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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Partnerschaft first

Hildegard Müller, Verband der Automobilindustrie
Hildegard Müller, Verband der Automobilindustrie Foto: dpa

„Mit der Brücke über den Atlantik ist es ein bisschen wie mit der Golden Gate Bridge in San Francisco“, schreibt VDA-Präsidentin Hildegard Müller in ihrem Gastbeitrag zur US-Präsidentschaftswahl, „es muss ständig an ihr gearbeitet werden“. Worauf die Autoindustrie nicht nur am morgigen Wahltag hofft.

von Hildegard Müller

veröffentlicht am 02.11.2020

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Die USA und Deutschland verbindet viel, sehr viel. Unser Verhältnis ist geprägt von Freundschaft, Verbundenheit und den gemeinsamen Werten, die wir teilen – den Werten einer demokratischen, liberalen und offenen Gesellschaft. Amerika, das ist für mich die Luftbrücke, ein verlässlicher Partner in wirtschaftlichen Fragen, ein Freund im Kalten Krieg und das Land, das die Wiedervereinigung wie kein anderes möglich gemacht hat.

Doch diese enge Partnerschaft war zuletzt, ja sie ist einer starken Belastungsprobe ausgesetzt. Streit in Handelsfragen, unterschiedliche Haltungen in außenpolitischen Fragen oder Unstimmigkeiten in der Verteidigungspolitik haben zu Misstönen geführt und die Stimmung hüben wie drüben getrübt. Ich habe aber die Hoffnung, dass wir in den kommenden Monaten die Verbundenheit erneuern können. Partnerschaft first – mit diesem Prinzip können wir gemeinsam in einer sich dramatisch ändernden Welt viel erreichen.

Die amerikanischen Präsidentschaftswahlen, egal wie sie ausgehen, sollten dazu genutzt werden. Wir sollten gemeinsam daran arbeiten, die Brücke über den Atlantik wieder breiter zu machen. Nur im engen Schulterschluss von Amerika und Europa wird es uns gelingen, die Auswirkungen von Corona einzudämmen, gegen die sich ausbreitende Globalisierungsmüdigkeit und den wachsenden Protektionismus anzugehen. Nur gemeinsam können wir nachhaltig Klimaschutz vorantreiben, Armut und Hunger auf der Welt wirksam bekämpfen.

Größter Exportpartner

Die enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen Deutschland und den USA ist seit jeher eine Säule dieser Freundschaft. Die deutsche Automobilindustrie nimmt dabei eine herausgehobene Rolle ein. Seit vielen Jahrzehnten produzieren unsere Mitglieder vor Ort, und längst haben sich die Produktionsstätten in den USA auch als erfolgreiche Exportstandorte erwiesen.

Mehr als die Hälfte der lokalen Produktion wird aus den USA heraus ausgeführt, auch nach Europa und China. Unternehmen der deutschen Automobilindustrie sorgen in hunderten US-Kommunen verlässlich für Beschäftigung und Wertschöpfung. Über alle Branchen hinweg haben deutsche Unternehmen 2017 insgesamt 773.800 Arbeitnehmer in den USA beschäftigt. Damit leistet unsere Wirtschaft, allen voran die Automobilindustrie, einen zentralen Beitrag zum amerikanischen Wohlstand.

Das Verhältnis zu unserem Partner zeichnet sich aber auch durch eine Win-Win-Partnerschaft aus, denn mit automobilen Exporten aus Deutschland in die USA im Wert von 26,5 Milliarden Euro im Jahr 2019 sind die USA der weltweit wichtigste Exportpartner für deutsche Hersteller und Zulieferer.

Nicht nur der transatlantische Handel führt zu Vorteilen für alle beteiligten Industriestandorte, denn erst durch grenzüberschreitenden Handel und Investitionen können wichtige Kostenvorteile genutzt und die Robustheit gegen Krisen gestärkt werden. Und auch die Investitionen in den wichtigen Klimaschutz müssen erst einmal verdient werden.

„Made in Germany“ in den USA

Aber nicht nur Europa, auch die USA sind auf offene Märkte angewiesen. Umso schwieriger wird es für die globale Automobilindustrie, wenn einzelne Staaten den Marktzugang erschweren. Auch mit dem NAFTA-Nachfolgeabkommen USMCA (USA-Mexiko-Kanada-Abkommen) wurden neue Hemmnisse – wie erhöhte lokale Wertschöpfungskriterien – eingeführt.

Auch ohne die Umsetzung der angedrohten zusätzlichen Autozölle ist der Anteil der in den USA produzierten und verkauften Fahrzeuge in den vergangenen Jahren gestiegen: Während im Jahr 2015 erst 40 Prozent der US-Verkäufe von deutschen Herstellern auch dort produziert wurden, waren es 2019 bereits 55 Prozent. In den ersten neun Monaten dieses Jahres kamen sogar fast 60 Prozent der Fahrzeuge mit deutschem Markenzeichen aus US-Produktion.

Neben den immer noch unberechenbaren Auswirkungen der Pandemie schwächen die zahlreichen Handelskonflikte, die in den vergangenen Jahren aufgekeimt sind, die Weltwirtschaft. Sie sorgen für Unsicherheit und behindern somit Investitionen und Beschäftigung in den betroffenen Regionen. 

Es wird daher Zeit, dass sich Amerikaner und Europäer wieder annähern und die Handelsstreitigkeiten beilegen. Wir stehen eigentlich auf derselben Seite: der von Marktwirtschaft und Freihandel. Das sind die Grundlagen für wachsenden Wohlstand auf der Welt, die Basis für Friedenssicherung und nachhaltigen Klimaschutz. Aber diese Annäherung wird nicht über Nacht möglich sein. Mit der Brücke über den Atlantik ist es ein bisschen wie mit der Golden Gate Bridge in San Francisco: Es muss ständig an ihr gearbeitet werden.

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