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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Scholz sieht keine Notwendigkeit für einen Mobilitätsgipfel

Antje von Broock, Geschäftsführerin Politik und Kommunikation beim BUND
Antje von Broock, Geschäftsführerin Politik und Kommunikation beim BUND Foto: BUND

Anfang des Jahres hieß es noch, dass in Zukunft aus dem Autogipfel ein Mobilitätsgipfel werde. Ohne die Umweltverbände wird am Montag stattdessen wieder über Autos geredet. Im Fokus steht erneut die schleppend laufende Antriebswende.

von Antje von Broock

veröffentlicht am 23.11.2023

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Nach dem letzten Mobilitätsgipfel im Januar im Kanzleramt hatte Olaf Scholz (SPD) mitgeteilt, dass es zukünftig Sitzungen zu verschiedenen Themen der Mobilität in unterschiedlicher Zusammensetzung geben werde. Dass nun die nächste Sitzung wieder ein klassischer Autogipfel ohne Beteiligung von Umweltverbänden wie dem BUND sein wird, ist bezeichnend.

Dabei hat sich seit dem letzten Mobilitätsgipfel viel getan, über das in einem solchen Rahmen hätte gesprochen werden sollen. Umstrukturierungen bei der Deutsche Bahn AG, Entscheidungen zur Planungsbeschleunigung von Autobahnausbauten und nicht zuletzt die Fragen rund um das Deutschlandticket und den Ausbau des ÖPNV. All das war offenbar keinen Mobilitätsgipfel wert. Stattdessen wieder ein Autogipfel.

Ein Treffen, bei dem sich Automobilindustrie und Bundespolitik gegenseitig bestätigen werden, dass sie beim E-Auto auf einem guten Weg sind. Bei dem wieder einmal die vermeintlich fehlende Ladeinfrastruktur als Hemmschuh benannt wird. Und wo sich die meisten Anwesenden einig sein werden, dass es nur weniger Stellschrauben bedarf, damit die Zahl von 15 Millionen reinen E-Autos bis 2030 erreicht wird. Und wenn nicht 2030, dann eben 2032 oder 2033.

Ausbau des ÖPNV lässt auf sich warten

Aber so einfach ist es eben nicht.

Wir sind mitten im Prozess der Transformation des Mobilitätssystems, und der kann nur gelingen, wenn neben Schlüsselbereichen wie der Finanzierung und dem Ausbau von Schiene und ÖPNV, Verlagerung von Gütern auf die Schiene und einer stark veränderten städtischen Mobilität auch die Automobilindustrie ihr Potenzial zur Unterstützung der Mobilitätswende und des Antriebswechsels ausschöpft.

Von einer echten und nachhaltigen Mobilitätswende mit weniger Autos sind wir leider noch weit entfernt. Der nach wie vor als Lösung von Problemen angesehene Aus- und Neubau hunderter Kilometer Autobahnen und Bundesstraßen zeugt von einer wenig visionären Vorstellung der Mobilität der Zukunft. Erste zarte Pflänzchen wie das Deutschlandticket werden unmittelbar nach Einführung wieder infrage gestellt, der dringend benötigte Ausbau des Angebots im ÖPNV auf dem Land lässt auf sich warten.

Hohe Preise für E-Autos schrecken ab

Aber auch der Absatz von elektrisch betriebenen Fahrzeugen stockt, mit direkten Folgen für die CO2-Emissionen im Verkehrssektor. Zur Erinnerung, das ist einer der Sektoren, für die extra das Bundes-Klimaschutzgesetz abgeschwächt werden soll, weil er seine rechtlich verbindlichen Sektorziele dauerhaft nicht einhält. Und wenn sich der Mobilitätsgipfel schon nicht mit einer sozialverträglichen Mobilitätswende beschäftigt, braucht es zumindest ein klares Bekenntnis zu den 15 Millionen E-Autos bis 2030 und eine Aussage darüber, wie diese Fahrzeuge aussehen sollen.

Eine wesentliche Ursache dafür, dass sich noch immer viele Menschen nicht für ein E-Auto entscheiden, liegt in einer verfehlten Modellpolitik der Konzerne und den damit einhergehenden hohen Preisen. Die deutschen Hersteller glauben, am Weltmarkt nur mit den luxuriösen und teuren Limousinen und SUV bestehen zu können. Erschwingliche Fahrzeuge für Normalverdiener werden nicht entwickelt. So schließen die Konzerne weiterhin Teile der Bevölkerung vom Antriebswechsel aus, und die Politik schaut zu.

Investitionen in die Entwicklung kleinerer und neuer Fahrzeugmodelle mit verschiedenen Verwendungszwecken wie On-Demand-Verkehre, Carsharing, Handwerker oder Pflege- und Lieferdienste sind jetzt notwendig. Entscheidend für das Gelingen der Transformation der Automobilindustrie ist zudem, dass solche, möglichst energie- und ressourceneffiziente, Fahrzeuge zukünftig in Europa produziert werden und so auch die Wertschöpfung erhalten bleibt.

Vom Gipfel am Montag erwarte ich eine klare Aussage darüber, wie die 15 Millionen E-Autos erreicht werden sollen. Dabei muss klar sein, dass sie vor allem alte und verbrauchsintensive Verbrennerfahrzeuge ersetzen und nicht als zusätzliche Autos auf die Straße kommen. Die Bundesregierung muss mit regulatorischen Maßnahmen eingreifen und ihr Steuer- und Subventionssystem so umbauen, dass große, schwere, energieintensive Fahrzeuge nicht weiter gefördert werden.

Autogipfel abschaffen

Mit einer Abschaffung oder zumindest massiven Veränderungen bei der Dienstwagenbesteuerung kann hier gesteuert werden, ebenso durch eine Reform der Kfz-Steuer inklusive Einführung eines Bonus-Malus-Systems. Beide Maßnahmen haben zudem soziale Komponenten, da aktuell vor allem Besserverdienende von den Regelungen profitieren und den Bundeshaushalt entlasten könnten.

Zudem muss auf dem Gipfel festgelegt werden, mit welchen Instrumenten nachgesteuert wird, wenn erkennbar wird, dass das 15-Millionen-Ziel nicht oder zu spät erreicht wird. Hier wäre eine E-Auto-Quote denkbar, die auf den aus unserer Sicht notwendigen Zulassungsstopp neuer Verbrennungsmotoren spätestens 2030 ausgerichtet ist.  

Dies alles zeigt: Der Mobilitätsgipfel zum E-Auto ist ohne Zweifel wichtig, und es muss ein verbindlicher Rahmen für den Antriebswechsel gegeben werden. Aber Mobilitätsthemen jenseits des Autos sind ebenso wichtig und gewinnen mit Blick auf die Erreichung unserer rechtlich verbindlichen nationalen und internationalen Klimavorgaben täglich an Bedeutung. Deshalb darf der nächste Mobilitätsgipfel nicht wieder ein Autogipfel sein.

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