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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Warum sich Bikeleasing für Autobauer lohnt

Viktor Meier, Partner bei der M&A Beratung Pava Partners
Viktor Meier, Partner bei der M&A Beratung Pava Partners

Volkswagen will mit seinem Bikeleasing zur Nummer zwei im Markt werden. Angesichts der hohen Wachstumsraten dürften andere Autobauer folgen. Sie können damit als Komplettanbieter auftreten und als ganzheitliche Mobilitätsanbieter fungieren.

von Viktor Meier

veröffentlicht am 14.11.2023

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Der VW-Konzern überraschte zur IAA Mobility in München mit der Aussage, das Geschäft mit dem Fahrradleasing in den kommenden Jahren massiv ausbauen zu wollen. „Bis 2030 wollen wir in Europa eine Million Fahrräder im Bestand haben“, kündigte Christian Dahlheim, Chef von Volkswagen Financial Services (VWFS) im Rahmen der Messe an.

Für Europa hat sich VW beim Bikeleasing besonders ehrgeizige Ziele gesteckt. Dort will der größte Autohersteller der Welt nicht weniger als die Nummer zwei im Markt werden. Wenige Wochen zuvor hatte Volkswagen angekündigt, mit 49 Prozent beim niederländischen Fahrrad-Leasing-Anbieter Bike Mobility Services (BMS) einzusteigen. Erklärtes Ziel von VWFS ist es, für BMS dann die Finanzierung aller Leasingräder zu übernehmen. 

BMS ist Europas führendes Fahrrad-Leasingunternehmen und aktuell in sechs Ländern aktiv: Deutschland, Niederlande, Österreich, Belgien, Schweden und seit kurzem auch in den USA. Das Unternehmen stellt derzeit Firmenfahrräder für über 600.000 Mitarbeiter in 65.000 Unternehmen, von Großkonzernen bis hin zu kleineren und mittleren Unternehmen. 90 Prozent der geleasten Fahrräder sind elektrisch und werden über ein Netzwerk von 8000 Fahrradhändlern vertrieben.

Wachstumsraten machen Bikeleasing lukrativ 

Die Ebit-Marge beim Fahrradleasing lag 2022 im Durchschnitt bei knapp unter zehn Prozent und ist damit den Margen im Auto-Leasing sehr ähnlich. Was das Fahrrad-Leasinggeschäft allerdings für Autobauer so interessant macht: Die Wachstumsraten sind deutlich höher als im klassischen Autoleasing. Der VW-Konzern schätzt das Marktpotenzial für Europa im Dienstfahrrad-Leasing für 2028 auf zehn Milliarden Euro.

Wir beobachten in jüngster Zeit auch immer stärker das Interesse von Private-Equity-Investoren bei Unternehmen der Bikeleasing-Industrie. Ein Beispiel ist jüngst der Verkauf der Green Mobility Holding vom Private Equity Investor DPE an Rivean Capital. Das Unternehmen erwirtschaftete offiziellen Angaben zufolge im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 140 Millionen Euro. Auch das zeigt die Attraktivität dieses Sektors.

Außerdem soll sich laut Mergermarket derzeit die Eurorad Deutschland, eine Tochtergesellschaft der ZEG Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft, im Verkaufsprozess befinden. Gerüchten zufolge erwirtschaftete das Unternehmen ein operatives Ergebnis vor Abschreibungen (Ebitda) von 14 bis 18 Millionen Euro. Die Verkaufsgerüchte wurden bislang jedoch nicht offiziell bestätigt

Weitere Automotive-Player werden VW-Vorstoß folgen

Aufgrund der guten Aussichten im Fahrradleasing werden weitere Automobilhersteller das Feld in Zukunft stärker besetzen. Die VW-Rivalen Mercedes und BMW sind schon heute bei JobRad, einem der größten traditionellen Fahrrad-Leasing-Anbieter, registriert. BMW hat in Kooperation mit 3T seine ersten Fahrräder unter eigenem Namen bereits auf den Markt gebracht, Porsche geht noch einen Schritt weiter und entwickelt sogar eigene Premium-Bikes. Der Stellantis-Konzern, zu dem auch die Marke Peugeot gehört, bietet seinen Kunden eine umfangreiche Palette von Peugeot-E-Bikes an. Wir halten es für sehr realistisch, dass Kunden schon bald eine Leasing-Option durch Stellantis Financial Services bekommen werden.

