Elektrofahrzeuge können nicht nur als reine Stromverbraucher genutzt werden, sondern auch als mobile Energiespeicher und damit als Stromlieferant für zu Hause (Vehicle-to-Home, V2H) und oder sogar für das Netz (Vehicle-to-Grid, V2G). Beim Letzteren wird das Fahrzeug zu einem integralen Bestandteil des Stromnetzes und kann bei Bedarf überschüssige Energie aus dem Netz aufnehmen oder bei Engpässen diese wieder einspeisen.
Dies ist insbesondere für das Gelingen der Energiewende von entscheidender Bedeutung. Der stetig steigende Ausbau der erneuerbaren Energien bringt durch die Volatilität von Sonne und Wind enorme Herausforderungen für das Stromnetz mit sich. Angebot und Nachfrage müssen zu jeder Zeit ausgeglichen sein, sonst kommt es zum Kollaps des Netzes. Das Ausbaupotenzial von zentralen Stromspeichern wie zum Beispiel Pumpspeicherkraftwerken ist geologisch stark begrenzt. Wasserstoff als Speichermedium ist auf absehbare Zeit keine wirtschaftliche Option.
Durch die Transformation des Verkehrs hin zur Elektromobilität liegt es daher nahe, die relativ großen Fahrzeugbatterien der Elektroautos als Zwischenspeicher zu nutzen. Dadurch kann die Integration erneuerbarer Energien in das Stromnetz optimiert werden. Windanlagen müssten somit nicht mehr unnötig abgeschaltet werden. Das gesamte Energiesystem wird dezentraler. Der überregionale Netzausbaubedarf wird weniger.
Hemmschuh: Doppelbesteuerung des wiedereingespeisten Stroms
Trotz des großen Potenzials von V2G gibt es jedoch noch einige Hürden, die einer breiten Umsetzung entgegenstehen, insbesondere in Deutschland. Die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen spielen eine entscheidende Rolle. Die aktuelle Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, bis zum Ende der Legislaturperiode den gesetzlichen Rahmen für bidirektionales Laden zu schaffen.
Aktuell ist vor allem die Doppelbesteuerung des wiedereingespeisten Stroms ein Hemmschuh. So werden Stromsteuer und Netzentgelte zweimal fällig und fressen damit die Zusatzeinnahmen nahezu wieder auf. Denn aktuell sind im Stromsteuergesetz und in der Stromnetzentgeltverordnung lediglich die „stationären“ Speicher von dieser Doppelbesteuerung ausgenommen. Des Weiteren reguliert Paragraf 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) nur den Verbrauch von Strom und nicht dessen Einspeisung und umfasst das bidirektionale Laden somit erst gar nicht.
Als Grundvoraussetzung für V2G bedarf es eines digitalen vernetzten Stromzählers, im Fachjargon auch als intelligentes Messsystem oder auch als Smart-Meter/Smart-Meter-Gateway bezeichnet. Nur über diesen können über eine sichere Verbindung dynamische Tarife abgerufen und die zurückgespeiste Energie auch verrechnet werden. Der Roll-out dieser vernetzten Stromzähler wurde bereits 2009 auf EU-Ebene beschlossen. Ziel war es, bis 2020 rund 80 Prozent der Haushalte in allen Mitgliedsstaaten auszurüsten.
Deutschland bei Smart-Meter Schlusslicht
Während Länder wie Dänemark, Schweden oder Spanien bis dato bereits fast 100 Prozent ihrer Haushalte mit diesen Messinstrumenten ausgestattet haben, hinkt Deutschland als europäisches Schlusslicht mit unter einem Prozent weit abgeschlagen hinterher.
Aber warum? Es liegt vor allem an den hohen deutschen Sicherheits- und Datenschutzanforderungen und der Komplexität des deutschen Energiemarktes. Es gibt eine Vielzahl von Akteuren, die in den Roll-out involviert sind, darunter Netzbetreiber, Messstellenbetreiber und Energieversorger. Die Koordination und Zusammenarbeit zwischen diesen Akteuren gestaltet sich oft schwierig und führte so zu erheblichen Verzögerungen.
