Wenn wir der Frage nachgehen, wie die Mobilität der Zukunft aussehen soll, müssen wir vor allem zwei grundlegenden Anforderungen Rechnung tragen. Erstens: Mobilität ist und bleibt ein fundamentales Grundbedürfnis unserer Gesellschaft. Und zweitens: Wie in allen Lebensbereichen müssen wir auch die Mobilität so gestalten, dass wir Emissionen sowie Ressourcen- und Energieverbrauch reduzieren, um den Herausforderungen des Klimawandels gerecht zu werden.
Ich verstehe eine „konservative“ Verkehrswende also in doppelter Hinsicht: Zum einen müssen wir den Menschen weiterhin die Freiheit größtmöglicher Mobilität gewährleisten – und das ohne Bevormundung, Verbote oder staatliche Gängelungen. Und zum anderen müssen wir dabei Natur und Schöpfung, einen gesunden Planeten auch für die kommenden Generationen erhalten und bewahren – also im buchstäblichen Wortsinn „konservativ“ handeln.
Mobilität als Freiheitsversprechen
Wenn also eine für alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer annehmbare und nachhaltige Verkehrswende gelingen soll, bedarf es sowohl eines verstärkten Einsatzes und der Weiterentwicklung innovativer Technologien sowie der Nutzung der Digitalisierung als auch eines ausdifferenzierten Mobilitätsangebots, das die Bedürfnisse aller Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt – in der Stadt wie auf dem Land, von Familien mit Kindern wie von Singles, von Menschen mit Behinderung wie von Seniorinnen und Senioren.
Denn gerade im Hinblick auf die Altersentwicklung unserer Gesellschaft ist es außerordentlich wichtig, die selbstständige Lebensführung und gesellschaftliche Teilhabe mit barrierefreien und benutzerfreundlichen Verkehrsinfrastrukturen bestmöglich zu gewährleisten.
Für den Verkehr der Zukunft müssen alle beteiligten Akteure aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft verstehen, dass nachhaltige Mobilität, persönliche Freiheit, Umwelt- und Klimaschutz sowie eine prosperierende Wirtschaft zusammengehören. Das betrifft den motorisierten Straßenverkehr, den Fuß- und Radverkehr, die öffentlichen Verkehrsmittel sowie Sharing-Angebote gleichermaßen.
Radverkehrsinfrastruktur ausbauen
Das größte Potential für klimafreundliche Mobilität, vor allem im Nahverkehr, hat aus meiner Sicht der Radverkehr. Im Rahmen der Mobilitätswende in Bayern werden Straßen- und Verkehrswege darum verstärkt aus dem Blickwinkel der Radfahrer betrachtet und entsprechend geplant. Der Anteil des Radverkehrs am bayerischen Gesamtverkehrsaufkommen soll deutlich erhöht werden.
Dazu sollen durch den Freistaat und die Kommunen bis 2030 rund 1500 Kilometer neuer Radwege in ganz Bayern und damit ein durchgängiges Radnetz entstehen. Gleichzeitig müssen auch entlang der Bundesstraßen vom Bund noch mehr Radwege gebaut werden, ebenso entlang von Bundeswasserstraßen wie dem Main-Donau-Kanal.
Mit Wegweisungen für Radfahrerinnen und Radfahrer als auch mit digitalen Routenplanern soll sowohl für Freizeit als auch auf Alltagsfahrten die Orientierung erleichtert werden, wie das für den Kfz-Verkehr bereits selbstverständlich ist. Der große Vorteil des Fahrrads ist, dass es einerseits ein Individualverkehrsmittel ist, das von keinen Fahrplänen oder Fremdpersonal abhängig ist. Andererseits verursacht es keine Schadstoffemission und keinen Lärm, braucht wenig Platz und schafft gesunde Bewegung.
Die schwächsten Verkehrsteilnehmer schützen
Das aktuelle Wachstum des Radverkehrs lässt leider auch die Unfallzahlen steigen. Dem muss mit vielfältigen Maßnahmen begegnet werden. An Kreuzungen und Einmündungen soll stärker darauf geachtet werden, dass die Sicht auf den Radverkehr nicht versperrt ist. Mit besonderen Verkehrsschauen werden wir die gesamte Radinfrastruktur in den Blick nehmen und dafür sorgen, dass Radfahrerinnen und Radfahrer noch sicherer unterwegs sein können.
Freilich wird es durch die Zunahme der Verkehrsdichte und die weitere Ausdifferenzierung des Verkehrsangebots zu vermehrten Spannungen oder Konflikten im Straßenverkehr kommen. Gegenseitige Rücksichtnahme ist daher gefragter denn je.
Wir wollen in Bayern mehr Rücksichtnahme aller Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer untereinander erreichen, vor allem um besonders gefährdete Gruppen wie Kinder, Fußgängerinnen und Fußgänger sowie Radfahrerinnen und Radfahrer besser zu schützen und die Bedürfnisse älterer Menschen und von Menschen mit Behinderungen in den Fokus zu rücken. Gerade sie sind schließlich auf die Rücksichtnahme anderer angewiesen.
Mobilitätsvielfalt für alle schaffen
Außerdem bedarf es eines flächendeckenden Ausbaus weiterer Mobilitätsangebote. Denn wir wollen allen Menschen – also auch jenen ohne eigenes Verkehrsmittel – ermöglichen, uneingeschränkt an ihr Ziel zu kommen. Das heißt, das öffentliche Verkehrsnetz muss ausgebaut und noch weiter verbessert werden – das gilt für den Schienenverkehr genauso wie für Busverbindungen. Die Nutzung dieser Verkehrsmittel muss einfach und kundenfreundlich sein. Und sie müssen verlässlich zur Verfügung stehen.
Nur mit der Vielfalt dieser Maßnahmen können wir die Verkehrswende erreichen. Denn in Zukunft müssen mehr Wege mit Bahn, Bus, Fahrrad und zu Fuß zurückgelegt werden. Das darf von den politischen Entscheidungsträgern aber nicht von „oben“ herab verordnet werden. Es ist unsinnig den Pkw zu verteufeln oder von gänzlich autofreien Städten zu träumen. Viele Menschen werden auch künftig auf ein eigenes Auto angewiesen sein. Doch die zunehmende Attraktivität der klimafreundlichen Mobilitätsangebote kann der Schlüssel zum Erfolg der Mobilitätswende sein.
Das wird nicht im Gegeneinander, sondern nur gemeinsam im Miteinander von Bürgerinnen und Bürgern, politisch Verantwortlichen, Umweltverbänden, Verkehrsunternehmen, Fahrgastverbänden sowie von Klimaschutz- und Bürgerinitiativen gelingen. Mit dieser „konservativen“ Verkehrswende sind wir an der Spitze der fortschrittlichen Mobilität – damit wir auch in Zukunft in Deutschland alle mobil sein und unsere Klimaziele erfüllen können.