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Standpunkte Wie Batterien nachhaltiger und preiswerter werden

Peter Axmann, Leiter der Batteriematerialforschung am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Ulm
Peter Axmann, Leiter der Batteriematerialforschung am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Ulm Foto: promo

Mehr als 50 Prozent der Gesamtkosten einer Batteriezelle entfallen auf das Kathodenmaterial. Eine Herausforderung besteht darin, den Anteil kritischer Rohstoffe in Batterien zu reduzieren, die Abhängigkeit von Lieferungen zu verringern und die Kosten zu senken.

von Peter Axmann

veröffentlicht am 05.07.2023

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In den Zukunftsszenarien zum nachhaltigen Umgang mit der Energie kommt Batterien eine zentrale Bedeutung zu, insbesondere in den Bereichen der Zwischenspeicherung regenerativ erzeugter Energie und der Elektromobilität. Aktuelle Prognosen gehen von einem Anstieg des Bedarfs an Energiespeichervolumen von 700 Gigawattstunden im Jahr 2022 auf 4700 Gigawattstunden im Jahr 2030 aus – mehr als eine Versechsfachung. Entsprechende Speichervolumina müssen produziert und die dafür notwendigen Mengen an Rohstoffen bereitgestellt werden. 

Heutige Lithiumionenbatterien enthalten überwiegend Lithium, Kobalt, Nickel, Mangan und Grafit als zentrale Elemente der Speicherchemie. Aktuell werden 74 Prozent des weltweiten Bedarfs an Lithium für die Produktion von Batterien verwendet, bei Kobalt sind es 50 Prozent, bei Nickel 15 Prozent. Die Rohstoffpreise unterliegen politisch bedingt extremen Schwankungen; zudem spielen sozioökonomische Fragen eine wichtige Rolle. 

Eine wichtige Herausforderung besteht darin, den Anteil dieser kritischen Rohstoffe in Batterien zu reduzieren, die Abhängigkeit von Lieferungen zu verringern und die Kosten zu senken. Denn mehr als 50 Prozent der Gesamtkosten einer Batteriezelle entfallen auf das sogenannte Kathodenmaterial. 

Die Kathode ist der Pluspol der Batterie, erkennbar am Pluszeichen, und hier werden die Kathodenmaterialien eingesetzt. Der Minuspol verwendet derzeit Grafit als Speichermaterial. Um diese Kosten zu senken und die Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen zu verringern, arbeiten Batterieexperten intensiv an nachhaltigen Kathodenmaterialien.

Das Ziel: Kobalt-Anteil reduzieren

Die Rohstofffrage spielt aber nicht nur aus Kostensicht eine Rolle: Das Mengenverhältnis der Metalle im Speichermaterial bestimmt darüber, wie viel Energie das Material pro Masse oder Volumen speichern kann. Man spricht dabei von spezifischer Energie und Energiedichte. Die Unterschiede sind hier enorm. Je höher diese Werte, desto größer ist die mögliche Reichweite des Fahrzeugs bei gleichem Bauraum oder Gewicht der Batterie und umso attraktiver wird das Material für den automobilen Einsatz. Sofern die Kosten stimmen. 

In aktuellen Elektrofahrzeugen werden aufgrund ihrer hohen Energiedichte die sogenannten NMC-Materialien eingesetzt. Das Kürzel NMC steht für die darin enthaltenen Metalle: N für Nickel, M für Mangan und C für Kobalt, letzteres aus der englischen Schreibweise. Lithium ist enthalten, taucht aber im Namen nicht auf. 

Um in NMC die Kosten zu senken, wird der Kobaltanteil minimiert und der Nickelanteil gesteigert. Lange Zeit enthielten die Materialien je 33 Prozent Nickel, Kobalt und Mangan, heute werden für Nickel Werte über 90 Prozent, für Kobalt unter fünf Prozent angestrebt. Positiver Nebeneffekt: Die Speicherfähigkeit des Materials nimmt zu. Allerdings auf Kosten der Langzeitstabilität und des Sicherheitsverhaltens, was wiederum chemische Korrekturmaßnahmen am Material erfordert, die zeit- und kostenaufwändig sein können. Diese Materialklasse wird daher ständig weiter optimiert. Sie bestimmt den aktuellen Markt.

Neue Materialklassen für nachhaltige Batterien

Die vollständige Vermeidung von Kobalt gelingt bei einer anderen Materialklasse, dem Hochvoltspinell (LMNO). Dieses Material verwendet hauptsächlich kostengünstiges Mangan und benötigt nur noch 25 Prozent Nickel und zudem nur die Hälfte an Lithium verglichen mit NMC. Dies führt zu einer erheblichen Reduzierung des Bedarfs an kritischen Rohstoffen und trägt zur Kostensenkung bei. Allerdings ist dieses Material sehr reaktionsfreudig, was zu korrosiven Reaktionen in der Zelle führt, sodass die aktuell geforderte hohe Lebensdauer einer Batteriezelle noch nicht erreicht ist. Dennoch wird der Hochvoltspinell intensiv beforscht, da er im Hinblick auf Kosten und Rohstoffeinsatz hochattraktiv für den großtechnischen Einsatz ist.