Im Fahrradmarkt droht ein ruinöser Preiskampf  

Im Jahr 2021 verzeichneten Fahrradhändler in Deutschland ein massives Umsatzplus von 32,4 Prozent, da viele Deutsche aus Sorge vor einer Coronainfektion auf das Fahrrad umgestiegen sind und den ÖPNV mieden. Auch 2022 konnten die Händler ihren Umsatz inflationsbereinigt und trotz Lieferproblemen noch einmal um 2,4 Prozent steigern. Allerdings war der Markt zuletzt überhitzt. Die Über-Nachfrage beruhigte sich, der Kapitalbedarf steigt und zugleich macht sich der Personalmangel in der Branche bemerkbar. 

Die noch 2022 bestehenden Lieferengpässe der Vorlieferanten haben sich weitgehend aufgelöst, Rückstände und teilfertige Produkte werden nun fertig produziert und gehen zum Händler. In der Regel müssen sie sofort oder sehr schnell bezahlt werden. Die Lager der Fahrradhändler sind aktuell überfüllt und sie müssen ihre Produkte deutlich rabattieren. Wir befürchten einen Preiskampf, den gerade kleine Fahrradläden nicht überstehen könnten. Der Markt ist aktuell sehr kompetitiv und wir rechnen mit einem Konzentrationsprozess.

Ein prominentes Opfer des starken Wettbewerbs ist die niederländische Fahrradmarke Vanmoof, die im Juli 2023 Insolvenz anmelden musste. Das Image hatte zuletzt deutlich gelitten, weil Kunden die Reparaturanfälligkeit und lange Wartezeiten in den Werkstätten bemängelten. Die hohe Reparaturquote und Garantieansprüche belasteten massiv die Kostenseite. In dieser kritischen Lage hatte der britische E-Scooter-Hersteller Lavoie das niederländische Unternehmen übernommen. 

Autokonzerne werden zu Mobilitätsanbietern

Trotz der aktuellen angespannten Situation im Fahrradhandel bleibt das Dienstfahrrad-Leasing ein sehr lukratives Geschäftsfeld. Immer mehr Beschäftigte erkennen die Vorteile des Dienstfahrrad-Leasings, bei dem der Arbeitgeber einen Teil der Leasingrate übernimmt und sich zudem noch Steuervorteile für den Leasingnehmer ergeben. Vor allem teure E-Bikes mit Listenpreisen zwischen 6000 und 10.000 Euro werden so für viele Bike-Enthusiasten erschwinglich.

Volkswagen Financial Services gehört mit 13,9 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2022 zu den größten drei Playern im Automotive-Leasing in Europa. Für den Sektor Bikeleasing trauen wir dem VW-Konzern durchaus zu, in Europa die Nummer 2 der Bike-Finanzierer zu werden. 

Anders als reine Bikeleasing-Anbieter können Autokonzerne wie VW als Komplettanbieter auftreten und als ganzheitliche Mobilitätsanbieter fungieren. So können etwa Kunden, die bereits bestehende Autoleasingverträge haben, ganz einfach auf Fahrrad-Leasingverträge umsteigen. Außerdem können Unternehmens-Mitarbeiter im Rahmen eines Mobilitäts-Budgets anstelle eines persönlichen Firmenwagens dienstliche sowie private Fahrten mit alternativen Verkehrsmitteln ihrer Wahl abdecken. Diese hohe Flexibilität kann ein reiner Bikeleasing-Anbieter nicht bieten.

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