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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Teurer Standort, schlechte Infrastruktur

Kay Lindemann, Leiter Konzernpolitik bei Lufthansa
Kay Lindemann, Leiter Konzernpolitik bei Lufthansa Foto: Lufthansa

Effiziente Sicherheitskontrollen ohne langes Warten, biometrisches Boarding, der „Single European Sky“, reibungslose Schnittstellen zwischen Zug und Flugzeug sowie die Anbindung des Münchener Flughafens an das ICE-Netz wären wichtige Aufgaben für die nächste Bundesregierung, schreibt Kay Lindemann, Politikchef der Lufthansa. Stattdessen leiste sich die Republik immer noch die Subventionierung unrentabler Airports.

von Kay Lindemann

veröffentlicht am 16.09.2021

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Wir bleiben zu Hause.“ Schon bevor dieser Satz zum Hashtag der Corona-Kampagne wurde, forderten Klimaaktivisten genau das: Reisen Sie nicht nach Spanien, Griechenland oder in die USA. Nach anderthalb Jahren Pandemie spüren wir: Dauerhaft ist das keine Option. Zu groß ist die Sehnsucht nach Mobilität und persönlichem Austausch über Grenzen hinweg.

Doch es geht um mehr als private Begegnungen und den für viele Regionen lebenswichtigen Tourismus. Die Globalisierung, die Integration aufstrebender Länder in die Weltwirtschaft, internationale Diplomatie und Politik – all das braucht den Luftverkehr. In Krisenzeiten ist Lufthansa verlässlicher Partner für Deutschland. Der Transport von Medizinprodukten, die Sicherung internationaler Lieferketten, die Repatriierung gestrandeter Urlauber oder jüngst die Luftbrücke aus Afghanistan: Hier zeigen sich die unverzichtbaren Stärken des Fliegens. All das ist möglich, weil Deutschland (noch) eine starke Luftfahrt hat. Das sichert unseren Erfolg als Exportnation und macht unser Land für ausländische Unternehmen attraktiv. 

Doch die Stärke unseres Standorts ist nicht in Stein gemeißelt. Das gilt für den Luftverkehr genauso wie für Deutschlands industrielle Kerne. Vor der Pandemie gehörte Lufthansa zu den Top 5 unter den Airlines weltweit. Diese Position wollen wir verteidigen. Wir nutzen die Krise zur Erneuerung und stärken unser Engagement für klimaschonendes Fliegen. Beides sind Herkulesaufgaben. Wir gehen sie entschlossen an – mit hohen Investitionen und großem Innovationsgeist. Wir werden agiler, effizienter, nachhaltiger. Aber klar ist: Wir werden nur dann erfolgreich, das heißt, international wettbewerbsfähig bleiben, wenn die Politik den Neustart nach der Krise und die Transformation des Luftverkehrs aktiv unterstützt.

Die Lufthansa Group will spätestens 2050 CO2-neutral wirtschaften. Es geht nicht darum, ob, sondern wie das Fliegen nachhaltiger wird. Aber im umfassenden Sinn: Die neue Bundesregierung muss politische Konzepte entwickeln für eine Balance zwischen Klimaschutzpolitik, der Sicherung von Mobilität und wirtschaftlicher Leistungskraft.

Konkret bedeutet das: 

1. Der Luftverkehrsstandort Deutschland sollte gemeinsam mit der Industrie zu einem Aushängeschild für unser Land gemacht werden. Dafür braucht es eine Modernisierungsagenda in der Infrastrukturpolitik. Unser Land gehört im Luftverkehr zu den teuersten Standorten der Welt, ohne dass sich das in der Qualität der Infrastruktur widerspiegelt. Effiziente Sicherheitskontrollen ohne langes Warten, biometrisches Boarding, der „Single European Sky“, reibungslose Schnittstellen zwischen Zug und Flugzeug sowie die Anbindung des Münchener Flughafens an das ICE-Netz wären Zukunftsprojekte, die das Leben der Menschen und die Reputation des Landes gleichermaßen verbessern. Stattdessen leistet sich die Republik immer noch die Subventionierung unrentabler Airports.

2. Wir brauchen eine Offensive für moderne Technologien bei Flugzeugen und Kraftstoffen. Die Lufthansa Group setzt ihren Kurs der konsequenten Flottenerneuerung fort. In den nächsten zehn Jahren erhalten unsere Airlines insgesamt 175 neue Flugzeuge. Aber die Krise schwächt die Investitionskraft der Luftfahrtunternehmen. Das sollte die neue Bunderegierung abfedern, indem sie Zukunftstechnologien, insbesondere die Marktentwicklung für nachhaltige Kraftstoffe, fördert und die Investitionskraft von Airlines und Flughäfen durch die Übernahme von Krisenkosten schützt. 

3. Wir brauchen ein „Level-Playing-Field“ mit unseren Hauptwettbewerbern aus dem Nahen Osten, China, USA und aus der Türkei. Die Krise hat das Kräfteverhältnis bereits zugunsten nicht-europäischer Airlines weiter verschoben. Hier muss die Politik in Deutschland und Europa gegensteuern. Andernfalls drohen Verkehrs- und Emissionsverlagerungen in Regionen außerhalb der EU („Carbon Leakage“). Die Bundesregierung sollte sich mit aller Kraft für einen fairen internationalen Wettbewerb einsetzen, um Wertschöpfung und qualitativ hochwertige Arbeitsplätze zu sichern. Das bedeutet auf einseitige Belastungen für heimische Carrier zu verzichten und in den Verhandlungen zum Klimaschutz-Paket „Fitfor55“ auf eine wettbewerbsneutrale Ausgestaltung der Maßnahmen zu pochen.

Die zentrale Herausforderung für die Zukunft ist, Klimapolitik und Wettbewerbsneutralität miteinander zu verbinden. Eine solch integrierte Luftverkehrspolitik fehlt leider aktuell. Wir beobachten vielmehr, dass die EU mit ihren klimapolitischen Vorschlägen europäische (Zubringer)-Verkehre ebenso wie die Langstrecke einseitig verteuern will und damit Ausweichbewegungen erzwingt, die zu mehr Emissionen führen. Gleichzeitig öffnet sie ausgerechnet jetzt den krisengebeutelten europäischen Markt für Drittstaaten, ohne Ambitionen in Sachen Nachhaltigkeit – Stichwort Qatar. Um die politische Inkonsistenz auf die Spitze zu treiben, zwingt die EU-Kommission Airlines im kommenden Winter, kaum gebuchte und unrentable Flüge durchzuführen, nur um ihre Slots nicht zu verlieren. 

Menschen, Kulturen und Wirtschaftsräume auf möglichst nachhaltige Art miteinander zu verbinden, das ist die Mission unserer Airlines. Sie hat trotz Pandemie ihre Bedeutung nicht eingebüßt. Im Gegenteil: Langfristig wird der Flugverkehr weltweit wachsen. Unser Ziel als Lufthansa Group ist, führend im Klimaschutz und zugleich global wettbewerbsfähig zu sein. Hierfür wünschen wir uns von der Bundesregierung Rückenwind. Mit den richtigen politischen Ideen kann viel gewonnen werden – für Umwelt und Industrie.

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