen aus Parkraumgebühren für umweltfreundliche Mobilität einsetzen

Diese haben nun die Möglichkeit, eigene Regelungen zu erlassen und/oder an ihre Kommunen weiterzureichen. In Baden-Württemberg ist dies bereits im Juli 2021 geschehen: Das Land ermöglicht den Kommunen mit einer Delegationsverordnung eine angemessene Bepreisung des Parkens. Oberstes Ziel ist die Aufwertung des öffentlichen Straßenraums. In den baden-württembergischen Städten werden derzeit Gebühren von 120, 240 oder bis zu 360 Euro pro Jahr und Fahrzeug intensiv diskutiert.

Auch wenn es hierzulande viel erscheinen mag – international gesehen sind diese Kosten nicht exotisch. Im Jahr 2019 lag die Gebührenhöhe in vielen österreichischen Städten bei über 100 Euro, in Kopenhagen bei 158 Euro, in Amsterdam bei 535 Euro und in Stockholm bei 827 Euro. 

Doch darf die Bepreisung des Parkraums kein Selbstzweck sein und nur die allgemeine Kasse des Kämmerers füllen: Durch die Einnahmen der Parkraumbewirtschaftung könnten der chronisch unterfinanzierte öffentliche Nahverkehr sowie der Fuß- und Radverkehr auf bessere finanzielle Beine gestellt werden.

Auch hier hilft ein Blick in die Niederlande: Im Jahr 2014 sind in der Stadt Amsterdam über 60 Prozent der Parkraumeinnahmen in umweltfreundliche Mobilitätsmaßnahmen geflossen. Mittlerweile gehen auch erste Städte in Deutschland diesen Weg. Die Stadt Landau in der Pfalz hat im Oktober 2021 für die Innenstadtbereiche das Privileg des Anwohnerparkens abgeschafft. Die Bewohner müssen nun Tages-, Monats- oder Jahrestickets lösen. Die Einnahmen fließen in die Finanzierung des städtischen Busverkehrs. Mit einem positiven Nebeneffekt: Bewohner, die über private Garagen oder Stellflächen verfügen, nutzen nun diese – und eben nicht mehr die begrenzte Ressource öffentlicher Raum.

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