Erweiterte Suche

Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Umweltfreundliche Lithium-Gewinnung am Oberrhein

Cris Moreno, CEO Vulcan Energy
Cris Moreno, CEO Vulcan Energy Foto: Artis/Uli Deck

Die dominierenden Abbaumethoden der aktuellen Lithiumimporte sind nicht im Sinne der europäischen oder deutschen Klimastrategie. Das Brechen aus Hartgestein und die Verdunstung von Salzseen sowie der anschließende Transport des Batteriematerials nach Europa bedeuten eine enorme Belastung für Klima und Umwelt. Die Gewinnung am Oberrheingraben wäre hingegen energieeffizient und naturverträglich.

von Cris Moreno

veröffentlicht am 03.08.2023

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

„Wir haben die einmalige Gelegenheit, mit Tempo, Ehrgeiz und Zielstrebigkeit den Weg zu weisen, um die industrielle Führungsrolle der EU im schnell wachsenden Sektor der CO2-neutralen Technologien zu sichern.“ Mit diesen Worten stellte Ursula von der Leyen den Industrieplan für den Green Deal zu Beginn des Jahres vor. Seitdem ist viel passiert, Initiativen wie der Critical Raw Materials Act oder der Net-Zero Industry Act sollen die Grundlage für eine klimaneutrale europäische Industrie bilden. Der Plan scheint aufzugehen, Unternehmen wie Northvolt und Intel treffen Investitionsentscheidungen zugunsten Deutschlands. 

Dennoch bleibt die Beschaffung von Rohstoffen, die das Fundament der Energiewende bilden, ein Problem für die europäische Industrie. Europa steht in einem Abhängigkeitsverhältnis mit China und kämpft jetzt um wirtschaftliche Resilienz. Fakt ist, China ist eine globale Supermacht, die Abhängigkeiten aktiv generiert hat und diese gezielt ausspielt. So hat China etwa die Ausfuhr von wichtigen Rohstoffen für die Mikrochipproduktion (Germanium und Gallium) oder Batterieproduktion (Grafit) eingeschränkt. Ähnliches könnte auch beim Rohstoff Lithium passieren, denn hier kontrolliert China rund 75 Prozent der Lithium-Veredelung.

Bisherige Abbaumethoden Belastung für Klima und Umwelt

Hinzu kommt: Die dominierenden Abbaumethoden der aktuellen Lithiumimporte sind nicht im Sinne der europäischen oder deutschen Klimastrategie. Das Brechen aus Hartgestein und die Verdunstung von Salzseen sowie der anschließende Transport des Batteriematerials nach Europa bedeuten eine enorme Belastung für Klima und Umwelt. Der Internationalen Energieagentur zufolge entstehen 70 Prozent der vermeidbaren Lebenszyklusemissionen von Lithium-Ionen-Batterie bei der Förderung und Aufbereitung des Rohstoffs.

Dabei geht es auch anders.

Unter dem Oberrheingraben im Südwesten Deutschland befindet sich eines der größten Lithiumvorkommen der Welt. Anders als in Südamerika, Asien oder Australien ist der Rohstoff hier nicht in Hartgestein oder Salzseen gebunden, sondern in dem sich tief unter der Erde befindlichen Thermalwasser. Dieses wird mittels Geothermie an die Erdoberfläche befördert, wo das Lithium ausgewaschen und weiterverarbeitet werden kann. Das restliche Thermalwasser fließt unverändert zurück unter die Erde. Die Technologie ist umweltschonend und wegen der gleichzeitigen Erzeugung von erneuerbarer Energie, mit der die Filteranlage betrieben wird, klimaneutral. 

Aktuell stehen wir in Europa im zunehmenden Wettbewerb mit ähnlichen Vorhaben in anderen Teilen der Welt. Investoren schauen genau hin, in welche Projekte sie ihr Geld stecken und wo die Rahmenbedingungen für einen Erfolg besonders günstig sind. In Ländern wie den USA, Kanada oder Australien wird der Abbau von Lithium von den Regierungen nicht nur priorisiert, sondern mit umgerechnet Milliarden Euro unterstützt

Das hat zur Konsequenz, dass Investoren, die eigentlich den Aufbau von Produktionsstätten in Europa planen, aufgrund der bestehenden Abhängigkeiten eher verunsichert sind und in andere Regionen investieren. Was Europa klar sein muss: Ohne eine gesicherte Versorgung mit Rohstoffen werden wir keine tragende Rolle bei der Herstellung von Zukunftstechnologien spielen. 

Auch die sonst starke europäische Automobilindustrie bringt dies in die Bredouille. Während Europa über den Einsatz von E-Fuels diskutierte, hat China die alteingesessene europäische Automobilindustrie im Rückspiegel gelassen. Die Förderung von kritischen heimischen Rohstoffen ist daher notwendig, um die Automobilindustrie sowie vorgelagerte Sektoren bei der Energiewende zu unterstützen. Dies muss allerdings zeitnah geschehen, sonst droht eine Abwanderung nach Blaupause der Photovoltaikindustrie.

Es braucht eine vollständig integrierte europäische Lieferkette

Konkret braucht es eine vollständig integrierte europäische Lieferkette für die Batterie- und Elektromobilität. Einen Teil wird sicherlich die Kreislaufwirtschaft durch effiziente Rückgewinnung und Wiederaufbereitung gebrauchter Batterien stemmen können. Allerdings versechsfacht sich die Nachfrage nach Lithium bis 2030, sodass eine Förderung von „neuem“ Lithium notwendig ist. 

Langfristig ist die lokale Lithiumförderung die hinreichende Bedingung für Europa, um wieder eine führende Rolle in der Automobilindustrie einnehmen zu können. Das Risiko, weiterhin auf volatile Lieferketten zu vertrauen, kann und darf sich Europa nicht leisten. Projekte wie am Oberrheingraben zeigen, dass Europa die Gegebenheiten besitzt, mit globalen Zulieferern zu konkurrieren und Lithium nachhaltig abzubauen. Dadurch kann Europa nicht nur seiner Führungsrolle bei der technischen Innovation gerecht werden, sondern auch weiterhin als normativ agierende Supermacht auftreten.

Ausschlaggebend sind aber richtige Rahmenbedingungen. Große Hoffnungen ruhen deshalb auf dem Critical Raw Materials Act. Dieser muss unter anderem sicherstellen, dass unterstützte Projekte einen echten Mehrwert gegenüber Projekten in Drittländern bieten – insbesondere in Hinblick auf Resilienz und Nachhaltigkeit.

Uns ist wenig geholfen, wenn lediglich bestimmte Wertschöpfungsstufen in Europa stattfinden. So erhöht die reine Veredelung von Lithium zu batteriefähigem Lithiumhydroxid weder die Versorgungssicherheit, noch leistet sie einen Beitrag zum Klimaschutz, wenn das entsprechende Eingangsmaterial weiterhin aus anderen Teilen der Welt importiert wird. Ebenso muss auch der Rohstoffabbau selbst deutlich klima- und umweltfreundlicher erfolgen als bei den konventionellen Methoden in Drittländern.

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen