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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Steuerung der InfraGO: Gemeinwohl und Gewinne sind kein Gegensatz

Jürgen Kühling, Vorsitzender der Monopolkommission
Jürgen Kühling, Vorsitzender der Monopolkommission Foto: Haselbeck

Die Bundesregierung sollte bei der kleinen Bahnreform 2024 einen schweren Fehler vermeiden und an der Gewinnerzielungsabsicht der gemeinwohlorientierten InfraGO festhalten. Würde die geschwächt, hätte die InfraGO weniger Anreize, wirtschaftlich mit den Finanzmitteln umzugehen und so für eine hohe Qualität der Infrastruktur zu sorgen.

von Jürgen Kühling

veröffentlicht am 16.11.2023

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Im Befund, dass sich am System Bahn etwas ändern muss, sind sich die meisten Beobachterinnen und Beobachter einig: Viel zu viele Verspätungen und Zugausfälle sorgen nicht nur für Frust bei den Reisenden, sondern gefährden auch die klimapolitisch notwendige Verlagerung von der Straße auf die Schiene. Der Grund liegt zum größten Teil in der störanfälligen Infrastruktur, worauf in Tagesspiegel Background bereits hingewiesen wurde.

Daher ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass die Politik auch strukturell bei der Infrastruktur ansetzt und zum 1. Januar 2024 eine neue gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft mit dem Namen DB InfraGO AG auf die Schiene bringt. Diese neue Gesellschaft führt die für die Bahnhöfe und Verkehrsstationen zuständige DB Station & Service AG und die für den Betrieb des Schienennetzes verantwortliche DB Netz AG zusammen. Das „GO“ steht dabei für gemeinwohlorientiert.

Die proklamierte Gemeinwohlorientierung ist dabei in Anbetracht der zahlreichen Probleme eine wohlklingende, aber zugleich auch bewegliche Zielsetzung. Was sie konkret bedeutet, ist trotz des nahenden Starttermins noch unklar. Man kann sich vielleicht darauf einigen, dass es nicht um die Interessen einzelner Akteure, sondern um ein Interesse der Allgemeinheit gehen soll. So war die Gemeinwohlorientierung ursprünglich bereits ein politischer Formelkompromiss der Ampel-Koalitionäre, um eine Abgrenzung deutlich zu machen, auch weil man sich auf eine eigentumsrechtliche Trennung von Infrastruktur und Transportsparte – bedauerlicherweise – nicht einigen konnte. Doch die zunächst als Petitesse anmutende Tatsache, dass man bei der Namensgebung nicht auf das Präfix „DB“ verzichten wollte, lässt bereits leichte Zweifel aufkommen, wie ernst man es mit der Abgrenzung tatsächlich meint.

InfraGO bleibt ein natürlicher Monopolist

Die Monopolkommission hatte in ihrem 9. Gutachten zum Bahnsektor im Sommer dieses Jahres empfohlen, die InfraGO darauf auszurichten, das Gesamtsystem Schiene und nicht allein den DB-Konzern zu stärken. Hierzu sind jetzt die notwendigen Weichen zu stellen – für mehr Qualität und Pünktlichkeit zu attraktiven Preisen. Dazu muss man sich darüber im Klaren sein, dass die InfraGO trotz des neuen wohlklingenden Namens weiterhin ein natürlicher Monopolist bleibt. Auch mit dem Gemeinwohlstempel versehen, agiert sie unter anderen Anreizen als andere Unternehmen, die ständig die Qualität ihrer Leistungen verbessern und ihre wirtschaftliche Effizienz steigern müssen, um im Wettbewerb zu bestehen.

Und genau das sei auch gut so, hört man zuweilen aus der Politik. Die zu starke Ausrichtung auf die Effizienz und die Gewinnerzielung sei gerade einer der wesentlichen Gründe, warum die Infrastruktur so marode sei. Der Druck, Kosten einzusparen, sei zulasten der Qualität erfolgt. Daher soll die Gewinnerzielungsabsicht nun hinter andere, noch zu bestimmende Gemeinwohlziele zurücktreten. „Die Gewinnerzielung soll die Verfolgung dieser Ziele nicht behindern“, schreibt die Bundesregierung.

Die Monopolkommission plädiert jedoch dafür, die Gewinnorientierung beizubehalten und für das Gemeinwohlziel nützlich zu machen. Diese hat eine ganz grundsätzliche Bedeutung. Denn ohne den Anreiz, Gewinne zu erzielen, droht das Gemeinwohlziel gerade aus dem Blick zu geraten. Warum dem so ist, lässt sich mit Blick auf die Finanzierungskanäle besser erkennen. Die Finanzierung der Infrastruktur speist sich einerseits aus öffentlichen Mitteln und andererseits aus Infrastrukturentgelten, die von den Nutzern der Infrastruktur zu zahlen sind.