Eine weitere attraktive Materialklasse – ebenfalls manganreich und nickelarm – sind die Lithium-Mangan-reichen Schichtoxide, auch High-Energy NMC (HE-NMC) genannt. Sie zeichnen sich durch außergewöhnlich hohe Speicherfähigkeit aus. Verglichen mit NMC benötigen sie die 1,5-fache Menge an Lithium, gegenüber LMNO ist der Lithiumanteil sogar verdreifacht, was bei den aktuellen Lithiumkosten kritisch einzustufen ist. Die Entladeleistung dieser Materialien ist im Vergleich mit den bisher genannten Materialien noch eingeschränkt, ebenso die Langzeitstabilität. Auch diese Materialien werden als hochattraktiv eingeordnet und werden industriell intensiv beforscht. 

Höchste Nachhaltigkeit aus Sicht der Rohstoffverfügbarkeit haben zwei weitere Materialien: Lithiumeisenphosphat (LFP) und Lithiummanganeisenphosphat (LMFP). Sie enthalten – der Name verrät es bereits – neben Lithium nur die Metalle Eisen und Mangan, beide unkritisch, verfügbar und nicht toxisch. Sie verzichten vollständig auf den Einsatz von Nickel und Kobalt.

Noch kein Massenmarkt für viele Materialien

LFP findet sich bereits seit Langem in kommerziellem Einsatz. Aufgrund der vergleichsweise niedrigen Energiedichte ist der Einsatz von LFP im mobilen Bereich im europäischen Raum aktuell begrenzt. Führt man Mangan in das Material ein, so erhöht man die Energiedichte des Materials deutlich. LFMP steht noch vor dem Markteintritt. Seine Einschränkungen liegen in der Lade-/Entladegeschwindigkeit. Beide Materialien zeichnen sich durch hohe Sicherheit in geladenem Zustand und hohe Lebensdauer aus. 

Eine junge aufstrebende Technologie sind die Natriumionenbatterien. In ihnen übernimmt Natrium die Aufgabe des Lithiums. Kobaltfreie Materialien sind einfacher zugänglich, auch auf Nickel kann verzichtet werden. Da sie kein Lithium benötigen, können die Kathodenmaterialien frei von jeglichen kritischen Rohstoffen hergestellt werden – ein großer Fortschritt. 

Zusätzliche Nachhaltigkeit wird auch auf Zellebene erreicht: Kupferableiter am negativen Pol können durch solche aus Aluminium ersetzt werden. An Stelle des kritisch eingestuften Grafits werden Kohlenstoffverbindungen aus regenerativen Rohstoffen eingesetzt. Es gibt aktuell starke Aktivitäten zur Kommerzialisierung in China, Europa holt auf. Dennoch befinden sich diese Materialien noch nicht im Massenmarkt, es sind noch viele Aufgaben zu lösen. 

Nachhaltigkeit heißt aber auch: Die gesamte Wertschöpfungskette von der Gewinnung der Rohmaterialien über die Material-, Elektroden- und Zellfertigung bis zum Recycling ist zu betrachten. In der Zellfertigung liegt bereits großes Potenzial, die Nachhaltigkeit zu erhöhen: Elektroden sind ultradünne Metallfolienbänder, die mit der eigentlichen Funktionsschicht belegt werden. Die pulverförmigen Materialien werden dabei zu einer Paste verarbeitet und vergleichbar einem Farbauftrag auf die Folien, die Stromableiter, aufgebracht. Aktuell werden dabei toxische Lösungsmittel und fluorhaltige Binder eingesetzt; beide sind nicht nachhaltig. 

Förderung entlang der Wertschöpfungskette

Für den alternativen Einsatz von Wasser sind viele neue Materialien in reiner Form nur begrenzt geeignet. Hier kommt das Kathodenmaterial wieder ins Spiel. Unter einem hochauflösenden Mikroskop sieht man runde Partikel, deren Größe weit unterhalb der Dicke eines menschlichen Haares liegt, dieses sind die eigentlichen Speicher. Durch das Aufbringen von wenige Atomlagen dicken Schutzschichten auf diese Partikel können auch hochempfindliche Materialien für die Verarbeitung in nachhaltigen Prozessen qualifiziert werden und für hohe Lebensdauer ertüchtigt werden. Partikeldesign ist gezielte Architektur im Mikrometermaßstab – und das in großtechnischen Prozessen. 

Das Bundesforschungsministerium (BMBF) fördert die Forschungsaktivitäten in Deutschland unter dem Dachkonzept Batterie intensiv entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Bereitstellung maßgeschneiderter neuer Speicherchemien in großen Mengen und mit optimiertem Partikeldesign sind hierbei eine zentrale Grundvoraussetzung. Derzeit baut das ZSW in Ulm mit Förderung des BMBF und des Landes Baden-Württemberg ein Synthesetechnikum, in dem die oben genannten Materialien im Maßstab bis zu 100 Kilogramm hergestellt werden können. Solche Materialmengen sind notwendig, um eine ausreichende Anzahl an Batteriezellen zu bauen und anschließend aussagekräftig zu bewerten. Etwas Vergleichbares zu diesem neuen Synthesetechnikum gibt es in Deutschland und Europa derzeit nicht.

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