Der Verkehrssektor spielt eine entscheidende Rolle zur Erreichung der deutschen, europäischen und globalen Klimaziele. Während erneuerbare Energien zunehmend die fossilen Energieträger Kohle, Gas und Öl aus dem Strommix verdrängen, basiert der Verkehr, der etwa 20 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland ausmacht, immer noch fast ausschließlich auf Benzin und Diesel. Die Notwendigkeit einer grundlegenden Verkehrswende ist unbestritten.
Aber die Politik verfolgt bei der Verkehrswende drei Ziele, die nicht miteinander zu vereinbaren sind. Erstens sollen die Emissionen im Verkehr stark abgesenkt werden. Zweitens sollen die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen nicht grundlegend verändert werden. Drittens soll die finanzielle Belastung für Konsument:innen durch einen CO2-Preis gering gehalten werden.
Über viele Jahre hat die Politik die Zielkonflikte zwischen diesen drei verkehrspolitischen Zielen erfolgreich verdrängt. Die neue Bundesregierung, insbesondere Verkehrsminister Volker Wissing, hat nun die Möglichkeit, mehr Realitätssinn zu beweisen als ihre Vorgänger.
Das Trilemma der Verkehrswende
Die Ziele der deutschen Verkehrspolitik können folgendermaßen zusammengefasst werden: Ambitionierte Minderungen der Verkehrsemissionen sollen einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der deutschen Klimaschutzziele leisten. Gleichzeitig sollen klimaschädliche Maßnahmen, wie das Dienstwagenprivileg oder die Pendlerpauschale, nicht angetastet werden. Und auch der CO2-Preis im Verkehr soll nur moderat ansteigen, damit Autofahrer:innen nicht zu stark belastet werden.
Das Brennstoffemissionshandelsgesetz sieht einen graduellen Anstieg der CO2-Preise vor, von 25 Euro im Jahr 2021 auf 55 Euro 2025. Ab 2026 soll sich der Preis dann in einem Korridor von 60 bis 80 Euro/tCO2 bewegen und ab 2027 frei am Markt bilden.
Selbst unter der relativ optimistischen Annahme, dass bis 2030 tatsächlich die von der Bundesregierung anvisierten 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen unterwegs sind, wäre dann immer noch ein CO2-Preis von mindestens 125 Euro/tCO2 nötig, um die Ziele des Klimaschutzgesetzes im Verkehr zu erreichen. Das würde einem Preisaufschlag von cirka 37 Cent/l für Benzin und 40 Cent/l für Diesel entsprechen und wäre mit dem Ziel eines moderaten Preisanstiegs nicht vereinbar. Zwar könnten Emissionsminderungen im Verkehr auch mit niedrigeren CO2-Preisen erreicht werden – allerdings würde dies eine tiefgreifende Veränderung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen erfordern.
Die Politik sieht sich also mit einem Trilemma konfrontiert. Die drei genannten Ziele – ambitionierte Emissionsminderungen, konstante Rahmenbedingungen und niedrige CO2-Preise – können nicht gleichzeitig erreicht werden. Um die Verkehrswende auf den Weg zu bringen ist es notwendig, lang überfällige Reformen nun zügig anzugehen.
Wege aus dem Trilemma
Wie kann die neue Bundesregierung einen Ausweg aus diesem Trilemma finden? Eine Abschwächung der Sektorziele für den Verkehr würde die nötige Transformation des Verkehrssektors nur weiter hinausschieben. Zudem müssten dann andere Sektoren entsprechend mehr Minderung erbringen.
Somit bleiben noch zwei Optionen, um dem verkehrspolitischen Trilemma zu begegnen: höhere CO2-Preise sowie eine zügige Reform der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen. Diese beiden Optionen stehen sich nicht als ‚Entweder-Oder‘ gegenüber, sondern müssen sich gegenseitig ergänzen.
Eine Politik, die Pendler und Hausbesitzer mit steigenden CO2-Preisen allein lässt, sorgt für Frustration. Dagegen geben flankierende Maßnahmen den Haushalten Optionen, sich auf den Preisanstieg einzustellen. Jede Maßnahme, die einen Ausstieg aus der fossilen Mobilität erleichtert, verringert den CO2-Preis, der notwendig ist, um das Emissionsziel zu erreichen.
Der Abbau von Subventionen für fossile Mobilität würde nicht nur dem Klima helfen, sondern auch öffentliche Mittel für die Verkehrswende bereitstellen. Erhalt und Ausbau des Schienenverkehrs benötigen dringend öffentliche Investitionen. Gleiches gilt für die bessere Vernetzung von Verkehrsträgern. Und auch für den Aufbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge wird staatliche Förderung – zumindest zu Beginn und in dünn besiedelten Regionen – benötigt.
Neben Reformen der fiskalischen Rahmenbedingungen sind auch ordnungsrechtliche Maßnahmen denkbar, wie die Einführung (beziehungsweise Verschärfung) von Tempolimits, die Absenkung der Regelgeschwindigkeit in Städten oder die Förderung autofreier Quartiere. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs sowie der Infrastruktur für Rad- und Fußverkehr sind entscheidend, um den Bürger:innen den Umstieg auf klimafreundliche Mobilität zu erleichtern.
Maßnahmen zur Wahrung der sozialen Ausgewogenheit sollten so ausgestaltet werden, dass sie der Wirkung des CO2-Preises nicht entgegenstehen, sondern idealerweise Haushalte darin unterstützen, ihren CO2-Fußabdruck zu verringern. Eine Pro-Kopf-Rückverteilung der Einnahmen der CO2-Bepreisung würde Geringverdiener:innen finanziell insgesamt sogar besser stellen.
Mit der Streichung der EEG-Umlage hat die Ampelkoalition einen ersten Schritt zur Vermeidung sozialer Schieflagen getan – im nächsten Schritt sollte das vorgesehene Klimageld so schnell wie möglich in Angriff genommen werden. Auch die Umgestaltung der Entfernungspauschale zu einem einkommensunabhängigen Mobilitätsgeld wäre eine Option, um die Verkehrswende sozial gerecht zu gestalten.
Ausblick
Die Bundesregierung hat jetzt die Möglichkeit, die Weichen für die Verkehrswende zu stellen. Dies erfordert einen offenen Umgang mit Zielkonflikten. Die Verkehrswende kann nur gelingen, wenn Anreize zur Emissionsminderung durch einen signifikanten CO2-Preis und den Abbau von Subventionen für fossile Mobilität und gleichzeitig Strukturen zum Umstieg auf nachhaltige Alternativen geschaffen werden. Ansonsten droht die Gefahr, dass die Verkehrswende scheitert, bevor sie beginnt – und mit ihr auch die deutschen Klimaschutzziele in weite Ferne rücken.