Die Zuweisung dieser Mittel ist an Ziele geknüpft und erfolgt bislang in zweifacher Weise: Zum einen gibt der Staat Eckpunkte zum Umfang und zur Qualität der Infrastruktur vor und steuert die Einhaltung der Vorgaben bislang durch eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zwischen dem Bund und dem DB-Konzern.

Zum anderen unterliegen die Trassenpreise, also die andere Einnahmequelle der Infrastruktur, einer Anreizregulierung. Die Regulierung der Preise ist darauf ausgerichtet, Anreize für die InfraGO zu schaffen, effizient zu wirtschaften und mehr Verkehr auf der Schiene zu bringen. Im Wesentlichen beruht sie darauf, dass das Unternehmen für Effizienzsteigerungen und Erhöhung der Verkehrsmengen belohnt wird, indem es höhere Gewinne erzielen und ausweisen kann.

Diese Gewinne – und hier zeigt sich die mögliche Gemeinwohlorientierung der DB InfraGO – können dann wiederum zusätzlich in die Infrastruktur reinvestiert werden, was dazu beiträgt, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern. So machen zurzeit nach Angaben des Bundesrechnungshofs die Infrastrukturentgelte etwa 30 Prozent der Geldflüsse für die Infrastruktur aus.

Die beschriebenen Anreize sollen die DB InfraGO also zu Qualität und Kosteneffizienz führen. Zugleich haben sie sich in ihrer bisherigen Form als wenig erfolgreich erwiesen. Qualitätsanreize der LuFV und Anreizregulierung harmonieren zu wenig, enthalten zu wenige ambitionierte Vorgaben und zu wenig tatsächliche Ausrichtung betriebswirtschaftlicher Entscheidungen auf die von den Fahrgästen wahrgenommene Qualität. Daher ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass der Bund neben der gesellschaftsrechtlichen Neuaufstellung der Infrastruktur auch deren Steuerung grundsätzlich überarbeiten möchte.

Wie die Anreizregulierung neu gestaltet werden sollte

Hier sieht die Monopolkommission großes Potenzial, indem die Anreizregulierung neu gestaltet wird. Insbesondere sollten für die Fahrgäste relevante Qualitätskennzahlen wie die Pünktlichkeit und die Substanzqualität des Schienennetzes in die Anreizregulierung mit aufgenommen werden, um dort beständige Anreize zu setzen, in die Qualität der Infrastruktur zu investieren. Um eine Wirkung zu erzielen, wäre nun die Gelegenheit, bei der Neuaufstellung der InfraGO sicherzustellen, dass die Gewinne tatsächlich in der Gesellschaft verbleiben und nicht für andere Bereiche des DB-Konzerns verwendet werden. 

Der Bund scheint jedoch anders zu planen, will zunächst schwache Anreize durch mehr planerische Vorgaben aus dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) ersetzen. Dazu könnte die Gewinnorientierung bei der InfraGO geschwächt werden, indem unterschiedliche so bezeichnete Gemeinwohlziele in der Satzung verankert werden. Diese könnten durch eine an das BMDV angedockte Einheit gesteuert werden.

Welche Anreize die InfraGO besitzt, wenn sie durch etwaige unterschiedliche politische Interessen der Steuerungseinheit beeinflusst wird, ist ungewiss. Die Monopolkommission und auch der Bundesrechnungshof haben in der Vergangenheit jedenfalls darauf hingewiesen, dass bei der derzeitigen Steuerung über die LuFV nicht sichergestellt ist, dass mit den Bundesmitteln auch effizient umgegangen wird.

Zugleich droht die Anreizregulierung, als betriebswirtschaftlich lenkendes Instrument an Bedeutung zu verlieren. Jedwede Regulierung der Trassenentgelte kann nur eine Wirkung entfalten, wenn die InfraGO tatsächlich auch Anreize besitzt, Gewinne zu erzielen, die sich reinvestieren lassen, und ihren Erfolg für das Gemeinwohl darin transparent auszuweisen. Das ist das Wesen einer Anreizregulierung.

Mit einer geschwächten Gewinnerzielungsabsicht hätte die InfraGO weniger Anreize, wirtschaftlich mit den Finanzmitteln umzugehen und so für eine hohe Qualität der Infrastruktur zu sorgen. Gerade eine qualitativ hochwertige und verlässliche Infrastruktur dürfte eines der wesentlichen Gemeinwohlziele der InfraGO darstellen. Der Gewinnerzielung der InfraGO spielt somit eine wichtige Rolle für das Erreichen dieser Ziele. Die Bundesregierung sollte daher nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und an der Gewinnerzielung der InfraGO festhalten


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