Tirol ist geprägt vom „Fremdenverkehr“, ein etwas verstaubter Begriff aus der Vergangenheit für Tourismus. Über die Grenzen hinaus ist unser Land weiterhin für den „Fremdenverkehr“ bekannt, doch dieses Dauerthema wird in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend vom Dauerproblem des „Verkehrs“ verdrängt.
Staus auf den Autobahnen, kein Weiterkommen auf den großen Landesstraßen und teilweise sogar verstopfte Ortsdurchfahrten in winzigen 100-Seelen-Dörfern. Dieses Bild ist mittlerweile leider eher die Regel als die Ausnahme.
Warum das so ist? Tirol mit seinen hohen Bergen, steilen Hängen und vielen Seitentälern verfügt lediglich über rund elf Prozent Siedlungsraum. Es sind solche und viele andere Faktoren, die unser topografisch „enges“ Land inmitten der Alpen immer wieder an den Rand eines Verkehrskollapses bringen.
Mehr ÖPNV im Transitland Tirol
Die Inntal- und Brennerautobahn ist die beliebteste Route für Transit-Lkw aus allen Teilen Europas. Tourist:innen queren das Land auf dem Weg in den sonnigen Süden. Tirolurlaubende kommen für einen Urlaub in den Bergen mit dem Pkw und die Tiroler:innen fahren selbst ebenfalls gerne Auto, keine Frage.
Damit sich etwas ändert, muss an vielen Stellschrauben gedreht werden – als Anreiz für die Tiroler Bevölkerung ist dabei ein attraktives und flächendeckendes Öffi-Angebot das A und O, um die Mobilitätswende zu schaffen.
70 Menschen in einem Linienbus statt 70 einzelne Pkw auf der Straße sind hier ein guter Ansatz, um den motorisierten Individualverkehr insbesondere in der morgendlichen Verkehrsspitze zu verringern. Denn der Besetzungsgrad eines durchschnittlichen Pkw in Österreich liegt gerade mal bei 1,3, das heißt in zehn Autos sitzen gerade einmal 13 Menschen.
Pilotprojekt: Freie Fahrt für Busse
Das Problem: Im Bus steht man genauso im Stau wie alle anderen. Rechnet man noch dazu, dass man an fixe Abfahrtszeiten gebunden ist und von und zur Haltestelle gehen muss, ist die Fahrt mit dem Auto für viele dann doch attraktiver. Klimaschutz hin oder her. Freie Fahrt für Busse – das wäre ein überzeugendes Argument!
In Tirol gibt es ein gutes Schienennetz und daher auch ein ansprechendes Zugangebot. Abseits davon ist der Bus das öffentliche Verkehrsmittel schlechthin und macht mit rund 73 Prozent den größten Teil des Tiroler Öffi-Netzes aus. Busse sind naturgemäß auf den Straßen unterwegs und damit genauso betroffen von Ampeln, Staus und baustellenbedingten Einschränkungen.
In Nordirland und in Belgien gibt es bereits auf einzelnen Strecken eigene Busspuren. Die generelle Einführung einer Busspur auf Autobahnen oder „Vorrang für Busse“ – das ist in Österreich aktuell rechtlich (noch) nicht möglich. Hier braucht es Änderungen in der Straßenverkehrsordnung. Was aber möglich ist, ist ein Pilotprojekt.
Sanierung Inntalautobahn als Chance
Im Westen der Landeshauptstadt Innsbruck wird auf der A 12 Inntalautobahn bald gebaut, saniert und asphaltiert. Zwischen Zirl-Ost und Innsbruck-Kranebitten. Genau auf diesem Streckenabschnitt bildet sich Tag für Tag im Frühverkehr eine Autokolonne oder sogar ein Stau – alle wollen Richtung Innsbruck. Auch die zahlreichen Öffi-Pendler:innen in den Linienbussen.
Durch die Bauarbeiten wird sich die Fahrzeit weiter verlängern. Die ideale Möglichkeit, einen eigenen Fahrstreifen für Busse – ähnlich wie bei Straßenbahnen im innerstädtischen Öffi-Verkehr – in die Baustellenplanung mitaufzunehmen. Aktuell laufen dazu die Abstimmungen mit dem Autobahnbetreiber und den zuständigen Behörden.
Grundsätzlich läuft es bei den Öffis in Tirol nicht schlecht – mehr und mehr Menschen sind Stammkund:innen des öffentlichen Verkehrs, jeder fünfte Tiroler beziehungsweise jede fünfte Tirolerin hat eine Jahreskarte. Und trotzdem: Es gibt immer noch Orte mit unzureichender Öffi-Anbindung, es gibt immer noch zu viele Zweitautos, die enorm viel Platz verbrauchen.
Anreize für Abnahme des motorisierten Individualverkehrs setzen
Es werden weiterhin extrem kurze Strecken von unter drei Kilometern mit dem Auto gefahren statt mit dem Rad. Die eine große Lösung für das vielschichtige Verkehrsproblem in Tirol gibt es nicht. Es sind vielmehr zahlreiche kleinteilige Ansätze, regionale Konzepte und innovative Ideen, die Stück für Stück und auf unterschiedlichen Ebenen zu einer Abnahme des motorisierten Individualverkehrs und des Schwerverkehrs führen können – für mehr Klimaschutz, weniger Lärm und eine spürbare Entlastung der Bevölkerung.
„Vorrang für Öffis – Busse first“, das wäre für all jene, deren tägliche Öffi-Verbindung über die Autobahn führt, ein tolles Argument. Ich bin gespannt auf das Pilotprojekt, die Erfahrungen und Erkenntnisse, die wir im Nachgang eingehend analysieren werden. Nur durch Erfahrungswerte und Best Practice-Beispiele können wir es schaffen, diese zukunftsweisende Idee künftig auch auf gesetzlicher Ebene voranzutreiben und dauerhaft zu etablieren.