Mittlerweile scheint es in vielen Köpfen aus Industrie und Politik angekommen zu sein: Im Straßengüterverkehr führt langfristig kein Weg an Wasserstoff vorbei, um diesen Anwendungsbereich zu dekarbonisieren und gleichzeitig die anspruchsvollen Anforderungen der Logistikbranche zu erfüllen. Besonders beliebt bei Logistikern ist die Technologie, da sie vergleichsweise wenige Anpassungen des bisherigen Betriebsablaufes erfordert.
Vor allem die – mit einer Dieselbetankung vergleichbaren – Betankungszeiten spielen hier eine wesentliche Rolle. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist zudem vorteilhaft, dass es deutlich weniger Wasserstofftankstellen bedarf, als es Ladestationen bräuchte, um die gleiche Anzahl an Fahrzeugen zu versorgen. Daraus resultiert zum einen ein geringerer Gesamtplatzbedarf für die Infrastruktur als auch ein niedrigerer finanzieller Aufwand für Unternehmen und Fördermittelgeber.
Wasserstoffmoleküle lassen sich im gasförmigen oder flüssigen Zustand gut über lange Strecken transportieren. Die enthaltene Energie kann so auch in weniger gut erschlossenen Gebieten bei vergleichsweise geringem Strombedarf vor Ort ans Fahrzeug abgegeben werden. Ein flächendeckendes Infrastrukturnetz ließe sich somit schneller realisieren als im Fall einer reinen Fokussierung auf Batteriemobilität mittels Ladeinfrastruktur.
Fokussierung auf TEN-V aktuell zweitrangig
Das Europäische Parlament und der Rat haben im März 2023 eine Einigung hinsichtlich einer Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Antriebe (AFIR) erzielt. Nach förmlicher Annahme dieser Einigung ergäben sich daraus unter anderem verbindliche Ausbauziele für die EU-Mitgliedstaaten: mindestens eine öffentliche Wasserstofftankstelle alle 200 Kilometer entlang des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) sowie an definierten städtischen Knotenpunkten. Dies ist essenziell, um mittelfristig die Grundlage zur Umstellung auf Wasserstoffantriebe zu schaffen und perspektivisch einen grenzübergreifenden Gütertransport zu ermöglichen. Die Fokussierung auf das TEN-V ist also naheliegend und grundsätzlich nachvollziehbar.
Dennoch ist zu beobachten, dass es sich bei den aktuell am Markt verfügbaren Fahrzeugen in erster Linie um solche handelt, die im Verteilverkehr mit einem Radius von bis zu 400 Kilometern unterwegs sind. Für viele Logistiker, die bereits an einer Umstellung auf Wasserstoffantriebe interessiert sind, ist ein transeuropäisches Infrastrukturnetz daher aktuell zweitrangig.
Im Vordergrund stehen die Aspekte Zuverlässigkeit und Flexibilität. Dass Logistiker bereits frühzeitig auf kürzeren Strecken Erfahrungen sammeln und Vertrauen in neue Technologien fassen können, ist die Basis für das Gelingen der Umstellung auf alternative Antriebe. Ein engmaschiges regionales Netz ist da wertvoller als ein grobmaschiges ausgedehntes Netz.
Abdeckung von Logistikverteilzentren und Betriebshöfen wichtig
Direkt an der Autobahn zu tanken ist für Flottenbetreiber zudem nicht immer praktikabel. Mindestens ebenso wichtig ist die Abdeckung von Logistikverteilzentren und Betriebshöfen. Einen bedarfsgerechten Aufbau erreichen wir also nicht, indem wir allein darauf setzen, in regelmäßigen Abständen entlang des TEN-V Tankstellen zu errichten. Von Relevanz ist die tatsächliche Frequentierung eines Standorts, frei nach dem Motto: Wo heute viele Diesel-Lkw unterwegs sind, werden morgen viele Wasserstoff-Lkw fahren.
Für die meisten Flottenbetreiber kommt eine Umstellung auf alternative Antriebe überhaupt erst dann in Frage, wenn die Infrastruktur bereits vorhanden ist. Somit kann ein bedarfsgerechter Aufbau eben auch nicht den parallelen Hochlauf von Infrastruktur und Fahrzeugen meinen. Die Infrastruktur muss bereits frühzeitig zur Verfügung stehen. Daher gehen wir als Unternehmen hier in Vorleistung.
Um das Ziel zu erreichen, benötigen wir neben einem geeigneten regulativen Rahmen für die Erzeugung erneuerbaren Wasserstoffs und finanziellen Anreizen für Flotten- und Tankstellenbetreiber vor allem geeignete Grundstücke und schlanke Genehmigungsprozesse. Landkreise und Kommunen für den Bedarf an Flächen sowie hinsichtlich der Hürden für die Erlangung einer Baugenehmigung zu sensibilisieren, ist also wesentlich, um die Klimaschutzziele auf Bundes- und EU-Ebene erreichen zu können.