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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Wie City-Logistik nachhaltig wird

Beres Seelbach, Mitgründer und Geschäftsführer von Ono E-Lastenräder
Beres Seelbach, Mitgründer und Geschäftsführer von Ono E-Lastenräder Foto: promo

Unsere Städte sind für den heutigen Wirtschaftsverkehr nicht gemacht. Zu eng die Straßen, zu wenig Parkfläche und zu viele Verkehrsteilnehmer und Bewohner. Allein der Umstieg auf umweltfreundlichere Antriebe ist jedoch keine Lösung. Es bedarf vielmehr neuer Mobilitäts- und Transportkonzepte, die den Anforderungen von Logistikern und Anwohnern gerecht werden.

von Beres Seelbach

veröffentlicht am 13.09.2019

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Wie sind Sie heute zur Arbeit gekommen? Zu Fuß, auf dem Rad oder per Auto? Und haben Sie sich auf Ihrem Weg über von Autos blockierte Geh- und Radwege, Stau, gefährliche Ausweichmanöver und Abgase geärgert?

Das ist Alltag in deutschen Städten und Metropolen weltweit. Die urbane Bevölkerung wächst, und die ständige Online-Verfügbarkeit von Waren lädt zum schnellen Bestellen ein – Städte stoßen an ihre Verkehrsgrenzen. City-Logistik steht bereits mit konventionellen Methoden vor immensen Herausforderungen. Nimmt man nun noch Klimaschutz, Vermeidung von Abgasen und Feinstaub sowie den Wunsch nach mehr Freiflächen im öffentlichen Raum mit auf die Anforderungsliste, so scheint eine nachhaltige Transportkette fast unmöglich.

Das mag erklären, wieso sich der öffentliche Diskurs lieber Teilaspekten wie dem richtigen Antrieb – ob Diesel, Gas oder elektrisch – widmet, statt an einer ganzheitlichen Lösung zu arbeiten. Vielleicht sehen wir auch den Wald vor lauter Bäumen oder, besser gesagt, die Stadt vor lauter Transportern nicht. Denn die Realität ist: Unsere Städte sind für den heutigen Wirtschaftsverkehr nicht gemacht. Zu eng die Straßen, zu wenig Parkfläche und zu viele Verkehrsteilnehmer und Bewohner. Dennoch kommen für Lieferungen & Co. nicht nur schadstoffreiche sondern auch sperrige Fahrzeuge zum Einsatz.

Vorhandene Verkehrsflächen gerecht verteilen

Transporter sind zum jetzigen Zeitpunkt fester Bestandteil der urbanen Logistik, da sie die Grundversorgung der Bevölkerung sicherstellen. Bei stetig wachsenden Fahrzeugzahlen auf gleicher Fläche ist allein der Umstieg auf umweltfreundlichere Antriebe jedoch keine Lösung. Es bedarf vielmehr neuer Mobilitäts- und Transportkonzepte, die den Anforderungen von Logistikern und Anwohnern gleichermaßen gerecht werden.

Es gilt, vorhandene Verkehrsflächen neu zu denken und gerecht zu verteilen: Vom aktuell herrschenden Recht auf individuelle Mobilität, das ins Chaos führt, hin zum städtischen Gemeinwohl, um mehr Lebensqualität für alle zu erreichen. So könnten Parkplätze zu fixen Stellplätzen für geteilte Verkehrsmittel oder Infrastruktur für City-Logistik wie Depots umgewandelt werden. Standardisierte Container könnten auf den freien Parkplätzen abgestellt werden, wodurch Logistikdienstleister Zugriff auf ein Zwischenlager im jeweiligen Zustellgebiet bekommen. Kombiniert mit Halteflächen entstünden neue Zustellmöglichkeiten auf der letzten Meile. Ein zusätzlich positiver Effekt der gesonderten Stellplätze für Logistikfahrzeuge bestünde darin, dass das Stau und Unfälle verursachende Parken in der zweiten Reihe abnähme.

Es stellt sich die Frage, ob konventionelle Lieferfahrzeuge überhaupt noch zeitgemäß sind und ob die Veränderungen des urbanen Raums nicht mit einem Wandel der Lieferketten einhergehen müssten. In Frankfurt am Main wird derzeit eine dreistufige Lieferkette getestet, die auf den Einsatz von Transportern in der Stadt verzichtet. Bei dem Konzept der Logistiktram werden mobile Mikrodepots zu einer am Stadtrand gelegenen Verladestelle transportiert, wo der Umschlag auf einen Tramwaggon stattfindet. Entlang der Straßenbahntrasse werden die Mikrodepots an definierten Stellen abgestellt, anschließend auf E-Cargo-Bikes umgeschlagen und auf der letzten Meile zugestellt. Dadurch werden die Vorteile der Tram auf langen Strecken und die des Lastenrads auf kurzen Distanzen kombiniert und der Transporter aus der Innenstadt ferngehalten. Auch in anderen Städten werden neue Transportketten erprobt, wie beispielsweise in Berlin mit dem KoMoDo-Projekt oder in Stuttgart, wo Dachser den Stückguttransport mit Lastenrädern testet. 

Die Projekte verdeutlichen eins: entscheidend sind flexible Lösungsansätze für die City-Logistik, die sich den Gegebenheiten des Raums und der Branche anpassen. Ein Universalkonzept gibt es nicht.

Neuer rechtlicher Rahmen notwendig

Neben der räumlichen und zeitlichen Verlagerung von Warenströmen sind innovative Verkehrskonzepte entscheidend für die urbane Logistik der Zukunft. Unternehmen befassen sich mit der Thematik, sehen sich jedoch mit Restriktionen der bestehenden Verkehrssysteme konfrontiert. Der gewünschte Wandel ist nur im Einklang mit der Politik zu erreichen. Infrastrukturelle Anpassungen, wie der Ausbau von Cargo-Bike-geeigneten Radverkehrsanlagen, die Umwidmung bestehender Flächen für Logistikfahrzeuge beziehungsweise Mikrodepots oder der Ausbau der digitalen Infrastruktur, sind neben dem Schaffen einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur notwendig. Selbiges gilt für einen entsprechenden rechtlichen Rahmen, der beispielsweise die Nutzung von Cargo-Bikes ausweitet oder autonomes Fahren ermöglicht.

Letztendlich erfordert ein komplexes Konstrukt wie City-Logistik einen hohen Individualisierungsgrad. Nachhaltigkeit allein auf ökologische Aspekte zu reduzieren, greift zu kurz. Umwelt, Ökonomie und Soziales müssen im Einklang stehen. Neue Lieferkonzepte, die eine lebenswerte Zukunft in den Städten ermöglichen, sind nicht nur Wunschdenken, sondern werden dringender denn je benötigt.

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