Da aber ohne den digitalen vernetzten Stromzähler die Umsetzung von V2G nicht möglich ist, hat die Bundesregierung im Mai 2023 nun das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende verabschiedet. Damit müssen bis spätestens Ende 2028 die Hälfte und bis Ende 2030 dann 95 Prozent aller Verbraucher umgestellt sein. Eine deutliche Verspätung zu dem ursprünglich von der EU-Kommission anvisierten Termin.
Durch dasselbe Gesetz wurde auch Paragraf 41a des EnWG dahingehend geändert, dass alle Energieanbieter mit mehr als 100.000 Kunden zur Einführung von dynamischen Stromtarifen gezwungen werden. Ab 2025 muss dann sogar jeder Stromanbieter diese Tarife offerieren. Erst mit dynamischen Tarifen lassen sich Arbitrage-Geschäfte durch die Differenz von günstigem Bezug und teurerer Einspeisung realisieren. Zwar gab es vor Dekaden bereits für Nachtspeicherheizungen erste Ansätze von zeitlich unterschiedlichen Tarifen. Bis dato haben aber nur sehr wenige Stromanbieter in Deutschland variable Tarife im Angebot.
Neben dem bereits beschriebenen Gewinn aus Preisunterschieden werden das netzdienliche Verhalten in kritischen Netzsituationen sowie die Bereitstellung von Kapazitäten am Regelenergiemarkt vergütet. Hier gibt es in Deutschland aber durch Mindestangebotsgrößen im Megawattbereich und aufwendige Präqualifizierungsmaßnahmen hohe Einstiegshürden. Elektroauto-Fahrern bleibt hier nur ein Vertragsabschluss mit einem sogenannten Aggregator, der die Leistung vieler Fahrzeuge bündelt und gesamtheitlich vermarktet.
Kein Problem für die Batterie
Generell können aber pro Elektroauto durch bidirektionales Laden mehrere hundert Euro pro Jahr als zusätzliche Einnahme generiert werden und dabei helfen, die Anschaffungskosten von Elektrofahrzeug und bidirektionaler Ladestation zu amortisieren. Dabei reicht es aus, wenn nur wenige Prozent des Fahrzeug-Akkus genutzt werden. Elektroautobesitzer müssen also keine Angst haben, zu wenig Reichweite am nächsten Tag zur Verfügung zu haben. Sie können jederzeit eine verbleibende Mindestreichweite per App festlegen.
Auch die Degradation der Batterie durch die erhöhte Nutzung spielt eine eher untergeordnete Rolle, wenn gewisse Parameter eingehalten werden. Laut Experten ist es ideal, wenn sich Lade- und Entladevorgänge zwischen 20 und 80 Prozent Ladezustand der Batterie bewegen und jeweils nur kleine Hübe von rund fünf bis zehn Prozent der Batteriekapazität gemacht werden. Werden diese Rahmenbedingungen berücksichtigt, übersteigen die Mehrerlöse aus V2G die Degradationskosten deutlich. Einige Fahrzeughersteller decken die bidirektionale Nutzung der Batterien sogar durch entsprechende Garantien ab. Manche Konzerne sind noch etwas vorsichtiger und schränken die Nutzung ein.
Viele aktuelle Elektroautomodelle auf dem Markt beherrschen bereits heute das Zurückspeisen von Strom oder haben zumindest die entsprechende Hardware schon verbaut. Bei Letzteren werden die nötigen Softwarefunktionen dann entsprechend nachträglich durch Over-the-air Updates aufgespielt. Auch bei den bidirektionalen Ladestationen gibt es enorme Entwicklungen. Kosteten erste Modelle vor einigen Jahren noch stolze 6000 bis 8000 Euro, wird es schon bald eine breite Auswahl zu nicht mal der Hälfte des Preises geben. Insbesondere die Solarwechselrichter-Hersteller aus Fernost haben diesen neuen Markt für sich erkannt und können mit ihrer bidirektionalen Technik hier kostenoptimierte Produkte anbieten.